Luzern

SBB-App Bahnhof Luzern: Zeig mir den Weg zum Brot

Wo lang? Die neue Bahnhofs-App soll den Weg zu Geschäften und Schaltern erleichtern (Bild: Adrian Meyer)

Die SBB testen derzeit in einem Pilotprojekt eine neue App im Bahnhof Luzern: Sie zeigt Nutzern den Weg durch das Gebäude und liefert Informationen zu Geschäften und Dienstleistungen. Der Bund fördert das Projekt, das die SBB zusammen mit der Hochschule Luzern entwickelte.  Wir haben die App getestet – und sind noch nicht überzeugt.

Oben, bei der Rolltreppe des Busperrons, weiss ich plötzlich nicht mehr weiter. Eigentlich wollte ich zum Coop im Untergeschoss des Bahnhofs Luzern, direkt hinter dem Gruppentreffpunkt. Ein bekannter, stets gut besuchter und leicht auffindbarer Laden. Ich weiss doch, wo der ist, dachte ich noch, als ich die neue Navigations-App der SBB für den Bahnhof Luzern auf meinem iPhone öffne. Ich tippe auf den Menüpunkt «Shopping», drücke danach auf «Lebensmittel/Getränke» und dann auf «Coop». Die App zeigt mir nun Ladenöffnungszeiten an, eine Karte mit eingezeichnetem Standort sowie den Button «Weg anzeigen». Gespannt klicke ich darauf – und bin enttäuscht.

Die App verspricht, bei der Orientierung im Bahnhof zu helfen. Man soll damit auch exklusive Sonderangebote der Bahnhofsgeschäfte direkt aufs Handy kriegen sowie Informationen über SBB-Dienstleistungen.

Doch kein blinkender Punkt zeigt mir meinen Standort auf einer Karte an, und kein GPS führt mich über die kürzeste Route durch den Bahnhof. Stattdessen muss ich zuerst durch unzählige Bilder scrollen, die verschiedene Orientierungspunkte auf dem Bahnhofsgelände darstellen: «SBB Anzeigentafel Gross» etwa oder «Eingang Bäckerei Bachmann». Bis ich endlich die «Rolltreppe Busperron 1 ins UG» gefunden habe, zehrt das Gescrolle an meinen Nerven. Ohne App wäre ich jetzt schon fast da, denke ich, als ich mich hinter gehetzte Pendler auf die Rolltreppe stelle.

Die App führt mich nun anhand von Kartenausschnitten und Bildern markanter Orientierungspunkte, sogenannter Landmarken, durch den Bahnhof. Die Bäckerei Bachmann ist so eine Landmarke, ebenso die Anzeigentafel oder die Rolltreppe in der Mitte der Bahnhofshalle. Mit dem Blick stets aufs iPhone gerichtet scrolle ich mich durch den Bahnhof bis zum Coop. Das habe ich mir einfacher vorgestellt, automatischer. So wie Google Maps halt, mit GPS-Navigation und Live-Verfolgung der Route. Und der Datensammlerei natürlich.

Hinter der App steckt Wissenschaft

Die SBB-App zeigt auf Wunsch den Weg zu jedem Schalter, jedem Bankautomaten, jedem Geschäft auf allen Ebenen – und sogar zum Defibrillator im Untergeschoss. Zwar erlaubt die SBB-App keine Live-Navigation, aber dafür werden meine Daten und Bewegungen auch nicht gesammelt und für Werbezwecke verwendet. Noch nicht. «Wir haben bewusst eine Lösung gewählt, welche unabhängig von einer technischen Ortungsfunktion ist», sagt Lea Meyer, Mediensprecherin der SBB. Nicht etwa aus Datenschutzgründen, sondern weil technisch im Bereich der Ortung sehr viel Innovatives passiere. «Wir möchten deshalb noch Erfahrungen sammeln, schliessen aber eine Ortungsintegration in Zukunft nicht aus.» Drei bis sechs Monate dauert der Test. User können die App während dieser Zeit nur auf Anfrage herunterladen.

