Kanton sucht Standort für Bundesasylzentrum

Widerständen zum Trotz: Luzern will ein grosses Asylzentrum

Verschiedene Asylzentren, wie hier in Fischbach, stossen bei der Bevölkerung auf Widerstand. Trotzdem will der Kanton ein grosses Bundesasylzentrum. (Bild: Kilian Bannwart)

Bald entscheidet der Bund, ob Luzern ein Bundesasylzentrum erhält. Regierungsrat Guido Graf wünscht sich ein solches Zentrum mit Platz für rund 200 Asylbewerber. Klar ist: Es wird Widerstand aus der Bevölkerung geben. Graf hält aber an seinem Wunsch fest. Und das aus gutem Grund.

Die Gemeinde Fischbach will kein Asylzentrum. Und steht damit nicht alleine da. Auch bei anderen geplanten Asylzentren regt sich Widerstand. Etwa in Ebikon, wo bis zu 60 Asylbewerber temporär im Hotel Löwen untergebracht sind. Auch zu den Asylzentren Nottwil und Kriens waren kritische Stimmen zu hören (zentral+ berichtete).

Die Skepsis der Bevölkerung ist für Regierungsrat Guido Graf kein Grund, nicht noch grösser zu planen. Er will ein Bundes-Ausreisezentrum mit rund 200 Plätzen im Kanton Luzern. Seit der Bund das Asylwesen neu organisieren will, macht sich Graf für einen Luzerner Standort stark.

«Am Standpunkt von Luzern hat sich nichts geändert»

Der Bund will die Asylverfahren künftig effizienter bearbeiten und unterteilt die Schweiz in sechs Asylregionen. Die Zentral- und Südostschweiz ist eine davon. Hier sind ein Verfahrenszentrum (290 Plätze) sowie zwei Ausreisezentren (je zirka 200 Plätze) geplant. Der Bund geht davon aus, dass mit den neuen Zentren 60 Prozent aller Asylverfahren innerhalb von maximal 140 Tagen rechtskräftig entschieden und vollzogen werden. In Zürich wird das neue System derweil getestet (siehe Box).

Mögliche Standorte für die Bundeszentren in der Zentralschweiz sind bisher noch nicht bekannt. Wahrscheinlich ist, dass das Verfahrenszentrum in Chiasso (TI) geplant wird. Denn dort betreibt der Bund bereits heute ein Empfangs- und Verfahrenszentrum. Bleibt noch offen, wo die beiden Ausreisezentren gebaut werden könnten. Klar ist: Dem Widerstand in den Gemeinden zum Trotz, wünscht sich Luzern bislang ein solches Ausreisezentrum. «Am Standpunkt von Luzern hat sich nichts geändert. Die Neustrukturierung des Bundes muss umgesetzt werden. Das entlastet die Kantone und auch die Gemeinden». Zudem profitierten die Standortkantone von einer Zuweisungsreduktion. «Wir sind darum offen für ein Bundes-Ausreisezentrum im Kanton Luzern», so Graf

Kanton bei Unterbringung entlasten

Bundesasylzentrum: Erste Erfahrungen positiv

Asylverfahren sollen effizienter und fairer behandelt werden. Dafür strukturiert der Bund das Asylwesen neu. Die Schweiz wurde in sechs Asylregionen unterteilt. Pro Region sind ein Verfahrenszentrum sowie zwischen einem und drei Ausreisezentren geplant. Neben der Beschleunigung wurde der Rechtsschutz für mittellose Asylbewerber ausgebaut. Wie das funktioniert, wird seit Anfang Jahr in Zürich in einem Pilotprojekt getestet.

In einer ersten Bilanz ziehen die Betreiber nach zehn Monaten eine positive Bilanz. Die Verfahren konnten schneller abgewickelt werden. «Die Beschleunigung hat keine negativen Auswirkungen auf die Qualität der Entscheide», heisst es im Bericht. Insgesamt wurden dem Testbetrieb 1'256 Verfahren zugeteilt, wovon bis Ende Oktober 829 erledigt werden konnten, was 66 Prozent entspricht. Die Testphase dauert mindestens bis zum 28. September 2015.

Ein Ausreisezentrum auf Luzerner Boden entlastet den Kanton, weil er weniger Asylbewerber aufnehmen muss. Graf schätzt, dass dies je nach Grösse eines solchen Zentrums zwischen 150 bis 250 Asylbewerber weniger sind. Hinzu kommt, dass das Zentrum vom Bund geführt wird. Für den Kanton fallen also keine zusätzlichen Kosten an.

Kürzlich hat der Bund den ersten offiziellen Standort für ein Bundesasylzentrum bekannt gegeben. Der Widerstand  in der betroffenen Gemeinde Giffers (FR) war gross. Die Gemeinde werde künftig mit dem Asylzentrum gleichgestellt, sagte der Gemeindepräsident am Mittwoch. Der Imageverlust sei nicht wiedergutzumachen.

