Kritik an Arbeitsvermittlung

Knebelvertrag für polnische Pflegerinnen?

Polnische Pflegerinnen fühlen sich von den Spitälern ausgenützt. (Bild: fotolia.com)

Ein Luzerner Unternehmen holt polnische Pflegefachkräfte in die Schweiz und verkauft ihnen eine nicht unumstrittene Weiterbildung. Laut einem Verband werden sie faktisch als billige Arbeitskräfte ausgebeutet. Eingesetzt werden die Pflegerinnen auch in einem grossen Luzerner Spital – dort ist man mit der Zusammenarbeit allerdings zufrieden.

In Schweizer Spitälern herrscht ein Mangel an diplomierten Pflegefachpersonen. Seit Längerem werden Fachpersonen aus dem Ausland angeworben. Mittlerweile ist die Rekrutierung von ausländischen Arbeitskräften zu einem lukrativen Geschäft geworden. So auch für die Curaswiss AG − ein Unternehmen mit Sitz in Luzern. Seit gut zweieinhalb Jahren rekrutiert das Unternehmen ausgebildete Pflegefachkräfte in Europa, insbesondere in Polen und Deutschland. Diese werden mit einem Weiterbildungsprogramm für ihren Einsatz in Schweizer Gesundheitsinstitutionen vorbereitet.

Das Programm beinhaltet die sprachliche Bildung auf das Niveau B2, Terminologie, Mundart in Schweizer Spitälern, soziokulturelle Integration, Pflegeskills und Coachings während einem Jahr. Abgesehen von den Deutschkursen sind Inhalt und Nutzen dieses Programms laut einem Verband umstritten − schliesslich handelt es sich bei den rekrutierten Personen um ausgebildete Fachkräfte, deren Ausbildung auch in der Schweiz ohne Weiteres anerkannt wird. Doch: Die Pflegerinnen unterzeichnen einen dreijährigen Studienvertrag.

Sechs Personen im Luzerner Kantonsspital

Im Luzerner Kantonsspital (LUKS) sind derzeit sechs Polinnen angestellt, die ihren Weg in die Schweiz über Curaswiss gefunden haben. «Die Rekrutierung von Pflegefachpersonen ist schweizweit anspruchsvoll», sagt Sprecherin Ramona Helfenberger. Es würden laufend neue Lösungsansätze gesucht, um die ausgeschriebenen Stellen mit qualifiziertem Personal zu besetzen. «Einen neuen Weg stellt diesbezüglich die Zusammenarbeit mit Curaswiss dar.»

Gemäss Helfenberger wird pro Mitarbeitende eine einmalige Einschreibegebühr sowie ein monatlicher Beitrag an die Curaswiss AG überwiesen. Die Höhe dieser Beträge sei zwischen Curaswiss und dem LUKS vertraglich geregelt − Zahlen will man hier jedoch nicht bekannt geben. Beim Spital steht man hinter dem Konzept von Curaswiss: «Die pflegerische Ausbildung in Polen ist nach dem Bologna-System kompatibel und im Anerkennungsverfahren durch das Schweizerische Rote Kreuz akzeptiert», erklärt Helfenberger.

«Das Pflegeverständnis in Polen lässt sich nicht eins zu eins auf die Bedürfnisse der Schweizer Patienten übertragen.»
Ramona Helfenberger, Luzerner Kantonsspital 

Allerdings lasse sich das Pflegeverständnis und das Handling in Polen nicht eins zu eins auf die Bedürfnisse der Schweizer Patienten übertragen. Um eine Pflegequalität nach Schweizer Standards zu gewährleisten, sei eine Weiterbildung unumgänglich. «Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Personalvermittlern bietet Curaswiss dafür seinen Mitarbeitenden fachliche, sprachliche und kulturelle Unterstützung.»

Praktikumslohn trotz Fachausbildung

Diese Unterstützung ist für die betroffenen Polinnen teuer. Ein in der Rundschau des SRF publik gemachtes Beispiel zeigt, dass das Universitätsspital Zürich monatlich 6’450 Franken pro Fachkraft an die Curaswiss AG bezahlt. Die Arbeitenden selbst erhalten jedoch lediglich 2’213.95 Franken netto pro Monat. Die Polinnen fühlen sich gemäss Beitrag als billige Arbeitskräfte ausgenutzt. Dennoch sind sie an den Vertrag mit Curaswiss gebunden − dies da sie die angeblich sehr hohen Investitionen abarbeiten müssen.

Laut diesem Vertrag sind die Polinnen deshalb verpflichtet, einen ihnen zugewiesenen Praktikumseinsatz in Pflegeinstitutionen anzunehmen. Tatsächlich aber würden die «Praktikantinnen» in den Spitälern wie alle anderen Pflegenden eingesetzt, heisst es in einem Schreiben des schweizerischen Verbands des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) an den Zürcher Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger, das zentral+ vorliegt. Aufgrund der «ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse» fordert man die zuständigen Behörden zu einem aufsichtsrechtlichen Einschreiten auf.

