Veränderte Kundenbedürfnisse

Was ist dran am Abbau des Service Public auf dem Lande?

Bankomat, E-Banking, elektronische Kommunikation. Schalter werden immer weniger gebraucht. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Wer braucht noch einen Schalter? Einzahlungen geschehen via Onlinebanking, Briefe werden als E-Mails verschickt und Bahntickets mit dem Smartphone gekauft. Während Banken mit Filialschliessungen reagieren, versucht sich die Post mit alternativen Geschäftsmodellen dem Zeitgeist anzupassen. Leidtragende sind nicht selten die ländlichen Regionen. Alleine im Kanton Luzern schlossen in den letzten Jahren 17 Bankfilialen.

Die Empörung in Allenwinden ist gross. Im Dorf, das zur Gemeinde Baar gehört, wurde die Filiale der Raiffeisenbank geschlossen. Damit verschwindet nicht nur die einzige Bank im ländlichen Ort, sondern zugleich auch der einzige Bankomat. Die Einwohner müssen von nun an nach Baar oder Zug ausweichen, um Bargeld zu beziehen, Einzahlungen zu tätigen oder sich beraten zu lassen. Für den Verein Pro Allenwinden ist dieser Entscheid eine Zumutung. Mit einem Schreiben an die Raiffeisenbank versuchte sich der Verein gegen die Schliessung zu wehren. Vergeblich.

Auf ihrer Webseite begründet die Raiffeisenbank die Schliessung mit dem veränderten Kundenverhalten: «Die hohe Mobilität der Kunden, das dichte Netz an Bankomaten und die zunehmende Nutzung der E-Banking-Dienstleistung führten dazu, dass die Schaltertransaktionen der Geschäftsstelle Allenwinden in den letzten Jahren massiv rückläufig waren.» Eine Erklärung, die die Einwohner von Allenwinden wohl kaum besänftigen dürfte. Zurzeit gibt es im Kanton Zug insgesamt 36 Bankfilialen. Das muss reichen.

Schrumpfende Kundenzahlen in Bank- und Poststellen

Aber damit beschreibt Raiffeisen einen Trend, der sich in den letzten Jahren immer deutlicher manifestiert hat: die Möglichkeit der elektronischen Kommunikation macht den Gang an den Schalter oft überflüssig. Insbesondere in ländlichen Gebieten, so der Anschein, schrumpfen die Kundenzahlen in Bank- oder Poststellen stetig. Gähnend leere Filialen, gelangweiltes Personal hinter den Schaltern und überflüssige Kosten, zwingen die Unternehmen zum Leistungsabbau. Viele Dienstleistungen, die früher nur durch das Personal an den Schaltern bezogen werden konnten, können heute bequem von zuhause oder per Smartphone von überall aus erledigt werden. In der Allenwindener Raiffeisenbank wurden zuletzt nicht einmal mehr zehn Transaktionen pro Tag abgewickelt.

Daran arbeiten die Anbieter nicht selten aktiv mit. Mit verkürzten Öffnungszeiten organisiert sich die berufstätige Bevölkerung anderweitig und weicht auf die Filiale am Arbeitsort oder Internet-Dienstleistungen aus. Und sorgen damit für den genannten Rückgang der Frequenzen, was wiederum die Grundlage für den Schliessungsentscheid bildet.

Auch im Kanton Luzern kam es in den vergangenen zwei Jahren zu mehreren Schliessungen. Die Raiffeisenbank schloss Geschäftsstellen in Grossdietwil sowie Reussbühl. Die Valiant Bank legte die Filialen von Beromünster, Rain und Wauwil zusammen und die Luzerner Kantonalbank wandelte ihre Geschäftsstelle im Emmen Center in eine Selbstbedienungsbank um. Zwar haben diese Gemeinden jeweils noch Alternativen und müssen nicht – wie im Zugerischen Allenwinden – ins nächste Dorf, um eine Bank oder gar einen Bankomaten zu finden. Jedoch lassen sich auch im Kanton Luzern Leistungsanpassungen aufgrund der veränderten Kundenbedürfnisse nicht von der Hand weisen. Zurzeit gibt es im Kanton Luzern 103 Bankfilialen. Im Jahr 2000 waren es noch 120 – ein Rückgang von gut 14 Prozent.

Die Post reagiert mit Agenturen und Hausservice

Aber nicht nur Banken reagieren auf das veränderte Verhalten der Kunden durch Leistungsabbau, auch die Post passt ihr Angebot dem digitalen Zeitgeist an. Der unaufhaltsame Siegeszug von E-Mail und E-Banking sowie die Konkurrenz auf dem Postmarkt führten zu einem massiven Rückgang des klassischen Kerngeschäfts: Seit dem Jahr 2000 wurden in der Schweiz 63 Prozent weniger Briefe und 47 Prozent weniger Pakete über die Post versendet – auch wenn der Paketverkehr zuletzt dank dem massiv steigenden Internet-Versandhandel wieder zulegte. Zudem gingen die Einzahlungen am Schalter um 30 Prozent zurück.

