Kanton Luzern kündigt Caritas

«Das Asylsystem ist ein Bremsklotz»

In Zukunft soll im Kanton Luzern auf eine individuelle Unterbringung von Asylsuchenden verzichtet werden. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Der Kanton Luzern will Asylsuchende künftig in Eigenregie unterbringen und betreuen. Deshalb hat er den Leistungsauftrag mit der Caritas gekündigt, was das Hilfswerk vor eine grosse Herausforderung stellt.

Die Anforderungen an die Unterbringung und Betreuung im Asyl- und Flüchtlingswesen haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Das bestehende Konzept wurde hingegen seit 30 Jahren nicht angepasst. Zudem forderte der Kantonsrat 2013 eine öffentliche Ausschreibung des Asylvertrages − zu welcher es jedoch nun nicht mehr kommen wird.

Im Asylwesen sind stets grosse Schwankungen bei der Zahl und Herkunft der Asylgesuchsteller und bei der Schutzgewährungsquote festzustellen (siehe Box). Um auf die Veränderungen rasch reagieren zu können, ist ein hoher Grad an Flexibilität bei den operativen Stellen erforderlich.

«Im heutigen System wirken diverse Schnittstellen sowie die unterschiedlichen Verhandlungs-, Entscheidungs- und Arbeitsprozesse der Beteiligten als Bremsklotz. Sie verunmöglichen häufig auch schnelle und pragmatische Lösungen», erklärt Regierungsrat Guido Graf, Vorsteher des Gesundheits- und Sozialdepartements.

Leistungen in Eigenregie erfüllen

«Eine menschenwürdige Betreuung und Unterbringung ist im Asylwesen zentral. Gleichzeitig muss aber auch eine schnelle Steuerbarkeit sichergestellt werden», fasst Regierungsrat Guido Graf die wesentlichen Anforderungen an das neue System zusammen. Darum hatte Graf eine grundsätzliche Neubeurteilung des Asylbereichs in Auftrag gegeben.

«Mit einer direkten Steuerung ist es möglich, den Mitteleinsatz zu optimieren und die Sparvorgaben zu erfüllen.»
Guido Graf, Vorsteher des Gesundheits- und Sozialdepartements

Mehr Flüchtlinge im Herbst

Aufgrund der aktuellen Entwicklung dürfte in den nächsten Wochen der Zustrom von Asylsuchenden wieder deutlich ansteigen. Die kantonalen Asylzentren sowie die Notunterkünfte in den Zivilschutzanlagen sind zurzeit zu 70 Prozent ausgelastet. Der Kanton Luzern geht davon aus, dass die Unterbringungskapazität bis Ende Sommer 2015 ausreichen wird. Auf den Herbst müssen entweder neue Zentrumskapazitäten bereitgestellt oder die Gemeindeverteilung weiter umgesetzt werden − zumindest bis 2016.

In der Asylstrategie 2016 wurde deshalb auch geprüft, welche Vor- und Nachteile die eigenständige Erbringung der Leistungen durch den Kanton Luzern hätte. Eine Analyse zeigte, dass die Vorteile überwiegen. «Mit einer direkten Steuerung ist es auch möglich, den Mitteleinsatz zu optimieren und die Sparvorgaben aus Leistungen & Strukturen II zu erfüllen», erklärt Graf. 

Folglich verzichtet der Kanton Luzern auf eine öffentliche Ausschreibung des Asylvertrages und erbringt die Leistungen im Asylbereich ab 2016 in Eigenregie. Die operative Führung der Aufgaben wird der Dienststelle Soziales und Gesellschaft (DISG) übertragen, wo die Abteilung für Sozialhilfe, Asyl- und Flüchtlingswesen unter der Leitung von Ruedi Fahrni dafür verantwortlich ist.

Auf Unterbringung in Gemeinden wird verzichtet

Aufgrund der Neustrukturierung des Asylwesens auf Bundesebene wird sich die Zahl der Asylsuchenden in den Kantonen voraussichtlich halbieren. Derzeit befinden sich 854 Asylsuchende im Kanton Luzern. In Zukunft werden Asylsuchende auf ein paar wenige Grossunterkünfte verteilt werden. Zudem verkürzt sich die Verfahrensdauer auf maximal sieben Monate.

