Zum Aus des Luzerner «tschutti heftli»

«Fehlender Glamour? Das ist ein Kompliment!»

Christian Wandeler mit der letzten Ausgabe des Luzerner «tschutti heftli». (Bild: Kilian Bannwart)

Es ist vorbei. Fast zehn Jahre lieferte das in Luzern produzierte «tschutti heftli» Geschichten aus der Welt des runden Leders – kreativ, unabhängig und kritisch. Nun erschien das Heft zum letzten Mal. Christian Wandeler, Gründungsmitglied und Mitherausgeber, erzählt von rauen Zeiten, schönen Erinnerungen und purem Hass.

Abpfiff für immer: Nach 19 Ausgaben ist in diesen Tagen die allerletzte Ausgabe des «tschutti heftli» in den Briefkästen der rund 250 Abonnenten gelandet. Weil der Aufwand für die Luzerner Macher zu gross wurde, stellen sie das Heft jetzt ein (zentral+ berichtete). Das jeweils um die 40 Seiten starke Fussballmagazin hat fast zehn Jahre lang Hintergründe und Zusammenhänge aus der Welt des Schweizer Fussballs beleuchtet. Gründer war der Stadtluzerner Christian Wandeler. Er ist in der Öffentlichkeit auch als Luzerner Fanarbeiter sowie Geschäftsführer von Fanarbeit Schweiz bekannt.  

zentral+: Das «tschutti heftli» ist Geschichte. Haben Sie wehmütige Gefühle?

Christian Wandeler: Ein wenig schon, ja. Es geht ein Zehnjahresprojekt zu Ende, welches doch ein wichtiger Bestandteil meines Lebens war. Eine Ära ist vorüber. Das Schreiben und die Auseinandersetzung mit diesen Themen werde ich vermissen. Momentan ist es allerdings auch eine Erleichterung.

zentral+: Inwiefern?

Wandeler: Die Arbeit ist gegen Ende sehr zäh geworden. Der Aufwand stimmte nicht mehr mit dem Ertrag überein.

«Es wurde immer schwieriger, motivierte Schreiberlinge zu finden.»

Es wurde immer schwieriger, motivierte Schreiberlinge zu finden, welche bereit waren, unentgeltlich und trotzdem strukturiert für uns zu arbeiten. Schliesslich blieb dann alles an einzelnen Personen hängen. Das war auch einer der Hauptgründe für den Entscheid, das Heft aufzugeben.

zentral+: Was geht der Schweizer Fussballszene durch diesen Entscheid verloren?

Wandeler: Da muss ich etwas ausholen. Als wir die Lancierung des «tschutti heftli» in Angriff nahmen, waren wir der Ansicht, dass der Schweiz ein Presseprodukt fehlt, welches das Thema Fussball unabhängig und alternativ behandelt.

«Mittlerweile gibt es mit dem ‹Zwölf› ein anderes Fussballmagazin, welches dieses Bedürfnis abdeckt.»

Mittlerweile gibt es mit dem «Zwölf» ein anderes Fussballmagazin, welches dieses Bedürfnis abdeckt. Unsere anfängliche Idee wird also weitergetragen. Das hat den Entscheid natürlich auch erleichtert.

Titelcovers sämtlicher «tschutti heftli» Ausgaben.

Titelcovers sämtlicher «tschutti heftli» Ausgaben.

(Bild: zvg)

zentral+: Wurde das «tschutti heftli» durch das «Zwölf» in den Schatten gestellt?

Wandeler: Ein wenig vielleicht schon, ja. Das «Zwölf» hat natürlich ganz andere Möglichkeiten, als wir sie hatten. Dem Produkt sieht man an, dass professionell gearbeitet werden kann. Trotzdem sind einige Parallelen zum «tschutti heftli» nicht zu übersehen. Das «Zwölf» praktiziert eine ähnliche Herangehensweise wie wir. Das hat uns auch bestärkt. So konnten wir feststellen, dass wir mit unserer Idee zumindest nicht auf dem Holzweg waren.

zentral+: Ihr hattet eine sehr romantische Vorstellung von Fussball. Wenn man am Dienstagabend Champions League einschaltet, sieht man davon nicht viel. Hat im «tschutti heftli» der Glamour des modernen Fussballs gefehlt?

Wandeler: Nein, den wollten wir von Anfang an eben nicht. Unser Ziel war es, ein Gegenprodukt auf den Markt zu bringen, welches sich von der ganzen Kommerzialisierung des modernen Fussballs abgrenzt und die Fussballwelt kritisch beleuchtet. Wenn uns jemand fehlenden Glamour vorwirft, sehe ich das als Kompliment.

zentral+: Wurdet ihr auch so wahrgenommen?

Wandeler: Davon gehe ich aus. Es wurde auf jeden Fall wahrgenommen, dass wir diese Glamourschiene mieden.

«Wir haben uns bewusst gegen Anzeigen im Heft entschieden, um die Unabhängigkeit nicht zu gefährden.»