Mit Postagenturen und dem Hausservice bietet die Post nun alternative Leistungsmodelle an. Bei Agenturen wird eine kleine Poststelle in ein Geschäft – meist der Dorfladen –  integriert. Beim Hausservice liefert der Postbote nicht nur die Post aus, sondern nimmt Briefe, Pakete und Einzahlungen entgegen oder verkauft Briefmarken. Ersatzlose Schliessungen von Poststellen können dadurch auf ein Minimum begrenzt werden. In der Zentralschweiz wurde in den letzten fünf Jahren lediglich eine Filiale der Post geschlossen.

«Wir verstehen Agenturen oder Hausservice nicht als Leistungsabbau»

Der Grundbedarf an Postdienstleistungen wird also weiterhin gewährleistet, die Angebotspalette – je nach Modell –  jedoch eingedampft. Von verminderten Leistungen will die Post aber nicht sprechen, die Alternativen zur klassischen Poststelle würden auch Vorteile mit sich bringen, wie Post-Sprecherin Yvonne Raudzus erklärt: «Wir verstehen eine Agentur oder ein Hausservice nicht als Leistungsabbau, denn sie sind eine weiterhin kundenfreundliche Alternative zu wenig genutzten, oft kleinen Poststellen. Viele Agenturen haben beispielsweise längere Öffnungszeiten als die Poststellen, da sie in einen Laden integriert sind. Der Hausservice ist vor allem für ältere Personen einen Erleichterung. Sie können direkt beim Pöstler Bargeld beziehen oder Ihre Sendungen aufgeben.» Dies zeige sich auch an den sehr guten Kundenzufriedenheitswerten, so Raudzus.

Mittlerweile zählt die Post schweizweit rund 550 Agenturen und 1250 Hausservices. Die meisten Postagenturen und Hausservice-Angebote seien im Einvernehmen mit den betreffenden Gemeinden eingeführt worden. «Dies belegt wiederum, dass der Wandel in der Wahrnehmung von solchen Alternativen in vollem Gang ist», sagt Yvonne Raudzus. Im Kanton Luzern finden sich nebst den 70 klassischen Poststellen 29 Agenturen und 37 Hausservices. Der Kanton Zug hat je drei Agenturen und Hausservices sowie 16 Poststellen.

Kaum Veränderungen bei den SBB

Die Entwicklung im Kundenverhalten, die Digitalisierung sowie die erhöhte Mobilität bekommt also auch die Post stark zu spüren. Dabei sei das veränderte Verhalten der Kunden in ländlichen Gebieten nicht selten stärker als in der Stadt, sagt Raudzus, fügt aber gleich an: «Der Wandel findet überall statt. Von den Einbrüchen an den Postschaltern sind wir sowohl auf dem Land als auch in den Städten betroffen.» Wo schliesslich, welches Dienstleistungsmodell eingesetzt wird, werde jeweils einzeln geprüft. Massgebend dabei seien die Nutzung, die Situation am Standort sowie das Umfeld. Über das gesamte Verkaufsnetz gesehen sei die beste Lösung immer ein Mix von unterschiedlichen Angeboten, welcher den unterschiedlichen lokalen Situationen gerecht wird, so die Postsprecherin.

Nebst den Banken und der Post müsste eigentlich auch die SBB vom neuen Kundenverhalten betroffen sein. Immer modernere Billettautomaten sowie elektronische Tickets und Fahrpläne machen den Gang an den Schalter überflüssig. Gerade auf dem Land, so könnte man meinen, werden die Schalter durch Automaten, Apps und Online-Informationen ausgetauscht. Dem ist nicht so, jedenfalls nicht in der Zentralschweiz. Bisher konnte sich die SBB dem Trend des Leistungsabbaus entziehen. Gemäss SBB-Sprecher Reto Schärli sei es im Kanton Luzern in den vergangenen fünf Jahren ­– ausser der neuen Zentralbahn-Haltestelle «Luzern Allmend» – zu keiner Veränderung gekommen. Und im Kanton Zug, so Schärli, habe man lediglich den Bahnhof Steinhausen auf Selbstbedienung umgestellt.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von PLi
    PLi, 12.11.2013, 10:12 Uhr

    , denn die grossen Veränderungen fanden hier bereits vor 10 Jahren statt. Die allermeisten Bahnhöfe wurden damals bereits auf Selbstbedienung umgestellt. So ist es kein Wunder, wenn es in den letzen 5 Jahren zu keinen Veränderungen mehr kam.

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