Seitens des Luzerner Kantonsspitals wird jedoch dementiert, dass die Pflegenden aus Polen im gleichen Umfang wie eine Pflegefachfrau mit Schweizer Ausbildung eingesetzt werden. «Die Curaswiss-Mitarbeitenden verfügen aufgrund ihres kulturellen und sprachlichen Hintergrunds in der Regel nicht über dasselbe Einsatzprofil», erklärt Helfenberger. Als Ausbildungsbetrieb leiste das LUKS mit der Beschäftigung der Polinnen einen Beitrag zur Nachwuchsförderung. Dennoch bezahlt das Spital für die Pflegerinnen aus Polen denselben Lohn an Curaswiss, den es ihren Vollzeitangestellten mit Schweizer Ausbildung entrichtet.

Kein Handlungsbedarf in Luzern?

«Die Vorwürfe gegen Curaswiss sind zu prüfen», sagt Martin Wyss, Geschäftsstellenleiter des VPOD Luzern. Insbesondere müsse klargestellt werden, wie transparent Curaswiss die ausländischen Arbeitskräfte informiert. «Die Leute müssen einerseits über die für sie entstehenden Kosten Bescheid wissen und andererseits darüber aufgeklärt werden, dass sie im Grunde keine zusätzliche Ausbildung bräuchten, um in der Schweiz arbeiten zu können.»

«Dass sich die Pflegenden dafür verschulden und drei Jahre an Curaswiss binden müssen, steht in keiner Relation.»
Martin Wyss, Geschäftsstellenleiter des VPOD Luzern

Wyss bezweifelt somit den Nutzen dieser dreijährigen Ausbildung für die ausländischen Pflegefachkräfte. «Wer ausländisches Personal einstellt, muss damit rechnen, dass dieses in den ersten Monaten stärker in die für sie neuen Arbeitsprozesse eingearbeitet werden muss. Dass sich die Pflegenden dafür verschulden und drei Jahre an Curaswiss binden müssen, steht in keiner Relation dazu.» Laut Wyss wird der VPOD Luzern die offenen Fragen klären und allenfalls entsprechende Schritte einleiten.

Falsche Informationen und Zahlen

Was sagt man seitens Curaswiss zu diesen Vorwürfen? Die verbreiteten Informationen und Zahlen seien lückenhaft und falsch, sagt CEO Donat Eltschinger. «Die von Curaswiss angebotene Weiterbildung umfasst drei Stufen, wobei der Lohn variiert.» Im ersten Jahr, dem Intensivstudium, während dessen noch nicht gearbeitet wird, würden die Auszubildenden ein Stipendium von 600 bis 800 Franken monatlich erhalten. Curaswiss bezahle dabei die Verpflegung, die Unterkunft wie auch die Krankenkasse und die Quellensteuer für die ausländischen Pflegefachleute.

«Während dieser Zeit lernen die Auszubildenden Deutsch bis zum Niveau B2, eignen sich Mundartkenntnisse an und lernen das Schweizer Gesundheitssystem und das hier übliche Pflegeverständnis kennen», erklärt Eltschinger. Auch unterstütze Curaswiss die Arbeitskräfte aus dem Ausland in allen Aspekten des täglichen Lebens in der Schweiz. Danach beginne das Praktikum in den Spitälern. Dabei würden im ersten Jahr durchschnittlich 2’250 Franken und im zweiten 4’850 Franken netto ausbezahlt.

«Die Spitäler bezahlen zwischen 5’950 und 6’450 Franken pro Fachkraft», so Eltschinger. Direkt von Curaswiss abgezogen würden die Quellensteuer, die Kosten für die Krankenkasse − und nicht zuletzt die Weiterbildungskosten, die refinanziert werden müssten. Je nachdem beteilige sich Curaswiss am Mietzins − und bei erfolgreichem Abschluss des Programms werde eine Prämie von 10’000 Franken bezahlt.

«Polinnen wurden instrumentalisiert»

«Es steht jedem frei, seinen eigenen Weg in die Schweiz zu finden», meint Eltschinger auf die Frage, warum diese Polinnen denn überhaupt auf Curaswiss angewiesen seien, wo doch ihre Ausbildung hier anerkannt wird. Die Erfahrung habe gezeigt, dass die Unterstützung von Curaswiss je nach Bedürfnissen sehr geschätzt würde, um hier erfolgreich ins Berufsleben einzusteigen.

«Damit gehen Ängste einher. Man fragt sich, was mit dem eigenen Lohn passiert, wenn der Markt wieder mit Fachkräften gesättigt ist.»
Donat Eltschinger, CEO Curaswiss AG

Doch warum fühlen sich die Polinnen ausgebeutet? «Sie sind wahrscheinlich von Pflegeverbänden instrumentalisiert worden», so Eltschinger. Er könne dies bis zu einem gewissen Grad sogar verstehen. «Damit gehen Ängste einher», sagt er. Aufgrund des Mangels an gut ausgebildeten Pflegepersonal kämen nun Ausländer, die diese Lücke füllen. «Da fragt man sich natürlich, was mit dem eigenen Lohn passiert, wenn der Markt wieder mit Fachkräften gesättigt ist.»

Seitens Curaswiss würde man nun das Gespräch mit den Spitälern und Pflegeverbänden suchen. «Wir suchen nach einer Lösung, die alle Seiten zufriedenstellt», so Eltschinger. «Es gibt immer Verbesserungspotential.»

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