Wirtewechsel: Doch wer folgt nach?

Ende einer Ära im Walchwiler Gourmetlokal

Die Gastgeber René und Christine Weder vor dem Eingang zum «Sternen». (Bild: mbe.)

Der «Sternen» in Walchwil ist eines der höchst ausgezeichneten Restaurants im Kanton Zug. Am 31. Dezember will Spitzenkoch René Weder den Kochlöffel an einen Nachfolger abgeben. Doch an wen?

«Leider haben wir noch keinen definitiven Nachfolger gefunden», sagt Christoph Hürlimann im Namen der Besitzer des Restaurants. Seit 1996 führen René und Christine Weder das stattliche Haus auf höchstem Niveau. Ende Jahr verabschieden sie sich. Wir haben mit René Weder ein Gespräch abgemacht und wollten einmal wissen, wie so ein Gourmetrestaurant von innen aussieht und ob so ein Konzept funktioniert in der Zeit des omnipräsenen Fastfoods. Denn die Hemmschwelle ist für die meisten doch ziemlich hoch.

Was zuerst auffällt: Beim Eingang ist keine Menükarte aufgehängt. Wer auf der Homepage des Lokals herausfinden will, was der «Sternen» serviert, wird ebenfalls nicht fündig. Es gibt ein saisonales Mehrgangmenü, ein Fisch- oder Vegimenü und ein Mittagsangebot. Aufgelistet sind einzig die Preise, dazu ein paar Fotos von kunstvoll angerichteten Gerichten.

Das erweckt den Anschein eines Klubs für Eingeweihte. René Weder bestätigt das indirekt mit seiner Aussage: «80 bis 90 Prozent unserer Kundschaft sind Stammgäste.» Diese würden aus der ganzen Zentralschweiz, Aargau, Zürich bis Basel nach Walchwil kommen. Dass das Restaurant wenig publiziert, hat einen Grund: Ansonsten sei das unter anderem angebotene «Menu surprise» keine Überraschung mehr.

Schon früh ausgezeichnet worden

Weder macht generell kein grosses Aufheben um sich und seine Kochkunst: «Werbung haben wir nie gemacht. Meine Werbung liegt auf dem Teller», sagt der gebürtige Basler verschmitzt. Den Gastroführern ist die Küche von Weder auch so aufgefallen. Schon am früheren Arbeitsort im Gasthof Kreuz in Dallenwil (NW), wo Weders 14 Jahre lang wirkten, erhielt das Ehepaar einen von drei möglichen Sternen vom «Guide Michelin» verliehen («sehr gute Küche, die besondere Beachtung verdient»). «Diesen Stern haben wir vor 18 Jahren nach Walchwil mitgebracht », sagt Weder. Und das Restaurant hat ihn seither immer behalten, was ebenfalls eine Leistung ist.

In der kürzlich erschienenen Ausgabe 2015 des anderen Gastroführers, «GaultMillau», wird das kulinarische Angebot Weders so beschrieben: «Auf der Karte stehen viele Gerichte, die alle mehr von Einfachheit als von Komplexität geprägt sind, aber im Teller überzeugen.» Diesen Eintrag findet Weder «speziell». Doch im Gastroführer steht auch, dass man ihn und seine Frau Christine vermissen wird, und das freut ihn natürlich.

Klassische französische Küche als Basis

Weder hofft, dass sein Nachfolger eine ähnliche Küche anbieten wird. Seine Basis sei die klassische französische Küche. Leicht, neuzeitlich, gelegentlich mit mediterranem Touch. «Ich verwende Topprodukte, die man auch herausschmecken soll. Die marktfrischen Produkte sollen ihren Eigengeschmack voll entfalten können», sagt Weder. Drei bis vier, maximal fünf Aromen auf einem Teller sei seine Devise. Ihm seien Gerichte mit «viel Schnickschnack» nicht geheuer.

Fleisch und Fisch aus der Region

Punkte und Sterne, was bedeuten sie?

Der «Sternen» in Walchwil ist seit Jahren mit 16 «GaultMillau»-Punkten ausgezeichnet, neben dem «Falken» in Neuheim,  und er hat als einziges Lokal im Kanton Zug einen Michelin-Stern. 15 bis 16 Punkte im Gastroführer «GaultMillau» bedeuten «einen hohen Grad an Kochkunst und Qualität». Die Punkteskala beginnt bei 12 («herkömmliche gute Küche ohne Ambitionen») und steigt bis zur Idealnote von 20 Punkten, die in der Schweiz noch nie vergeben wurden. Sechs Restaurants haben in der Ausgabe 2015 erstmals 19 Punkte erhalten, die für eine «wegweisende, überragende Küchenleistung» stehen. Den knallroten Gastroführer gibt Ringier heraus, Cheftester im Nebenamt ist der Geschäftsführer Zeitschriften Urs Heller. Zu jedem aufgeführten Restaurant schreiben die Tester eine Bewertung ihres Besuchs, die oft für Diskussionen sorgt. Der Name der neben dem Guide Michelin einflussreichsten Gastrofibel geht auf die französischen Journalisten Henri Gault und Christian Millau zurück.

Der Guide Michelin, ursprünglich ein französischer Gastroführer für Automobilisten, hat seit einigen Jahren eine Schweizer Ausgabe. Die Gastrokritiker, welche die Restaurants besuchen, stammen oft aus Deutschland, wo sich auch die Redaktion befindet. Oder aber aus Frankreich oder Belgien. Der Guide Michelin publiziert Listen und bewertet mit Sternen, schreibt aber keine Kommentare. Ein Stern ist das Minimum, drei Sterne das Maximum. Ein Stern steht für eine «sehr gute Küche, welche besondere Beachtung verdient», zwei für «eine hervorragende Küche, verdient einen Umweg», drei bedeuten «eine der besten Küchen, verdient eine Reise.» Das Renommee des Guide Michelin ist hoch in der Gastronomie.

