Gutachten hält Stadtbildinitiative für ungültig

Paukenschlag im Luzerner Hochhausstreit

Hier am Pilatusplatz soll ein 35-Meter-Hochhaus entstehen.

(Bild: mbe)

Das von einer Volksinitiative verlangte Verbot von drei Hochhausstandorten im Stadtzentrum ist nicht möglich. Zu diesem Schluss kommt ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten. Damit scheint der Plan der Stadt, ihre Bau- und Zonenordnung zu schützen, aufzugehen. Doch die Initianten geben sich noch nicht geschlagen.

Alexandros Guekos ist sauer. «Für uns ist das Verhalten des Stadtrates demokratisch unwürdig. Es geht hier um die Zukunft der Stadt, darüber sollte das Volk entscheiden können», ärgert sich der Präsident des hochhauskritischen Vereins Stadtbild.

Initiative will Volksabstimmung sistieren

Die heisse Debatte rund um neue Hochhäuser in der Stadt Luzern ist um ein spannendes Kapitel reicher. Zwar hat das Volk 2013 die neue Bau- und Zonenordnung (BZO) angenommen, und damit auch Ja gesagt zu den neuen Hochhausstandorten Bundesplatz, Steghof und Pilatusplatz. Der Kanton hat die BZO im Juni 2014 genehmigt. Genau zu dieser Zeit hat der Verein Stadtbild Luzern die Volksinitiative «Für ein intaktes Stadtbild» eingereicht. Und diese will alle drei erwähnten Hochhausstandorte wieder verbieten. Nur in fünf Gebieten in der Peripherie und in Littau sollen neue Hochhäuser erlaubt sein. Doch nun hat die Stadt am Dienstag ein Gutachten veröffentlicht, das diese Initiative für ungültig erklärt.

Begehren ist rechtswidrig

«Die Initiative verstösst gegen übergeordnetes Recht. Damit ist das Volksbegehren rechtswidrig, was seine Ungültigkeit nach sich zieht», fasst die Stadt das Gutachten zusammen. Die 23’000 Franken teure Studie wurde vom Institut für öffentliches Recht der Universität Bern verfasst. Stadtschreiber Toni Göpfert erklärt: «Unsere Juristen hatten Zweifel an der Rechtmässigkeit der Initiative. Denn Sie läuft darauf hinaus, den Beschluss über die gerade erst festgesetzten Hochhausstandorte rückgängig zu machen.» Deshalb habe man das Gutachten in Auftrag gegeben.

Als nächster Schritt wird sich das Stadtparlament mit dem Antrag des Stadtrates auf Ungültigkeitserklärung der Initiative befassen. Dies soll noch vor den Sommerferien geschehen. Stimmt das Parlament zu, wird es keine Volksabstimmung geben, die Initiative wäre gestorben. Allerdings können die Initianten rund um Stadtbild-Präsident Alexandros Guekos und Vorstandsmitglied David Stalder den Entscheid des Grossen Stadtrates anfechten.

Der Verein Stadtbild kämpft seit ein paar Jahren verbissen gegen Hochhäuser in der Stadt, weil diese das historisch gewachsene und bislang hochhausfreie Stadtbild von Luzerns Zentrum verschandeln würden. 

Droht jahrelange Verzögerung?

Anfechten liesse sich der Entscheid der Politiker zuerst vor dem Regierungsrat, dann vor Verwaltungsgericht, oder schliesslich sogar vor Bundesgericht. Jahrelange Verzögerungen wären programmiert. Folge: Die Entwicklung der von der Stadt stets als wichtige «Schlüsselareale» bezeichneten drei Hochhausstandorte würde sich noch weiter in die Länge ziehen, als eh schon. Zur Erinnerung: Der Standort Steghof ist durch die von den SBB verlangten zusätzlichen Abklärungen blockiert, und beim Bundesplatz ist eine Einsprache vor Kantonsgericht hängig. Und wegen der Ungewissheiten aufgrund der Stadtbildinitiative hat das Parlament den bereits ausgearbeiteten Bericht des Stadtrates zum Pilatusplatz vorläufig zurückgestellt.

