Generalversammlung der Glencore

«Unter Marc Rich wäre das nie passiert»

Die Zukunft liegt im fossilen Brennstoff, sagt Glencore-Verwaltungsratspräsident Tony Hayward. (Bild: zvg, Screenshot )

So geht’s auch: Aufgebrachte NGOs kaufen sich Aktien der Glencore und kapern die Fragerunde der GV. Und die Geschäftsleitung lässt sie ins Leere laufen. Nur eine ältere Dame versteht die Welt nicht mehr.

«Das ist eine Aktionärsversammlung und keine Unionsvereinigung», enervierte sich eine ältere Dame in wunderbarem Deutsch-Englisch: Sie rebellierte in den vordersten Rängen der Generalversammlung der Glencore am Donnerstagmorgen. Und fuhr sogar Verwaltungsratspräsident Tony Hayward ins Wort, als dieser den frechen NGOs nicht schnell genug die Sprechzeit abschnitt. Hayward nahm das gelassen zur Kenntnis, kein Wunder: Er und CEO Ivan Glasenberg reagierten als eingespieltes Team auf alle Anschuldigungen.

Aber von vorne: Die Generalversammlung der Glencore hatte schon etwas unaufgeregt angefangen. Das schlechtere Ergebnis sei den tiefen Preisen auf dem Rohstoffmarkt geschuldet, sagte Ivan Glasenberg, aber das sollte gar nicht Thema der Fragerunde werden. Denn die NGOs und Gewerkschaften aus aller Welt, die die Reise nach Zug für die GV unternommen hatten, hatten ganz andere Bedenken. Und nutzten die Frage- und Antwortrunde, um die weltweiten Probleme in den Glencore-Mienen vor die höchste Instanz zu bringen: vor die Aktionäre.

«Wir haben Ihren Schmerz gehört»

Gewerkschafter aus Texas formulierten ihre Bedenken über den «block-out» von rund fünfhundert Angestellten, weil diese die neuen Arbeitsbedingungen und die Reduktion ihrer Pension nicht einfach hinnehmen wollten. «Viele würden sagen, das ist ein gutes Angebot», sagte Hayward gegenüber den klagenden Arbeitnehmern, die daraufhin klärten: «Das Angebot war eine Reduktion der bestehenden Pensionen, die heutigen Pensionäre werden von der Glencore auf die Strasse geworfen. Die Firma will die Renten nicht mehr zahlen.»

Zur Gelassenheit von Verwaltungsratspräsident Hayward trug auch die Einstellung im Saal bei: Die Einmischung der NGOs an der GV wurde von den Stammaktionären als Frechheit empfunden. Deshalb konnte die Unternehmensführung die Attacken geschickt und in freundlichem Tonfall ins Leere laufen lassen.

«Sehen Sie, diese Miene ist nun mal nicht sehr profitabel», sagt CEO Ivan Glasenberg, «aber wir werden direkt nach dieser GV veranlassen, dass die Verhandlungen möglichst schnell vorangetrieben werden.» Und Hayward ergänzt: «Wir haben Ihren Schmerz gehört, aber wir werden diese Verhandlung nicht hier lösen können.» Thema vom Tisch.

Fossil in die Zukunft

Den nächsten Einwänden von Seiten NGOs und Gewerkschaften ergeht es ähnlich: Der Vertreter einer Englischen Kirchengruppe, die ebenfalls Aktionärin ist, forderte von der Glencore-Führung mehr Bewusstsein für den Klimawandel – er finde im Nachhaltigkeitsbericht der Glencore keine Erwähnung, und es gäbe keinen bewussten Umgang damit im Zusammenhang mit dem Verkauf von fossilen Energieträgern. Hayward kontert: Die Einschätzung, dass fossile Energieträger keine gewinnbringenden Assets seien, sei schlicht falsch.

«Vielleicht hören Sie den NGOs viel zu viel zu, und deshalb sind die Aktien im Keller.»

Entrüstete Aktionärin gegenüber Verwaltungsratspräsident Hayward

«Aus einem einfachen Grund: Sie sind günstig und einfach zu beschaffen. Wir sind der Meinung, dass die Zukunft der Energie auch zu einem Teil auf effizienten fossilen Energieträgern liegen muss.» Sagt er und formuliert gleich noch eine Vision: «Hätte man das Geld, das in die Erforschung von erneuerbaren Energien gesteckt wird, stattdessen in die Erforschung von effizienteren und saubereren fossilen Energietechnologien gesteckt, wäre die Welt heute einen Schritt weiter.»

«Glücklich» ohne Gewerkschaft

Die Gewerkschaftsgruppen lassen allerdings nicht locker: Ein nervöser Columbianer bringt die Frage vor, weshalb die Mineure in den Steinbauminen von El Cerrejòn zu 70 Prozent einen Direktvertrag mit der Firma hätten und nicht der Gewerkschaft beitreten dürften. Hayward: «Das ist eine Entscheidung: Sie können sich entweder für den Direktvertrag oder für die Gewerkschaft entscheiden.» Und Glasenberg doppelt nach: «Wir waren kürzlich mit einer NGO vor Ort und haben mit den Leuten gesprochen: Die Menschen, die nicht in der Gewerkschaft sind, haben uns gesagt, dass sie damit sehr glücklich sind.»

Das geht solange weiter, bis die Dame vom Anfang sich nicht mehr zusammennehmen kann: «Wäre Marc Rich noch hier, wäre das nie passiert. Vielleicht hören Sie den NGOs viel zu viel zu, und deshalb sind die Aktien im Keller.»

An einer GV wird die Welt offenbar nicht besser. Die Zusammenhänge und Konflikte, die hier in aller Kürze ein wenig an die Oberfläche treten, sind zudem so undurchschaubar, dass man dem deutschen Aktionär nicht einmal Naivität vorwerfen kann, wenn er zum Schluss zur Geschäftsleitung sagt: «Es kann ja nicht nur Beschwerden für Sie geben. Ich möchte mich im Namen der schweigenden Mehrheit für die tolle Arbeit bedanken, die Sie geleistet haben.»

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