Schüler machen Film über 2. Weltkrieg

Zeitzeugen, Propaganda und das «Réduit National»

Jan Baumgartner beim Interview eines Zeitzeugen für den Film zum Zweiten Weltkrieg, den er gemeinsam mit Marco Grünenfelder gedreht hat. (Bild: zvg)

Im Zweiten Weltkrieg war die Schweiz für den Ernstfall gerüstet. Wie, das zeigen zwei junge Zuger in einem eigenen Dokumentarfilm. Bei der Recherche und den Interviews mit Zeitzeugen sei für sie nicht nur der Krieg näher gerückt, sondern auch der Mythos «Réduit National» Realität geworden.

Am 8. Mai jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 70. Mal. Die Schweiz hat dieses dunkle Kapitel der Geschichte relativ unbeschadet überstanden. Doch die Bedrohung stand damals jahrelang vor der Grenze und Vorbereitungen für den Widerstand mussten getroffen werden.

Zwei Schüler der Kantonsschule Zug haben einen wichtigen Schweizer Aspekt des Zweiten Weltkrieges, das «Réduit National», in einem Dokumentarfilm festgehalten. «Am Anfang war es nur die Idee, einen Film zu drehen. Am Ende steht nun das fertige Produkt. Dazwischen liegen unzählige Arbeitsstunden», so Jan Baumgartner. Er und Marco Grünenfelder haben den Film für ihre Maturaarbeit gedreht. Dabei haben sie auch einige Zeitzeugen befragt – Kritiker und Befürworter des Réduits.

Umstellte Schweiz

Heinz Röthlisperger hat für den Film die Rolle des Sprechers übernommen. Sein Text beinhaltet neben den Erklärungen zum Réduit auch die historische Verortung der Geschehnisse in den Kriegsereignissen.

‹Am 23. Juni (1940 Anm. d. Redaktion) marschiert Adolf Hitler in Paris ein. Jetzt ist der letzte Verbündete der Schweiz gefallen. Nach dem vernichtenden Sieg der Wehrmacht über Frankreich entscheidet sich das faschistische Italien, an der Seite Deutschlands in den Krieg einzutreten. Der Diktator Benito Mussolini erhofft dadurch, sein Imperium zu erweitern. In Europa herrschen nun neue Machtverhältnisse: die Achse Berlin Rom. Die Schweiz ist von allen Seiten von ihren Gegnern umstellt. Sie muss alleine ihre Neutralität wahren und um ihre Existenz bangen.›

Und hier beginnt der Teil der Schweizer Geschichte, welche nicht die Grenzen, sondern die Zentralschweiz betraf. In den Schweizer Alpen entstand das Réduit. Dieses bestand aus zahlreichen kleinen und grossen Festungsanlagen mit schlagkräftigen Geschützen.

Propaganda oder Realität

Grünenfelder berichtet: «Zu Beginn standen wir der Idee des Réduits skeptisch gegenüber. Doch als wir in den Sommerferien die Festungen besucht hatten, fingen wir an, an das Réduit ernst zu nehmen. Zudem hat es uns überrascht, welche heftigen Debatten der Entscheid damals im Generalstab ausgelöst hatte und wie umstritten der Entscheid war.»

‹Gemäss dem Operationsbefehl Nummer 12 werden 300’000 junge Schweizer Soldaten in die Alpen eingeschlossen. Dieser Befehl führt zu drastischen Veränderungen in der Verteidigung. Aus dem ganzen Land werden Divisionen abgezogen und im Zentralraum der Alpen konzentriert, um überhaupt Widerstand leisten zu können.›

«Es wurde uns bewusst, wie nahe uns der Zweite Weltkrieg eigentlich noch ist.»
Marco Grünenfelder, Maturand

«Interessant ist, dass sich unsere Ansicht zum Réduit im vergangenen Jahr laufend änderte», so Grünenfelder. Anfänglich betrachteten die beiden jungen Filmemacher das Réduit sehr skeptisch. «Es schien vielmehr Propaganda zu sein, als dass es wirklich existierte.» Durch das Drehen erhielten sie jedoch immer tiefere Einblicke in die vielen Festungen. «Das Réduit war für uns auf einen Schlag Realität geworden.»

Berührende berichte von Zeitzeugen

Die angefragten Zeitzeugen seien sofort bereit und begeistert gewesen ihr Wissen an die Schüler weiterzugeben. Die meisten seien durch Bekannte und Verwandte vermittelt worden. «Einen Zeitzeugen, Willi Burkhardt, haben wir jedoch über einen Artikel in der Zeitung entdeckt und dann telefonisch kontaktiert», erklärt Grünenfelder.

Die beiden Schüler verzichteten bewusst auf Aussagen von Historikern. «Dafür setzen wir auf die Aussagen von Zeitzeugen. Diese sind wesentlich authentischer und berühren den Zuschauer mehr, als die Aussagen eines Experten», so Baumgartner und Grünenfelder ergänzt: «Es war interessant, wie viele Details unsere Zeitzeugen noch in Erinnerung hatten. Tief mitgenommen hat uns, als sie jeweils auf die Bedrohung der Schweiz durch Hitler zu sprechen kamen. Da wurde uns bewusst, wie nahe uns der Zweite Weltkrieg eigentlich noch ist.»

Unterstützung von allen Seiten

Sie hätten sich zu Anfang nie erträumen lassen, dass sie so interessante Zeitzeugen treffen würden, sagen die beiden. «Ihre persönlichen Statements sind sicher ein wichtiger Teil unseres Films. Ohne Sie wäre das Projekt nicht möglich gewesen», betont Baumgartner.

Jedoch auch nicht ohne die Unterstützung von Experten. Mit Hilfe des Lokalhistorikers Oskar Rickenbach und Rudolf Boschung konnten die Schüler ihre historischen Fragen klären und Präzisierungen vornehmen.

Auch von offizieller Seite erhielten die Schüler Unterstützung, so Baumgartner: «Im Kanton Zug konnten wir auf die Hilfe der Militärhistorischen Stiftung zählen. Sie hat uns alle unsere Wünsche zum Filmen erfüllt. Die beiden Festungen Vitznau und Sasso Dal Pigna haben uns geholfen, indem sie uns in ihren Festungen das Filmen erlaubten. Diese Bilder sind ein wichtiger Teil unserer Dokumentation.»

Bei der Dramaturgie des Filmes setzten die beiden Maturanden auf die Mysthik und historische Bilder: «Wir wollen im ersten Teil den Mythos Réduit aufbauen. Dazu möchten wir historisches Filmmaterial verwenden. Altes Propagandamaterial und Aussagen von Zeitzeugen sollen den Mythos untermauern», so Baumgartner. Der erste Teil wird auch durch eindrückliche Bilder von Festungen und Berglandschaften ergänzt.

«Wir zeigen auch kurz, wie das Réduit erbaut wurde.» Zudem werde eine Rede von Henri Guisan persönlich eingespielt. «Guisan kommt in unserem Film eine sehr wichtige Rolle zu. Das kommt daher, dass der General symbolisch wie kein anderer für die Alpenfestung steht», sagt Grünenfelder.

Die beiden Schüler wurden für ihre Arbeit mit der Note 6 belohnt.

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