Soziale Verantwortung von Unternehmen

Luzerns Bäckereien tun Gutes, sprechen aber nicht darüber

Luzerner Bäckereien sprechen nicht gerne über die soziale Verantwortung, die sie übernehmen. (Bild: Emanuel Ammon/Aura)

Was geschieht in den Luzerner Bäckereien mit den produzierten Lebensmitteln, die nach Ladenschluss übrig bleiben? In aller Regel werden sie wohltätigen Zwecken gespendet. Auffallend dabei: lokale KMU sprechen ungern über das Gute, das sie leisten. Ein Fehler, findet eine Expertin. Denn gerade KMU müssten sich nicht vor ihren sozialen Aktivitäten verstecken.

Brot vom Vortag kauft kaum jemand. Frisch muss es sein, knusprig und am besten noch lauwarm, so mögen wir unser täglich Brot. Was also tun mit dem Brot, das morgen nicht mehr verkauft werden kann?

Die Heini Conditorei gab auf Anfrage zwar Auskunft über ihre gemeinnützigen Aktivitäten, möchte sie aber nicht öffentlich machen. Andernfalls setze man sonst «einen Teil des ideellen Werts aufs Spiel», wie Geschäftsführer Bruno Heini erklärt.

Auch bei der Bäckerei Kreyenbühl im Würzenbach reagiert man auf die Frage nach der sozialen Verantwortung zunächst skeptisch und zurückhaltend. Schliesslich lassen sich Geschäftsführerin Pia Kreyenbühl aber doch ein paar Worte zum Thema entlocken: «Lebensmittel, die sich am nächsten Tag nicht mehr verkaufen lassen, werden an Dritte gespendet. Wir haben ein Netzwerk an Bauernfamilien in der Umgebung, an die wir diese Esswaren abgeben. Einen Teil können auch unsere Mitarbeitenden beziehen, der Rest wird zu Tierfutter oder Paniermehl weiterverarbeitet. Wir werfen nichts einfach so weg.»

Aber gerade das Spenden von Lebensmitteln sei gar nicht so einfach, wie Kreyenbühl weiter erklärt. «Die Caritas ist für uns zu weit weg. Der Aufwand wäre zu gross, wenn wir die Waren jeden Tag anliefern müssten.» Andererseits sei auch das Bedürfnis bei einigen gemeinnützigen Organisationen bereits gedeckt. Die Lebensmittelhilfsorganisation Tischlein Deck dich beispielsweise habe deshalb das Angebot der Kreyenbühl Bäckerei abgelehnt, Esswaren zu spenden. «Wir hatten auch schon die Idee eines sogenannten ‹Second Day Ladens› – eines Shops, der Lebensmittel anbietet, die vom Vortag sind, die aber immer noch einwandfrei konsumiert werden können. Die Auflagen waren aber dermassen hoch und vielfältig, dass wir lieber die Finger davon liessen.»

Grosse Entwicklungschance

Kleinere, lokale Unternehmen kommunizieren ungern oder nur hinter vorgehaltener Hand über ihre sozialen Tätigkeiten. Diesen Eindruck erhielten wir immer bei unserer Umfrage. «Hier zeigt sich ein typisches Merkmal von KMU», erklärt Mariana Christen Jakob, Sozialwissenschafterin, Organisationsberaterin und Professorin an der Hochschule Luzern. «Anders als die grossen multinationalen Organisationen handeln sie dabei nicht auf Druck von aussen, der Antrieb kommt von innen, gewissermassen intuitiv. Die Verankerung in der Strategie fehlt.»

Ein Drittel wird weggeworfen

In der Schweiz wird ein Drittel der produzierten Lebensmittel weggeworfen. «Food Waste» nennt man das. Pro Jahr entstehen so über zwei Millionen Tonnen Food Waste. Fast die Hälfte (45Prozent) der Verluste wird dabei am Ende der Lebensmittelkette verursacht – in den Haushalten. Ein weiterer Grossteil wird in der Produktion (13 Prozent) und Verarbeitung (30 Prozent) verschwendet. Die Gastronomie und der Detailhandel (je 5 Prozent) sowie der Handel (2 Prozent) gehören laut foodwaste.ch zu den sparsamen Stationen der Lebensmittelkette.

Eigentlich erstaunlich. Zugegeben, der Grat zwischen uneigennützigem Handeln und unsympathischer Prahlerei kann sehr schmal sein. Das Thema «soziale Verantwortung» gehört heutzutage ins Marketingkonzept eines jeden grösseren Betriebes. Ziel ist es, zu zeigen, dass man nicht nur den Profit im Auge hat, sondern auch etwas Gutes für die Gesellschaft tut. «Corporate Social Responsibility» – kurz CSR – nennt man das in der Wirtschaftssprache.

Für KMU liege hier eine grosse CSR-Entwicklungschance. Aktivitäten, die zum Kerngeschäft passen und längerfristig angelegt sind, könnten sehr viel nachhaltiger wirken als einzelne wohltätige Aktionen, so Christen Jakob. «Es geht nicht darum, eine breite Lawine loszutreten. Eine schrittweise strategische Planung über einen längeren Zeithorizont verspricht bessere Erfolgsaussichten. Letztlich soll CSR planbar, gestaltbar, messbar und steuerbar werden, wie andere Unternehmensprozesse auch.»