Auch Entschädigungsforderungen sind möglich

Rechtswidrig sind laut Stadt zwei von drei Artikel der Initiative, der erste und dritte. Im ersten Artikel steht, dass die BZO bereits wieder so angepasst werden müsse, dass Hochhäuser künftig nur in folgenden Gebieten zulässig sind: Büttenen, Reussport und Reussmatt, zwischen Damm- und Sentimattstrasse, entlang der Bernstrasse und entlang der Eichwaldstrasse. Heisst auch: Die 2013 vom Volk abgesegneten Hochhausstandorte im Stadtzentrum wären ungültig. Das läuft, wie erwähnt, auf eine Sistierung von Teilen der eben erst abgesegneten BZO hinaus. Das ist laut Gutachten nicht rechtskonform. Denn für eine Revision der BZO würden die rechtlich erforderlichen, triftigen Gründe für eine solch schwerwiegende Einschränkung fehlen.

Der zweite Artikel verlangt, dass Beschlüsse des Parlaments über neue Hochhausstandorte dem fakultativen Referendum unterliegen sollen. Dieser Artikel ist laut Gutachten zwar nicht rechtswidrig. Da die Stadtbildinitiative aber ohne die ungültigen Artikel 1 und 3 ihren Sinn verliere, sei die ganze Initiative für ungültig zu erklären.

Der dritte Artikel der Initiative beschreibt, dass die von der Stadtbildinitiative vorgeschriebenen Einschränkungen für alle Bauprojekte gilt, die vor dem 1. April 2015 noch nicht über eine Bewilligung verfügen. Das beinhaltet laut Gutachten eine «unzulässige Rückwirkung». Auf Deutsch: Bei Gültigkeitserklärung der Initiative, was erst spätestens im Juni 2016 passieren könnte, würde die Bewilligungssperre bis 16 Monate zurückgreifen. Diese lange Dauer ist laut Gutachten nicht zulässig, weil es auch dazu an triftigen Gründen fehle.

Stadtschreiber Toni Göpfert ergänzt: «Unter Umständen könnten bei einer Annahme der Initiative auch Entschädigungsforderungen für die geleisteten Arbeiten oder durch verminderte Grundstückwerte aufkommen.» Denn ein Grundstück ohne die Möglichkeit, ein Hochhaus darauf zu bauen, sei weniger wert als eines mit.

Erleichterte Baudirektorin

Baudirektorin Manuela Jost ist über das Fazit des Gutachtens erleichtert. «Wir haben nun klare Antworten. Wir sehen uns darin in unserer Meinung bestätigt, dass die vom Volk und der Regierung bestätigte BZO mitsamt den Hochhausstandorten ohne Einschränkungen umgesetzt werden soll.» Für den Fall eines Weiterzugs der Initiative gibt Jost zu bedenken, dass dies abschreckend auf potentielle Investoren wirken könne. «Niemand investiert gerne in ein Projekt von dem er nicht weiss, ob und wann es realisiert werden kann.»

Alexandros Guekos aber hält an seiner Haltung fest: «Eine Volksabstimmung mittels eines rechtlich unverbindlichen Gutachtens zu verhindern, halten wir für fragwürdig. Zudem stellt sich dabei die Frage, ob es sich nicht um ein Gefälligkeitsgutachten handelt.» Und David Stalder ergänzt: «Wir waren doch eher überrascht über den Befund im Gutachten. Wir haben die Initiative schliesslich von eigenen Juristen auf ihre Gültigkeit prüfen lassen. Nun werden wir uns nochmals vertieft damit auseinandersetzen. Dann wird sich zeigen, wie wir weiter vorgehen wollen, etwa mittels Weiterzug an die nächste Rechtsinstanz.»

