Zuger Schulgesetz

Kantonsrat schiesst frühe Sprachförderung ab

Es bleibt dabei: Maximal 22 Schüler im Kindergarten und höchstens 26 Schüler in einer Primarschulklasse.. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Es sei eine heimliche Schulklassenvergrösserung, vermutet ein Kantonsrat. Dass die Richtzahl bei den Klassengrössen abgeschafft wird, verleite dazu, die Klassen der Maximalzahl anzupassen. Das Zuger Parlament beschliesst überdies, auf ein Zwangsmittel bei der sprachlichen Frühförderung zu verzichten.

Der Zuger Kantonsrat will keine sprachliche Frühförderung im Schulgesetz festschreiben, das hat er am Donnerstag beschlossen. Bildungsdirektor Stephan Schleiss hatte für den Paragrafen geworben, der den Gemeinden vor allem eine Druckmöglichkeit in die Hand hätte geben sollen: Die Gemeinden hätten mit dem Paragrafen eine gesetzliche Grundlage erhalten, um Kinder zwangsmässig in die sprachliche Frühförderung zu schicken.

«Die Gemeinden hätten sich gewünscht, dass sie diese Druckmöglichkeit in die Hinterhand bekommen hätten. Sie sind davon ausgegangen, dass nur schon das Vorhandensein einer Druckmöglichkeit dazu geführt hätte, dass man die Eltern unterstützungsbedürftiger Kinder eher davon hätte überzeugen können, dass ihre Kinder Sprachförderung benötigen.»

Schulgesetz sei der falsche Ort

Es hatte verschiedene Gegenargumente gegeben: Der Paragraf gehöre nicht ins Schulgesetz, so argumentierte Daniel Stadlin von der GLP, sondern sei beim Sozialwesen anzusiedeln. Die Bildungskommission dagegen befürchtete, so deren Präsident Martin Pfister, der Eingriff in die elterliche Gewalt sei sehr gross.

Der Artikel sei in der Kommission stark umstritten gewesen, so Pfister. Heini Schmid von der CVP fürchtete weiter, es werde eine Ungleichbehandlung der Kinder geben. «Wer stellt die Kriterien auf, nach denen die Frühförderung verordnet wird?», fragt Beni Riedi von der SVP. «Und müssen wir dafür neue Stellen schaffen?»

Die Privatschulen freuen sich

Der Absatz wurde auf Riedis Antrag hin integral gestrichen. Ist die frühe Sprachförderung damit im Kanton gestorben? «Ich denke, der Schaden ist gering», sagt Schleiss. «Dieses Druckmittel fehlt jetzt. Dafür müssen die Gemeinden auch keine Abklärungen bei allen ihren Schülern durchführen, ob diese gefördert werden müssen. Ich denke die Gemeinden sind erleichtert.» Die Gemeinden können weiterhin auf freiwilliger Basis Frühförderungs-Programme anbieten.

Der Rat verhandelte daraufhin die Obergrenzen für Klassengrössen. Der CVP-Kantonsrat Martin Pfister sorgte für einen kurzen Moment der Ruhe in der Debatte über das neue Schulgesetz. «Erst heute Morgen hat mir der Leiter einer Privatschule gesagt, die Schulklassengrösse sei das letzte ‹Pièce de Résistance› für die Privatschulen.» Es könne den Privatschulen nichts besseres passieren, als wenn die öffentlichen Schulen ihre Klassengrössen hinaufschrauben würden.

Richtzahl fällt weg

Trotzdem stimmt die Mehrheit des Rates kurz darauf gegen eine Senkung der momentanen Maximalzahlen: 22 Schüler im Kindergarten, 26 Schüler in einer Primarschulklasse, 22 in einer Sekundarschulklasse. Damit schmettert er Vorstösse von Links ab, die die Maximalzahlen senken wollten, aber ebenso Einwände von Rechts, die Maximalzahlen seien zu erhöhen.

Trotzdem werde mit dem Kantonsratsbeschluss eine Erhöhung der Klassengrösse ermöglicht, das glaubt zumindest SP-Kantonsrat Zari Dzaferi. Hier gehe es um eine heimliche Erhöhung der Klassengrössen. Es gibt im Kanton Zug zwei offizielle Zahlen, an denen sich die gemeindlichen Schulen orientieren, die Maximalzahl der Klassengrösse und die Richtzahl. Letztere hat in den vergangenen Jahren als Leitschnur für die Gemeinden gewirkt. Diese Richtzahl hat der Kantonsrat nun abgeschafft. «Wenn die Richtschnur wegfällt, was ist dann die neue Richtschnur?» Die Maximalzahl, so Dzaferi. «Damit haben politische Kreise die Möglichkeit, an einer Gemeindeversammlung zu verlangen, die Klassengrössen seien aus Spargründen anzuheben. Und das spürt man nun mal direkt in der Qualität der Schule.»

Aufstocken aus Spargründen sei nicht realistisch

Bildungsdirektor Stefan Schleiss hält dagegen: Die Richtzahl sei ein Überbleibsel aus der Zeit vor der Normpauschale, sagt er. Seit 2008 finanziert der Kanton gemeindliche Schulen nicht einfach mehr zur Hälfte, wie das vorher der Fall war. Er leistet stattdessen pro Schulkind einen Beitrag. «Die Richtzahl ist damit obsolet geworden», sagt Schleiss, «sie war ein Instrument zur Steuerung der Lehrerzahlen, da die Gemeinden früher mit mehr Lehrern auch mehr Kantonsgelder beziehen konnten.»

Die Befürchtung, die Maximalzahl werde zur neuen Richtschnur, teilt Schleiss nicht. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass an einer Gemeindeversammlung jemand aufsteht und sagt, wir erfüllen an unseren Schulen nicht die Maximalzahl, wir müssen aus Spargründen mehr Schüler pro Klasse führen. Das hätte keine Chancen.» Der Kantonsrat folgt ihm und schafft die Richtzahl ab. Einen Antrag der CVP-Kantonsrätin Silvia Thalmann, die Maximalzahlen für alle Schulstufen auf 24 zu setzen, wurde ebenso abgelehnt.

Weg mit den Grundstufenmodellen

Damit ist das neue Schulgesetz aber noch nicht erledigt: Beni Riedi fordert im Namen der SVP-Fraktion, die Möglichkeit einer Grund- und Basisstufe sei komplett aus dem Gesetz zu streichen. In diesen Schulformen werden Jahrgänge gemischt, etwa wenn die Schulen zu klein sind, um auf jedem Jahrgang eine Klasse zu bilden, wie etwa in Morgarten. «Ein genereller Verzicht auf die Grund- und Basisstufe könnte Druck von den Lehrern nehmen», sagt Riedi.

Die Alternative – die Grünen fordert stattdessen eine Anschubfinanzierung für die Einführung solcher Modelle in den Gemeinden. Schleiss sagt: «Grund- und Basisstufenmodelle sind keine Modelle der Zukunft mehr.» Das sei spätestens klargeworden, als der Kanton Zürich von den schon eingeführten Modellen Abstand genommen habe. «Trotzdem können sie in einigen Gemeinden Sinn machen. Der Regierungsrat möchte diese Vielfalt aushalten.» Der Kantonsrat behält den Artikel bei, es können auch in Zukunft in den Gemeinden solche Schulformen geführt werden, wenn die Gemeinden das so wollen.

Das Gesetz ist damit verabschiedet. Wenn kein Referndum ergriffen wird, tritt es am 5. August 2015 in Kraft.

 

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