Hinter der App steckt Wissenschaft, gefördert durch die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) des Bundes. Am Competence Center Explanation and Services der Hochschule Luzern erforschte ein Team, wie sich Fussgänger mittels Smartphones anhand von Orientierungspunkten im öffentlichen Raum orientieren können – als Alternative zu den herkömmlichen Gebäudekarten. Denn diese basieren meist auf dem Prinzip von Strassenkarten. «Doch Fussgänger verhalten sich anders als Autofahrer – sie gelangen nicht immer auf direktem Weg von A nach B», sagt Axel Vogelsang, Leiter des Kompetenzzentrums. Und: Sie haben dabei andere visuelle Bezugspunkte. «Deshalb entwickelten wir eine alternative Orientierung mittels sogenannter Landmarken.» So müsse der Nutzer nicht ständig und umständlich aufs Display gucken, wenn er sich im Raum orientieren will.

Navigation ist nicht das oberste Ziel

Doch genau das mache ich auf dem Weg zum Coop ständig: Ich muss die Bilder auf dem Handy immer wieder mit der Realität abgleichen um herauszufinden, ob es sich wirklich um die richtige Treppe, den richtigen Ausgang handelt. Obwohl es wohl einfacher wäre, gemütlich durch den Bahnhof zu schlendern und die Geschäfte so zu suchen. Als ortsunkundiger Tourist fände zudem ich wohl kaum heraus, ob ich nun an der «Rolltreppe Ost ins UG» oder an der «Rolltreppe Mitte ins UG» stehe. Touristen seien auch gar nicht die Zielgruppe,  sondern vielmehr Personen, die regelmässig den Bahnhof Luzern nutzen und Interesse an innovativen Apps haben, sagt die SBB. Diejenigen Leute also, die sowieso wissen, wo der Bachmann, wo die Lotteriebox, wo das Bierlädeli «Drinks of the World steht.»

Ortsunkundigen den Weg durch den Bahnhof zu erleichtern ist offenbar nicht das oberste Ziel der App. Zumal das Gebäude noch relativ überschaubar ist in Grösse und Komplexität. Vielmehr geht es der SBB darum, auf ein wachsendes Kundenbedürfnis zu reagieren: Immer mehr Pendler kombinieren mit ihrem Arbeitsweg auch ihre Einkäufe. Und deshalb zeigt die App nicht nur die Öffnungszeiten von Schaltern an, sondern auch, welche Bahnhofsgeschäfte gerade Sonderangebote haben. Geschäfte können während der Testphase gratis Rabattcoupons in der App anzeigen und damit auf neue Angebote und Aktionen aufmerksam machen. Und mit dem mobilen Marketing womöglich mehr Leute in ihre Geschäfte locken.

Dank App zu günstigem Brot

Beim Coop angekommen, zeigt mir die App an, dass der Supermarkt zwei Emmi Caffè Latte zum Preis für einen im Angebot hat. Ich schnappe mir die zwei kalten Kaffees im Plastikbecher und strecke der Verkäuferin bei der Kasse mein Handy entgegen. Etwas verdutzt richtet sie ihren Barcode-Scanner auf das Display, es piept, «tatsächlich, es funktioniert», sagt sie.

Bisher haben nur wenige der Geschäfte Bons geschaltet: Nebst der Coop-Aktion kriegt man mit der App beim Buchparadies 15 Prozent Rabatt auf einen New York Reiseführer. Und bei der Confiserie Bachmann 12 Prozent auf ein Pain Paillasse. «Wir wollen mit diesen Bons Stammkunden belohnen, auf neue Produkte aufmerksam machen – und hoffen auf eine Zunahme der Frequentierung», sagt Michael Bachmann, Mitglied der Geschäftsleitung.

Mit Kaffee in der Hand und Lust auf Brot teste ich die App bei Bachmann – und habe  weniger Glück als im Coop: In der Filiale im Obergeschoss wissen die Verkäuferinnen nicht, was sie tun sollen, als ich ihnen mein Handy mit dem digitalen Bon zeige. Die App kennen sie noch nicht, sie schicken mich deshalb in die Filiale im Untergeschoss. Dort, in einem zweiten Anlauf klappt’s – und ich kriege dank der App mein Paillasse für 50 Rappen günstiger. Wäre die App kein Pilotprojekt, ich hätte mir die Zeit gespart. Und wäre direkt zum Beck.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon