Regierungsräte im Interview 2: Peter Hegglin

«Ich bin beides, sowohl ein Kontrollmensch als auch kreativ»

Zug habe nie massiv Steuern gesenkt, sagt Peter Hegglin, und man sei jetzt auf dem tiefsten möglichen Punkt angelangt. (Bild: Manuel Gautschi)

Der Zuger Finanzdirektor Peter Hegglin tritt zur Wiederwahl an. Was ist ein guter Finanzdirektor? Im Video-interview muss er spontan drei Kurzantworten liefern und sich einer scharfen Behauptung stellen: Ist er ein Verwalter ohne Vision, der einfach die Finanzpolitik seiner Vorgänger betreibt?

zentral+: Herr Hegglin, was ist in Ihrer Zeit als Finanzminister bisher der grösste Erfolg, den Sie erreicht haben?

Peter Hegglin: Als ich angefangen habe, hatte der Kanton Zug ein Eigenkapital von 288 Millionen Franken. Heute ist es über 1.1 Milliarden Franken. Dass es mir gelungen ist, in den letzten Jahren diese Eigenmittel aufzubauen, das ist ein schöner Erfolg. Wir konnten den Kanton in seiner Bilanz massiv verstärken, wir stehen gesund da. Nur sind diese Eigenmittel jetzt wieder bedroht, vor allem auch durch die hohen Abgaben für den nationalen Finanzausgleich (NFA). Es gilt jetzt ein allfälliges strukturelles Defizit zu vermeiden.

zentral+: Muss denn ein Kanton überhaupt so viele Eigenmittel haben?

Hegglin: Nein, das muss er nicht: Wir sind ja keine Bank. Aber das Eigenkapital ist ein ganz wichtiger Puffer, jetzt, wo es der Wirtschaft schlechter geht als im letzten Jahr. Gleichzeitig ist die Belastung durch den NFA markant gestiegen. Zudem sollte man anstehende Investitionen wenn möglich aus dem Eigenkapital finanzieren können, ohne sich verschulden zu müssen.

zentral+: Was ist der grösste Flop, den Sie als Finanzdirektor haben hinnehmen müssen?

Wer ist Peter Hegglin?

Peter Hegglin ist seit zwölf Jahren Finanzminister des Kantons Zug. Davor war er von 1991 bis 2002 Kantonsrat und ab 1999 auch Gemeinderat von Menzingen. Für den Regierungsrat hat der ehemalige Biobauer 2002 seinen Bauernhof aufgegeben, den er seit 1987 selbständig betrieben hatte. Zudem war Hegglin Präsident des Zuger Bauernverbandes und Vizepräsident des Schweizer Bauernverbandes. Der 54-Jährige ist Vater von vier Kindern und Hobby-Imker.

Hegglin: Mein grösster Frust liegt beim NFA: Der Kanton zahlt 60 bis 70 Millionen Franken zu viel in den Ausgleich ein. Statt 320 wären rund 260 Millionen Franken angemessen. Seit 2008 ist unsere Steuerkraft um 40 Prozent gewachsen, die Abgaben an den Finanzausgleich jedoch um 75 Prozent. Das geht nicht auf. Unsere Argumente werden zwar gehört: Es klopfen uns alle immer auf die Schulter und sagen, ja stimmt schon, aber schlussendlich stimmen sie im Parlament anders ab. Es geht ihnen natürlich um den eigenen finanziellen Vorteil.

zentral+: Sind Sie als Finanzdirektor zu schwach für den interkantonalen Wettbewerb?

Hegglin: Nein. In Anbetracht der Tatsache, dass wir Geberkantone zu neunt 17 Nehmerkantonen gegenüber stehen, konnten wir schon einiges erreichen, schon viel sensibilisieren. Früher wurden meine Änderungsvorschläge mit fünf zu 21 Stimmen abgelehnt, heute sind es vielleicht zehn zu 14. Das zeigt, dass ich schon sehr viel habe bewegen können.

«Wir sind sicher stark, aber nicht reich. Zug ist nicht pompös, es ist bescheiden geblieben.»

Peter Hegglin, Finanzdirektor

zentral+: Wie passt es zum Finanzdirektor eines der reichsten Kantone, sich über die solidarischen Abgaben zu beschweren?

Hegglin: Wir sind für den NFA und wir zahlen gerne einen fairen Betrag. Weil aber offensichtliche Systemfehler nicht korrigiert werden, müssen wir überrissene Beiträge leisten. Dort wehren wir uns. Jeder NFA-Franken muss zuerst verdient sein. Wir haben zwar ein grosses Ressourcenpotential, aber reich sind wir deshalb nicht.

zentral+: Ernsthaft?

