«Generation Y» im Kanton Luzern

«Man wird noch viel von uns hören»

Dieses Bild täuscht. Ob in der Politik, Wirtschaft oder in der Kultur: Die Luzerner «Generation Y» ist engagiert. (Bild: Symbolbild/Emanuel Ammon/AURA)

Gleichgültig, faul und ideenlos – Begriffe, die häufig benutzt werden, um die heutige Jugend zu beschreiben. Wir haben uns auf die Suche nach jungen Menschen und Projekten gemacht, die diese Klischee-Vorstellung der «Generation Y» vergessen machen. Ob in der Politik, Kultur, Wirtschaft oder Forschung: In Luzern gibt es tatsächlich Jugendliche, die engagiert sind.

Sie sorgten mit der Aktion «Beerdigung der Bildung» für Furore. An der Demonstration vor einem Jahr trugen hunderte Jugendliche einen Sarg durch die Stadt Luzern und drückten so ihren Unmut gegen die Sparpolitik des Kantons Luzern aus (zentral+ berichtete). Bereits ein Jahr zuvor demonstrierten 1’500 Personen gegen das Sparen im Bereich Bildung. Sieht so eine politisch gleichgültige Luzerner Jugend aus?

Anfangs September 2014 machten die an den Demonstrationen beteiligten Jugendlichen ernst und versammelten sich zum ersten Mal als offizieller Verein «Lernende gegen die Sparwut». «Die Durchführung der Aktionen hat viel Kraft und Nerven gekostet», erzählt Gründungsmitglied Valentin Schroeteler. In einem Verein aber könne die Arbeit geteilt werden und somit längerfristig Widerstand gegen die Sparpolitik im Bereich Bildung geleistet werden.

Jungen die Politik näher gebracht

Schroeteler gibt auch zu, dass es ein längerer Prozess war: «Wir mussten feststellen, dass es nicht immer einfach ist, junge Menschen für politischen Widerstand zu begeistern,» so der 20-Jährige. Doch inzwischen hätten sie sich einen Namen gemacht im Kanton Luzern. Schroeteler: «Wir haben jungen Menschen die Politik näher gebracht.»

Und die Luzerner Jugend scheint interessiert: «Zurzeit hat der Verein rund 50 Mitglieder. Wöchentlich kommen neue dazu», so Schroeteler. Die meisten seien um die 18 Jahre alt. Für Schroeteler ist es wichtig, dass sich Jugendliche politisch beteiligen: «Politik beeinflusst unser tägliches Leben, die Politik lenkt unsere Zukunft.» Als Jugendlicher könne man schon Einfluss nehmen. «Wer diese Chance verpasst, muss sich später nicht über die Folgen der Politik beklagen.»

Das Sparpaket wird im November im Kantonsrat debattiert. Ab diesem Zeitpunkt seien auch wieder Aktionen geplant. «Was ich versprechen kann ist, dass man von uns noch ganz viel hören wird», so Schroeteler.

Bei der Demonstration im letzten Jahr protestierten die Jugendlichen gegen die Sparpolitik des Kantons Luzern. (Bild: Redaktion zentral+)

Bei der Demonstration im letzten Jahr protestierten die Jugendlichen gegen die Sparpolitik des Kantons Luzern. (Bild: Redaktion zentral+)

Ballett-Kostüme und Fuchspelze

Auch in der Wirtschaft sind Zentralschweizer Jugendliche schon früh am Ball. Mit 15 Jahren setzte Jana Colic gemeinsam mit einem anderen Schüler ihre erste Kleider-Kollektion im Paulusheim in Luzern an einer Modenschau in Szene. Als 17-Jährige hatte sie schon die dritte Kollektion unter Dach und Fach.

Die Jungdesignerin aus Luzern hat bereits an ihrer Karriere gearbeitet, bevor sie überhaupt mit ihrer Ausbildung angefangen hatte. Ihre erste Nähmaschine bekam sie von Freunden geschenkt. «Am Anfang war es schwierig, aber ich habe immer Unterstützung von meinem Umfeld bekommen», so Colic.

Die Lehre als Bekleidungsgestalterin, der neue Ausdruck für Schneiderin, hat Jana Colic diesen Sommer abgeschlossen. Auch während der Lehre arbeitete sie fleissig an ihren eigenen Entwürfen. «Mit einem Lohn von Anfangs 200 Franken war das nicht so einfach», erzählt Colic. Denn die Stoffe seien teuer und das Geld dafür habe sie immer zusammensparen müssen. Und doch lohne es sich durchzuhalten. Anderen jungen Menschen würde sie sagen: «Bleibt einfach dran und lasst euch nicht ablenken.»

Schon hat die inzwischen 19-Jährige die nächsten grossen Pläne. Sie will Anfang nächsten Jahres an der Hochschule in Basel Modedesign studieren und eines Tages ihr eigenes Mode- und Kostümgeschäft eröffnen. Dabei findet sie wichtig, dass man ganz unten anfängt: «Damit man weiss, wie viel Arbeit das alles ist.»

Im Moment arbeitet Colic, die nebenbei Ballett tanzt, an Kostümen für ihre Tanzgruppe. Wenn die Entwürfe fertig gezeichnet und die Stoffe für die Tütüs ausgesucht sind, näht Colic diese auch gleich selbst. «Vor allem Kostüme aus der Schweiz gibt es leider zu wenig, die meisten Sachen werden aus Asien importiert», bedauert Colic.