Parteien stehen hinter Stadtrat

Der Stadtrat will die Volksinitiative «Für ein intaktes Stadtbild» (Stadtbildinitiative) für ungültig erklären. Dies aufgrund eines externen Gutachtens (siehe Hauptartikel). Die Stadtparteien, die noch vor den Sommerferien zu diesem Thema debattieren sollen, werden laut unserer Umfrage der Exekutive zustimmen.

Die SP hat laut Fraktionschef Nico van der Heiden «grundsätzlich Sympathien für die Idee, das Volk darüber abstimmen zu lassen». Aber wenn das Gutachten klar ergebe, dass die Initiative ungültig sei, sei die Sache gelaufen. Man werde das Gutachten nun selber auf Herz und Nieren prüfen. Von der Heiden betont aber: «Wir stehen hinter den Hochhausstandorten Steghof, Pilatusplatz und Bundesplatz.» Seitens der Grünen sagt Fraktionschefin Korintha Bärtsch: «Wir stehen zu den in der BZO vorgesehenen Hochhausstandorten im Zentrum und sind gegen die Initiative». Abschliessend könne man das jedoch erst beurteilen, wenn man das Gutachten analysiert habe.

Auch die SVP wird sich hinter den Stadtrat stellen, wie Parteipräsident Peter With sagt: «Wir werden die Ungültigkeitserklärung der Initiative unterstützen. Die Bauherren brauchen Planungssicherheit.» Wie schon während des BZO-Abstimmungskampfes stehe man zur geplanten Verdichtung mittels Hochhäusern. Inhaltlich ist auch die FDP klar gegen die Städtebildinitiative, stellt Fraktionschefin Sonja Döbeli Stirnemann klar. Aber: «Wir sind sehr vorsichtig im Umgang mit Ungültigkeitserklärungen von Volksinitiativen». Deshalb wolle man das Gutachten nun genau prüfen.

Und schliesslich wird auch die CVP mit ihrem Support für die Ungültigkeitserklärung der Initiative den Stadtrat unterstützen. Markus Mächler, Mitglied der Baukommission: «Die Initiative ist eine Zwängerei, wir sind für die Hochhausstandorte.» Auch wenn es politisch unangenehm sei, Volksinitiativen für ungültig zu erklären.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von M_Roos
    M_Roos, 14.01.2015, 09:53 Uhr

    Demokratisch unwürdig ist für mich das Vorgehen des Vereins Stadtbild Luzern, welcher das Ergebnis einer erst kürzlich erfolgten demokratischen Abstimmung innert kürzester Zeit wieder kippen möchte. Die Hochhaus-Standorte waren bei der BZO-Abstimmung im Jahr 2013 DAS dominierende und zentrale Thema und wurden mit rund 60% Ja-Stimmen deutlich angenommen. Es lässt sich kaum behaupten, die Bürger seien gewissermassen gezwungen gewesen, die Hochhaus-Standorte zu Gunsten des Gesamtpakets BZO anzunehmen. Zumindest wäre in diesem Fall die Abstimmung nicht so klar ausgegangen. Über einzelne Hochhaus-Standorte wurde gar separat in Zusatzfragen abgestimmt. Die Ergebnisse dieser Abstimmungen, d.h. die Meinung der Mehrheit der Bevölkerung, sollte man nun akzeptieren. Mir selber gefällt auch nicht jedes einzelne Gebäude in meiner Umgebung, aber ich respektiere die Ansichten anderer Menschen und reize nicht jedes mögliche Rechtsmittel aus, um meine Privatwünsche anderen aufzuzwingen oder deren Projekte zu blockieren. Hochhäuser wie in französischen Banlieues an die Peripherie zu stellen, ist aus meiner Sicht zudem keine gute Idee.
    Ganz generell möchte ich noch hinzufügen, dass mir ein schönes Hochhaus, wo man links und rechts vorbeisieht, lieber ist als die sich häufenden Längsriegel, welche ganze Strassenzüge zumauern. Aber wie gesagt, über diese Themen lässt sich streiten.

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