Zurückhaltung auch bei anderen Bäckereien

Die Bäckerei Hug, ein weiteres namhaftes Luzerner Bäckereiunternehmen, hält sich mit der Präsentation der sozialen Tätigkeiten nach aussen auch lieber zurück. «Wir versuchen unserer sozialen Verantwortung vorwiegend im Rahmen unserer unternehmerischen Tätigkeit gerecht zu werden», sagt Geschäftsleiter Paul Philipp Hug. «Wir investieren dabei vor allem in die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeitenden.»

Mit den Lebensmitteln, die nach Ladenschluss nicht verkauft wurden, handhabt es die Hug Bäckerei ähnlich wie die anderen Bäckereien. Überreste pflanzlicher Art würden zu Tierfutter verarbeitet. Zudem könnten gemeinnützige Organisationen die unverkauften Lebensmittel abholen. Jedoch sei eine gemeinsame Lösung für alle Filialen noch nicht in Sicht. Manchmal, so Hug, müssten Produkte einfach auch entsorgt werden. «Gerade tierische Produkte sind heikel.» Man versuche jedoch bereits bei der Produktion so wenig Überreste zu produzieren, wie möglich.

Eine Win-Win-Situation

Die grösste Bäckereikette Luzerns, die Confiserie Bachmann, gehört zu den wenigen Bäckereien in Luzern, die offen über ihre sozialen Tätigkeiten informiert. So erhält man auf ihrer Webseite Auskünfte über den fairen Handel von Schokolade und Kaffee sowie über die Bachmann-Stiftung, die sich um benachteiligte und behinderte Kinder kümmert. Aber auch hier, so scheint es zumindest, ist man auf Bescheidenheit bedacht – offensive Marketingmassnahmen sehen anders aus. Für eine Stellungnahme war Verwaltungsratspräsident Matthias Bachmann nicht erreichbar.

Gerade einmal eine Bäckerei scheint sich eine aktive Komunikation auf die Fahnen geschrieben zu haben. Die Koch Bäckerei wirbt offensiv auf ihren Papiersäckchen mit der sozialen Verantwortung, die das Unternehmen übernehme: die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden, die monatlichen Spenden an SOS-Kinderdörfer und die Abgabe der unverkauften Backwaren an die Caritas.

Dennoch zeigt sich Geschäftsführer Marcel Koch überrascht über die Anfrage von zentral+: «Soziale Verantwortung ist schon ein Thema bei uns, aber als offensive Werbestrategie kann man das nicht bezeichnen. Es hilft uns zwar in der Kundenbindung und zur Imagestärkung, aber der Aufwand dafür hält sich in Grenzen. Schliesslich ist es einfach eine Win-Win-Situation, wenn wir beispielsweise unsere Lebensmittel nicht entsorgen müssen, sondern Bedürftige noch davon profitieren können.» Brote, Salate und Süssgebäck im Wert von 300 bis 400 Franken würden täglich von der Caritas an den drei Standorten der Koch Bäckerei abgeholt.

«Gerade im Mittelstand wird sehr viel geleistet»

Damit scheint die Koch Bäckerei einen wichtigen Schritt in die Richtung zu machen. Denn gerade KMU müssten sich nicht vor ihren sozialen Aktivitäten verstecken, weiss auch CSR-Fachspezialistin Mariana Christen Jakob: «Die Bedeutung von CSR in der Wirtschaft nimmt zu. Im Gespräch sind vor allem die multinationalen Unternehmen mit ihren Initiativen. Kaum thematisiert werden dagegen die Aktivitäten der KMU. In der Realität wird aber gerade im Mittelstand sehr viel geleistet.»

Die verantwortlichen Unternehmen engagierten sich für faire Arbeitsbedingungen und ein menschliches Arbeitsklima, sie würden jungen Leuten Ausbildungsplätze und benachteiligten Menschen eine Integrationsmöglichkeit bieten, so Christen Jakob. «Sie unterstützen soziale und kulturelle Initiativen in der Region und in Entwicklungsprojekten und sie gehen verantwortungsvoll mit der Umwelt und den begrenzten Ressourcen um. Man tut Gutes, aber spricht nicht darüber.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Jerome Oswald
    Jerome Oswald, 07.09.2013, 18:19 Uhr

    Interessanter Artikel über ein Thema, über das man selten liest in der Tagespresse. Aber warum diese Zurückhaltung bei der Auskunft? Haben die bäckereien Angst vor weiteren Anfragen von armen Leuten? Oder haben sie Angst, dass die Kunden abends eine Preisreduktion verlangen, wenn sie erfahren, dass die Sachen später sowieso gespendet werden? Oder aber keine Ahnung von Marketing? Anyway, ich finde das eine gute sache und es zeigt, dass die KMU der Region ihre soziale Verantwortung wahrnehmen und versuchen, die Lebensmittelverschwendung zu minimieren.

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