Hegglin: Wir sind sicher stark, aber nicht reich. Gehen Sie durch den Kanton, Zug ist nicht pompös, es gibt keine Prunkbauten, Zug ist bescheiden geblieben.

zentral+: Herr Hegglin, was macht einen guten Finanzdirektor aus?

Hegglin: Ein guter Finanzdirektor schaut, dass die Einnahmen stimmen. Mit diesen kann der Kanton seine Leistungen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern erbringen. Ein guter Finanzdirektor ist aber auch der Warner, der schaut, dass man nicht zu viel macht oder zu viel investiert. Er verwaltet Mittel, Rechnung und Budget so, dass der Kanton langfristig gesund da steht.

zentral+: Das klingt nicht sehr kreativ. Sind Sie ein Kontrollmensch?

Hegglin: Ich bin beides, sowohl ein Kontrollmensch als auch kreativ. Als ich vor 24 Jahren mit der Politik angefangen hatte, dachte ich nicht, dass ich meine Hauptaufgabe in den Finanzen finden würde. Aber es ist mir nie langweilig geworden. Sehen Sie: Am Schluss müssen alle anderen Direktionen mit ihren Projekten bei mir vorbei. Wäre ich nicht der Finanzdirektor, müsste ich beim Finanzdirektor vorbei (lacht).

zentral+: Wo können Sie denn kreativ werden?

Hegglin: Es geht um Strategien, darum Entwicklungen aufzufangen oder abzuwenden. Und es gibt als Finanzdirektor viele verschiedene Aufgaben, von der Finanz- und Steuerpolitik über das Personal bis zur Informatik.

«Zug ist kein Raubtier, der Kanton stellt sich dem Wettbewerb.»

Peter Hegglin, Finanzdirektor

zentral+: Der Kanton Zug verfolgt seine Tiefsteuer-Politik nun schon recht lange, braucht es nicht langsam neuen Ideen darüber, wie Zug erfolgreich bleiben kann?

Hegglin: Die Steuern sind nur ein Teil des Standortvorteils. Die Welt ist viel transparenter geworden, man kann sich nicht mehr nur über die Steuerhöhe qualifizieren. Gerade bei den momentanen internationalen Diskussionen über Steuergerechtigkeit und über Informationsaustausch. Wichtig sind zum Beispiel auch die Sicherheit, das Sozialwesen oder die Bildung. Man muss das entsprechend justieren.

zentral+: Aber gerade jetzt geht der Kanton ja in eine Sparrunde, will bei Bildung, ÖV und Service Public 80 bis 100 Millionen Franken sparen, damit die Steuern nicht rauf müssen.

Hegglin: Ja, der Kanton muss sparen, und man muss sich nun fragen, wie viel uns die Mehrleistungen wert sind, die Zug im Moment im Vergleich mit anderen Kantonen erbringt. Eine Analyse zeigt auf, dass wir im Vergleich in gewissen Bereichen überdurchschnittlich hohe Leistungen erbringen und zum Teil auch überdurchschnittliche Kosten haben.

zentral+: Ist der Kanton Zug ein Raubtier, das anderen Standorten Firmen abzieht? Ginge das nicht auch anders?

Hegglin: Der Kanton Zug ist kein Raubtier, er stellt sich dem Wettbewerb. Die Frage ist: Was ist angemessen. London, New York, Singapur, das ist unsere Konkurrenz. Zudem haben wir für die Ansiedlung einer Unternehmung noch nie eine Steuerbefreiung gewährt. Im Gegenzug wurden uns von anderen Staaten und vereinzelt auch Kantonen Firmen mit Steuergeschenken in zweistelliger Millionenhöhe abgeworben, das haben wir nie gemacht. Und zum Teil zahlen die Firmen bei uns auch mehr Steuern als anderswo, und kommen trotzdem, aufgrund der Rechtssicherheit und anderer Faktoren.

zentral+: Der Kanton erhält zirka zehn Prozent seiner Steuereinnahmen von Rohstoff-Handelsfirmen, die ihre Gewinne per Transfer-Pricing in Zug versteuern, oft aber ihre Büros und Mitarbeiter in anderen Ländern haben. Und dort die Infrastruktur nutzen. Ist das ein integres Geschäftsmodell für den Kanton Zug?