Alles ist hausgemacht im Sternen – die Fonds für die Saucen, die Teigwaren, ebenso Pâtisserie und Glacés. Sehr beliebt sind zum Beispiel die mit Ochsenschwanzragout gefüllten Ravioli. Ebenso Ravioli mit Eigelb gefüllt, mit schwarzen Burgundertrüffeln aus der Schweiz oder weissen Alba-Trüffeln aus Italien verfeinert. Weitere Spezialitäten des Gourmetrestaurants sind im Ofen gebratene Bresse-Tauben (aus der Region Bresse im französischen Burgund).

Im Dezember gibt es Wildentenbrüstlein, von Tieren vom Zuger oder dem Lauerzer See. «Ein Jäger aus Brunnen liefert mir jeden Herbst Wild aus der Zentralschweiz», erklärt der Koch. Bei den Fischen arbeitet der Küchenchef mit zwei älteren Zuger Fischern zusammen. «Ich verwende nur einheimische Fische aus dem Zugersee, wenn es denn welche gibt.» Morgens lieferten ihm die Fischer frische Egli, Rötel, Zander oder Seeforellen und abends serviert er sie den Gästen. In den mehrgängigen Menus darf auch ein «Käsewagen» mit rund 30 Sorten nicht fehlen. Und im Weinkeller hat der «Sternen» rund 600 edle Tropfen zur Auswahl.

Kein einfacher Beruf

All dieser Aufwand, der betrieben wird, bedingt viel gutes Personal. Und das ist heute laut Weder nicht mehr einfach zu finden. Denn das Gourmetrestaurant macht sein Hauptgeschäft am Wochenende und abends. Also wenn viele andere Berufe frei haben. Montag und Dienstag sind Ruhetage. Gemäss dem Chef sind die idealen Gastgewerbler oft Personen, deren Partner ebenfalls in der Branche arbeiten. «Ansonsten zerbricht die Beziehung oft daran nach unserer Erfahrung.»

Doch auch die Wirte selbst wollen stets da sein für ihre Gäste. «Ich war die letzten 34 Jahre in der Küche, meine Frau an der Front. Dieses Geschäftsmodell des wirtenden Ehepaars stirbt langsam aus», sagt Weder, «dafür muss man angefressen sein, bereit sein, sehr viel zu arbeiten und das Risiko als Unternehmer tragen wollen.»

Persönliche Betreuung

René und Christine Weder wollen ihren Gästen aber nicht einfach nur ein gutes Essen bieten, sondern ein Gesamterlebnis. Das beginnt bei der telefonischen Reservation, wo der Chef oder die Chefin das Telefon entgegennimmt. Während des Services sind die Gastgeber ebenfalls immer anwesend. «Ich sehe jeden Gast und jeden Teller, der rausgeht», sagt der Küchenchef bestimmt. Als Gastgeberin schafft Christine Weder mit ihrem Serviceteam eine Atmosphäre, in der sich jeder willkommen und geschätzt fühlen soll. Nach einem schönen Abend begleiten die Gastgeber die Gäste zur Türe und verabschieden sie persönlich.

Noch ganz alte Schule also, das wird geschätzt. Nicht nur von älteren, auch von der jüngeren Kundschaft ab 30 bis 40 Jahre, welche diese klassische Gastronomie noch schätzt oder von ihren Eltern vermittelt bekommen hat.

Reich an einmaligen Kontakten

«Reich sind wir nicht geworden, aber es geht uns gut», sagt René Weder rückblickend. «Höchstens reich an Kontakten, die wir normal nie kennengelernt hätten.» Namen von prominenten Gäste will er uns zwar nicht verraten. «Aber die Topmanager haben alle bei uns verkehrt», sagt er. Das schönste Kompliment für ihn, so der Küchenchef, sei die Aussage von Gästen, dass der Abend so schön wie ein Konzertbesuch gewesen sei. Man werde wieder kommen und das Restaurant empfehlen. An wen denn am liebsten? Dazu erzählt René Weder eine Anekdote: «Ein deutscher Hotelier hat einmal gesagt: Empfehlen Sie uns weiter, aber nur denjenigen Leuten, die Sie gerne hier antreffen würden!»

Beide wollen kürzer treten

Anfang Jahr hat das Wirte-Ehepaar angekündigt, kürzer treten zu wollen. Den Ausschlag gab sie, die aufhören wollte. Er sagte der «Neuen Zuger Zeitung» noch im Mai, er wolle im «Sternen» weiter kochen, wenn man ihn noch brauche. Inzwischen hat der Spitzenkoch seine Meinung geändert. «Irgendetwas mit Gastronomie werde ich aber weiter machen. Man kann nicht plötzlich von 150 auf 0 herunterfahren». Auch Joggen wird er weiterhin, um sich fit zu halten. Er sei gerade 65 Jahre alt geworden und ein «golden Oldie», sagt Weder und lacht. Seine Frau hat noch einige Jahre Zeit bis zur offiziellen Pensionierung.

Ausgebucht bis Ende Jahr

Wer noch einmal im «Sternen» essen will, muss sich sputen. Die Freitag- und Samstagabende sind bis Ende 2014 ausgebucht. Am 31. Dezember klingt die Ära Weder mit einem Privatanlass der Besitzerfamilie Hürlimann aus. Wie es danach weitergeht, ist zurzeit noch offen.

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