«Ängste sind verständlich»

Hat Graf keine Angst, dass die Reaktion in Luzern ebenfalls so ausfallen könnte? «Im Kanton Luzern haben wir in den vergangenen Jahren mehrfach bewiesen, dass Diskussionen um neue Zentrenstandorte sachlich geführt werden können. Dass bei den direkt betroffenen Bewohnern Ängste vorhanden sind, ist verständlich. Sie müssen diese auch äussern dürfen. Auf der anderen Seite muss die öffentliche Hand aber auch ihre Rechte wahrnehmen können, wenn die baurechtlichen Voraussetzungen stimmen», so Graf.

Die Hartnäckigkeit von Graf hat einen Grund. Immer mehr Asylbewerber brauchen einen Platz, doch dieser ist nicht einfach zu finden. Im letzten Jahr wurden dem Kanton 928 Asylbewerber zugeteilt. Hinzu kommt, dass im letzten Jahr rund 70 Prozent einen positiven Entscheid erhielten und hier bleiben dürfen. «Im letzten halben Jahr konnte der Kanton rund 450 neue Plätze schaffen», ist Graf erleichtert. Aufatmen kann er aber noch nicht. Laut einer Prognose des Staatsekretariats für Migration dürfte die Zahl der Asylbewerber ab Mai noch ansteigen. Luzern kommt an Kapazitätsgrenzen. Und hat bereits reagiert.

Notunterkünfte weiterhin eine Option

«Dank den neuen Notunterkünften in Dagmersellen, Luzern, Willisau und Ebikon, die Anfang 2015 eröffnet werden konnten, haben wir bis im Spätfrühling genügend Unterkünfte», erklärt Graf. Er rechnet, dass im Jahr 2015 monatlich schätzungsweise zwischen 60 bis 80 neue Unterkunftsplätze bereitgestellt werden müssen.

Um das Platzproblem in den Griff zu bekommen, hat Graf im November Bundesrätin Simonetta Sommaruga einen Brief geschrieben. Darin bittet er, Militärbauten und Zivilschutzanlagen für eine temporäre Notnutzung für Asylbewerber öffnen zu dürfen. Eine Antwort habe er noch nicht erhalten, wie Graf sagt. «Das bleibt für uns eine Option, die wir weiter verfolgen. Dank der guten Mitarbeit der Luzerner Gemeinden ist es uns gelungen, die Unterkunftsituation im Griff zu behalten.»

Standortentscheid mit Verzögerung

Ob Luzern überhaupt einen geeigneten Standort hat, prüft derzeit der Bund. Er sucht gemeinsam mit den Kantonen und Gemeinden nach möglichen Standorten. Sowohl der Kanton als auch der Bund hüllen sich aber in Schweigen, wo ein solcher sein könnte. So heisst es auch beim Staatssekretariat für Migration: «Zu der aktuellen Evaluation in der Region Zentral- und Südostschweiz können wir noch nichts sagen», sagt Martin Reichlin, Stellvertretender Kommunikationschef des Staatssekretariats für Migration (Sem).

Reichlin geht davon aus, dass in den nächsten Wochen und Monaten weitere Orte bekannt gegeben werden können. Das ist später als ursprünglich erwartet. Anfänglich sollte die Standortfrage bis im Herbst 2014 geklärt sein. Warum die Verzögerung? «Wir haben viel mehr Standorte geprüft, als zuvor erwartet», erklärt Reichlin. Auch baurechtliche Fragen hätten mehr Zeit in Anspruch genommen.

Asylzentrum in Kriens im Sommer 2016 bezugsbereit

Einen Schritt weiter ist das geplante Asylzentrum beim Gefängnis Grosshof in Kriens. Dieses wird von der gemeinnützigen Genossenschaft Pandocheion realisiert und bietet Platz für rund 100 Asylbewerber. «Die Baubewilligung ist jetzt rechtskräftig», freut sich Florian Flohr, Präsident der Baugenossenschaft. Zuvor wurde eine Beschwerde vom Kantonsgericht abgewiesen. «Ich habe erfahren, dass die Einsprache nicht ans Bundesgericht weitergezogen wird», so Flohr. Die Genossenschaft wird nun die Planung des Asylzentrums wieder aufnehmen. «Ich gehe davon aus, dass wir im Sommer 2016 bezugsbereit sein werden», schätzt Flohr.

Containersiedlung Eichwald auf Eis gelegt

Der Kanton betreibt heute zwei Asylzentren. Das Asylzentrum Sonnenhof in Emmenbrücke und den Hirschpark in Luzern. Beide bieten Plätze für insgesamt 220 Asylbewerber. Der Hirschpark ist allerdings nur eine vorübergehende Lösung. Die Nutzung ist befristet auf drei Jahre und wird 2017 geschlossen. Als Ersatz plante die Regierung in der Allmend eine Containersiedlung – das Asylzentrum Eichwald für 120 Asylbewerber.

Das Projekt hat die Regierung diesen Januar aber gestoppt. Aufgrund der Finanzsituation sucht der Kanton gemäss der «Neuen Luzerner Zeitung» nach einer günstigeren Alternative. Das Asylzentrum Eichwald hätte rund 5,7 Millionen Franken gekostet. Es hätte im Januar dem Kantonsrat vorgelegt werden sollen.

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