Hegglin: Wir bauen auf Unternehmen, die mit Substanz vor Ort vertreten sind und das schon seit Jahren. Viele dieser Handelsgesellschaften beschäftigen denn auch hunderte von Mitarbeitenden im Kanton. Ich glaube nicht, dass der Kanton Zug beurteilen kann, inwiefern das Transfer Pricing, dass ja in der Branche Standard ist, korrekt festgelegt ist. Wir veranlagen die Steuern aufgrund der Jahresabschlüsse dieser Firmen, diese Jahresabschlüsse sind testiert und werden auch an anderen Firmenstandorten, wie London oder New York aufgelegt. Schlussendlich muss diese Frage allerdings auf Bundesebene geklärt werden. Und ich meine: Auch wenn diese Firmen nicht mehr da wären,  würde einfach an einem anderen Ort gehandelt. Nachdenklich stimmt mich, dass wir zwar für den Rohstoffhandel kritisiert werden, die daraus resultierenden Gelder nehmen aber dann doch alle über den NFA gerne an.

zentral+: Zu Ihrer Kandidatur: Man fragt sich im Hinblick auf die Ständeratswahlen im nächsten Jahr, bleibt Hegglin überhaupt Regierungsrat, wenn wir ihn wählen, oder wandert er nach einem Jahr nach Bern ab?

Hegglin: Ich stelle mich für die nächste Legislatur als Regierungsrat zur Verfügung. Damit die Wahl zum Ständerat überhaupt zur Diskussion stünde, müsste ich ja auch erst mal von meiner Partei nominiert werden. So weit schaue ich aber gar nicht.

zentral+: Würden Sie das Amt als Regierungsrat gegen den Ständerat überhaupt tauschen wollen?

Hegglin: Eine gute Frage, mir gefällt meine Aufgabe hier sehr. Ich bin einer von sieben, im Ständerat wäre ich einer von 46. Andererseits bin ich nun schon seit 12 Jahren in der Regierung, das ist eine lange Zeit, und das Amt braucht mehr Energie als ein Ständeratsmandat. Vom Alter her könnte ich mir theoretisch überlegen, einen Gang retour zu schalten. Ich habe aber noch viel Schaffenskraft, möchte noch einiges tun. Dieses Jahr ist so viel gelaufen, das gefällt mir.

zentral+: Die finanziell guten Jahre sind vorbei, jetzt muss gespart werden. Was wäre Ihre Strategie für die nächste Legislaturperiode?

Hegglin: Ich stehe hin, in guten wie auch in schlechten Zeiten. Und versuche, in beide Richtungen nicht zu übertreiben. Auch nicht mit Steuersenkungen. Ich habe immer wieder davor gewarnt, in guten Zeiten die Steuern zu weit zu senken. Das zahlt sich jetzt aus. Aktuell sieht es zwar viel schwieriger aus, trotzdem soll man nicht überreagieren. Man muss jetzt die Nerven behalten, und das Notwendige vom Wünschbaren unterscheiden. Um den Staatshaushalt zu entlasten.

zentral+: Keine neuen Steuersenkungen also unter Hegglin?

Hegglin: Zug hat nie massiv Steuern gesenkt, bei den Unternehmenssteuern haben wir immer nur um einen Viertel Prozentpunkt pro Jahr gesenkt. In meiner Amtszeit sind wir somit von rund 17 auf aktuell 14.7 Prozentpunkte gegangen. Andere Kantone haben in der gleichen Zeit die entsprechende Steuerbelastung halbiert, von 19 auf zehneinhalb Prozentpunkte hinunter. Das ginge gar nicht, dass wir so weit hinunter gehen. Unter den jetztigen Voraussetzungen sind wir am tiefstmöglichen Punkt angelangt. Mit der Unternehmenssteuerreform III werden jetzt aber neue Verhältnisse geschaffen. Da bestünde die Möglichkeit, etwas hinunter zu gehen, etwa auf zwölf Prozent, auf ein Niveau wie etwa in Irland. Aber auf zehneinhalb Prozentpunkte werden wir kaum gehen können.

zentral+: Wenn Sie durch den Kanton fahren, sehen Sie da nur noch Ressourcenpotential und angezogene Steuerzahler?

Hegglin: Auf keinen Fall, ich sehe flotte Leute, den schönen See, die Landschaft.

zentral+: Sie waren früher Landwirt, jetzt sind Sie Finanzdirektor. Haben Sie noch eine Verbindung zu Ihrem alten Beruf?

Hegglin: Den Bauernhof bei mir zuhause, die Natur. Die ist mir sehr wichtig, gerade wenn ich den ganzen Tag im Büro sitze. Ich habe noch meine Bienenvölker, auch wenn für sie nicht viel Zeit bleibt. Zum Glück habe ich nur gerade zwölf Minuten Arbeitsweg, da kann ich auch schnell am Mittag zu den Bienen schauen.

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