«Die Betreuung kann somit effizienter gestaltet werden. Zudem kann die Handhabe durch das Amt für Migration sowie durch die Polizeikräfte beim Vollzug der Wegweisung verbessert werden», erklärt Asyl- und Flüchtlingskoordinator Fahrni weiter. Darum will der Kanton Luzern mittelfristig auf eine individuelle Unterbringung von Asylsuchenden in den Gemeinden verzichten.

Neues Zentrumskonzept

Neu wird ein mehrstufiges Zentrumskonzept umgesetzt. Im Durchgangszentrum (DZ) werden wie bisher alle ankommenden Asylsuchenden in den ersten zwei bis sechs Monaten untergebracht. Asylsuchende ohne definitiven Entscheid werden anschliessend in ein Aufenthaltszentrum (AZ) verlegt. Asylsuchende mit wenig Betreuungsbedarf kommen nach dem DZ in ein Minimalzentrum (MZ).

Mit dem neuen Unterbringungskonzept soll auch der Verknappung von günstigem Wohnraum in den Gemeinden entgegengewirkt werden. «Um diese Ziele zu erreichen, baut der Kanton Luzern seine Zentrumskapazität auf 400 bis 500 Plätze aus», erklärt Fahrni.

Caritas: Abbau von Organisation und Personal

Da der Kanton Luzern die Aufgaben im Asylwesen künftig selbst übernimmt, hat er der Caritas Luzern den Asylauftrag gekündigt. Dies stellt das Hilfswerk vor eine grosse Herausforderung − es wird einen bedeutenden Abbau der Organisation und des Personals vornehmen müssen. Daher bedauert man bei der Caritas den Entscheid des Kantons. 

«Wir sind in diesen Fragen seit über 20 Jahren ein stets verlässlicher Partner des Kantons mit entsprechendem Know-how, das wir in gegenseitiger Zusammenarbeit ständig ausbauen konnten», sagt Thomas Thali, Geschäftsleiter von Caritas Luzern. Er hofft, dass der Kanton Luzern seine soziale Verantwortung wahrnimmt und möglichst viele der betroffenen Mitarbeitenden übernimmt. Deren Fachwissen und Erfahrung im Umgang mit Asylsuchenden könne bei der Erfüllung der Aufgaben von grossem Nutzen sein.

Beim Kanton war man mit der Leistung der Caritas zufrieden. Die Stellen in der neuen Asyl-Organisation werden Anfang Juni öffentlich ausgeschrieben. Der Kanton Luzern sei jedoch daran interessiert, soweit wie möglich bisherige Caritas-Mitarbeitende anzustellen.

Kanton setzt Bauprojekt Grosshof selber um

Im Zuge der Neuorganisation wurde ebenfalls das laufende Bauprojekt «Asylzentrum Grosshof» neu beurteilt. Aufgrund der Verzögerungen im Baubewilligungsverfahren findet das im Jahr 2012 durch die Regierung beschlossene Notrecht keine Anwendung mehr. Das Projekt muss den üblichen kreditrechtlichen Bewilligungsprozess im Kantonsrat sowie eine öffentliche Ausschreibung durchlaufen.

Die ursprünglichen Vorteile der Realisierung durch einen privaten Investor seien damit nicht mehr gegeben. Der Kanton Luzern übernimmt daher per sofort das Bauprojekt von der Genossenschaft Pandocheion. Die bisher aufgelaufenen Kosten von 200’000 Franken entsprechen jenem Betrag, der auch beim Kanton bis zum aktuellen Projektstand angefallen wäre. Das Zentrum Grosshof mit 120 Betten kann voraussichtlich Ende 2016 in Betrieb genommen werden.

Der Luzerner «Sozialdirektor» Guido Graf (CVP) und Ruedi Fahrni, Asyl- und Flüchtlingskoordinator des Kantons Luzern.

Der Luzerner «Sozialdirektor» Guido Graf (CVP) und Ruedi Fahrni, Asyl- und Flüchtlingskoordinator des Kantons Luzern.

(Bild: mbe)

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