Wir haben uns auch bewusst gegen Anzeigen im Heft entschieden, um die Unabhängigkeit nicht zu gefährden.

zentral+: Das Ziel war auch, Fussball mit Kultur zu verbinden. Lässt sich diese Kombination überhaupt verkaufen?

Wandeler: Schauen Sie unser Sammelheft an, welches auch in Zukunft weiter produziert wird. Es verbindet illustrierte Kunst mit Fussball und hat einen riesen Erfolg. Ich denke, auch ein Produkt wie das «tschutti heftli» würde sich erfolgreich weiterführen lassen.

zentral+: Das Sammelheft ist eine Erfolgsgeschichte, während das «tschutti heftli» eingestellt werden musste. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz?

Wandeler: Wir sprechen mit dem Sammelheft natürlich ein viel breiteres Publikum an. Zudem hatten wir von Beginn weg eine ungeheure mediale Präsenz.

«Kaum haben wir das Sammelheft lanciert, rannten uns die Medien die Bude ein.»

Kaum haben wir das Sammelheft lanciert, rannten uns die Medien die Bude ein. Es lässt sich viel besser vermarkten.

Beitrag eines deutschen TV-Senders über das Luzerner Fussballbilder-Sammelheft.

zentral+: Wäre die Zielgruppe nicht etwa die gleiche?

Wandeler: Mit dem Sammelheft sprechen wir neben den Fussballfans auch noch Kunstbegeisterte an. Zudem gibt es viele Kinder, welche unsere Bilder sammeln. Das «tschutti heftli» hingegen ist ein Spartenprodukt, welches nur von Fussballinteressierten mit einem speziellen Fokus gelesen wird. Das Zielpublikum wäre schon vorhanden, es ist aber noch etwas spezifischer.

zentral+: Also scheiterte das Projekt schliesslich an der Vermarktung?

Wandeler: Wir hätten wohl etwas offensiver auf Abokäufer zugehen müssen. Gerade in den ersten Jahren konzentrierten wir uns in erster Linie auf den Inhalt des Hefts. Das Administrative war für uns sekundär. Da fehlte wohl auch etwas die Motivation. Zudem darf nicht vergessen werden, dass das ganze Projekt auf Freiwilligenarbeit basierte.

zentral+: Welches Ereignis haben Sie in besonders positiver Erinnerung?

Wandeler: Am meisten geprägt hat mich der Kontakt mit Paul Wolfisberg, welcher jahrelang eine eigene Kolumne im «tschutti heftli» geschrieben hat. Wolfisberg war für mich immer die Grösse des Schweizer Fussballs.

«Wolfisberg war für mich immer die Grösse des Schweizer Fussballs.»

Dementsprechend nervös war ich, als wir uns das erste Mal getroffen haben. Durch diesen Konakt ist nicht nur das Buch «Der Wolf – Fussball-Legende Paul Wolfisberg» entstanden, welches wir über ihn verfasst haben, sondern es hat sich auch eine Beziehung entwickelt, die ich bis heute sehr schätze.

zentral+: Also hat Ihnen das «tschutti heftli» auch neue Möglichkeiten eröffnet?

Wandeler: Durch die Arbeit für das «tschutti heftli» sind viele Türen aufgegangen. Sei es durch den Austausch mit verschiedenen Leuten oder auch durch Aktivitäten, welche wir im Zusammenhang mit dem «tschutti heftli» durchgeführt haben.

zentral+: Zum Beispiel?

Wandeler: Zu Anfangszeiten haben wir unser Heft noch über Partys im Uferlos finanziert. Das ging jeweils ziemlich ab. Ausserdem haben wir mit dem «tschutti heftli» Fussballlesungen und Quizabende organisiert. Auch eine «tschutti heftli»- Fussballmannschaft gab es. Unsere Tätigkeit ging weit über das Heft hinaus.

zentral+: Welcher Artikel ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?

Wandeler: Im ersten Heft habe ich einen Artikel über Marco Streller geschrieben und ihn völlig durch den Dreck gezogen. Den Streller habe ich damals so richtig doof gefunden – der pure Hass.

«Im ersten Heft habe ich einen Artikel über Marco Streller geschrieben und ihn völlig durch den Dreck gezogen.»

Inzwischen muss ich eingestehen, dass sich der Junge positiv entwickelt hat. Er ist heute einer der wenigen Charakterköpfe in der Schweizer Liga und mein Bild von ihm hat sich komplett geändert. Diesen Text würde ich so wohl nicht mehr schreiben.

zentral+: Gibt es einen Artikel, den du für die letzte Nummer aufgespart hast?

Wandeler: Ganz am Anfang habe ich einmal eine Liste gemacht, über wen ich gerne einmal schreiben würde. Mich haben die alten Fussballhelden immer sehr interessiert. Zuoberst auf der Liste stand der ehemalige FCL-Mittelfeldspieler Mac Tanner. Im letzten Heft hat es endlich geklappt. Das war für mich zum Schluss nochmals ein riesen Highlight.

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