Mit dem Entwurf dieses Wintermantels hat die Luzernerin Jana Colic vor kurzem bei einem Wettbewerb von «Swiss Fur» gewonnen. (Bild: zvg)

Mit dem Entwurf dieses Wintermantels hat die Luzernerin Jana Colic vor kurzem bei einem Wettbewerb von «Swiss Fur» gewonnen. (Bild: zvg)

«Es gibt sehr wohl eine kunst- und kulturbegeisterte Jugend»

Nicht nur in der Politik gibt es viele junge Menschen, die sich für etwas begeistern können. Anfang Oktober fand das Jungfilmfestival Luzern «Upcoming Film Makers» im «Bourbaki» statt. Das Festival soll junge, einheimische Filmschaffende fördern. 31 Filme von rund 40 Filmemachern waren im Hauptprogramm zu sehen.

Sophie Müller vom Verein «Jungfilm», der das Festival organisiert, erklärt die Idee dahinter: «Mit dem Festival wird Jungfilmenden und Filmbegeisterten einmal jährlich eine Plattform geboten, ihre Werke zu präsentieren, Erfahrungen, Ideen und Anschauungen auszutauschen sowie neue Kontakte zu knüpfen.»

Obwohl es das Festival schon seit 1986 gibt, ist es jung geblieben. Sophie Müller übernahm die Organisation 2012 und stellte ein neues, junges Team auf die Beine, dass fast nur aus Studenten besteht. Auch sonst hat sich seit der Gründung vieles verändert. Es sei dank des Internets einfacher geworden, junge Filmemacher zu finden. «Über Filmplattformen, Facebook und Kontakte mit Schweizer Hochschulen kann man relativ gut junge Filmemacher kontaktieren.»

Zum Festival gehört auch der Klassenfilmwettbewerb für Zentralschweizer Schulen. Dieses Jahr holten sich die Sekundarschüler des Schulhaus Bärenmatt in Ruswil mit ihrem Film «Farbe bringt Freunde» den ersten Preis.

Dass Jugendliche sich nicht für Kultur interessieren stimme nicht, meint Müller: «An den vielen tollen Einsendungen, die wir jedes Jahr erhalten und vor allem auch am motivierten Team, welches das Festival mit Tatendrang organisiert, sehe ich, dass es sehr wohl eine sehr kunst- und kulturbegeisterte Jugend gibt.» Und diesen jugendlichen Eifer müsse man fördern. «Wenn Kreativität und Können des Nachwuchses unterstützt werden, trägt dies zur Bereicherung der Filmwelt bei», so Müller.

Die Gewinnerinnen des Klassenwettbewerbs 2014 aus dem Schulhaus Bärenmatt Ruswil. V.l.n.r. Mirjam Müller, Julia Stirnimann, Siriam Kwangthon und Anja Erni. (Bild: zvg)

Die Gewinnerinnen des Klassenwettbewerbs 2014 aus dem Schulhaus Bärenmatt Ruswil. V.l.n.r. Mirjam Müller, Julia Stirnimann, Siriam Kwangthon und Anja Erni. (Bild: zvg)

Raupen-Volière und Seifenkisten

Kein Computer und kein Handy weit und breit. Dafür ist tüfteln, basteln und werken angesagt. Seit Mai 2014 gibt es in Luzern das «Tüftelwerk», um bei den Kleinen den Forschungsgeist anzuregen. Diese «Freizeit-Universalwerkstatt» an der Unterlachenstrasse 5 ist ein Projekt der «Albert Koechlin Stiftung» und steht allen Kindern zwischen 9 und 19 Jahren aus der Innerschweiz kostenlos offen.

«Die Werkstatt ist sehr beliebt bei den Kindern», so Leiterin Andrea Erzinger. So beliebt, dass die wöchentlichen Einführungskurse bis Ende Jahr ausgebucht sind und es eine Warteliste gibt. «In den Kursen lernen die Kinder die Sicherheitsregeln und wie man mit Maschinen umgeht,» so Erzinger. Danach können sie sich selbständig austoben.

Anfangs seien eher die Eltern auf das Angebot aufmerksam geworden, nun habe es sich jedoch unter den Kindern und ihren Freunden herumgesprochen. «Die Kinder sind extrem motiviert und einige kommen sogar drei Mal in der Woche zu uns», so Erzinger.

Die Werkstatt sei auch eine Antwort auf ein Bedürfnis. Erzinger: «Heute gibt es immer weniger Leute, die handwerkliche Berufe ausüben.» Man wolle den Kindern zeigen, dass man auch mit den Händen arbeiten kann.

In der Werkstatt können die kleinen Handwerker ihre eigenen Ideen umsetzen. So arbeite zurzeit ein Mädchen an einer Volière für Raupen, damit sich diese jetzt verpuppen können, um dann im Frühling zu schlüpfen. «Zwei Jungen sind zurzeit daran Seifenkisten zu bauen und eine anderer versucht sich an einem Flipperkasten», so Erzinger. Die Kinder werden beim Tüfteln von Coaches und ehrenamtlichen Fachkräften unterstützt und helfen sich gegenseitig.

Im «Tüftelwerk» arbeiten auch Senioren mit handwerklichem Hintergrund und erklären den Kindern, wie sie ihre Ideen umsetzen können. (Bild: zvg)

Im «Tüftelwerk» arbeiten auch Senioren mit handwerklichem Hintergrund und erklären den Kindern, wie sie ihre Ideen umsetzen können. (Bild: zvg)

Jede Generation klagt über die nächste

«Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.» Man sagt, dieses Zitat stamme von Sokrates und hätte somit einige Jahre auf dem Buckel. Und es zeigt auf, dass das Phänomen keineswegs neu ist: Jede Generation verteufelt die darauffolgende und diese wiederum verteufelt die nächste Generation junger Menschen. Doch es gibt immer Jugendliche, die von sich aus etwas auf die Beine stellen und solche, die man erst motivieren muss. Dazu braucht man sie nur richtig abzuholen – auch in Luzern.

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