Kaum politisches Engagement für Einheitskasse

Zentralschweizer Ärzte üben sich in Zurückhaltung

Bisher äussern sich kaum Zentralschweizer Ärzte öffentlich zur Initiative. (Bild: bra, Symbolbild)

Die Abstimmung für die Einheitskasse ist schon zwei Monate vor dem Urnengang in aller Munde. Die Initianten werden durch ein fast 500-köpfiges Ärztekomitee unterstützt. Nicht so in der Zentralschweiz. Gerade einmal vier Ärzte setzen sich öffentlich für die Initiative ein. Woher kommt die noble Zurückhaltung?

Die Volksinitiative, die 2012 eingereicht wurde, will, dass die Krankenversicherung zukünftig durch eine einheitliche, nationale, öffentlich-rechtliche Einrichtung organisiert wird. Die Liste der befürwortenden Ärzte aus der Westschweiz und Bern ist lang. In Zug, Nidwalden und Obwalden engagiert sich jedoch kein Arzt offiziell und öffentlich beim mittlerweile fast 500-köpfigen Ärztekomitee. Aus Uri sind zwei Ärzte dabei, aus Luzern vier. Woran liegt es, dass die Zentralschweizer Ärzte derart untervertreten sind?

Klares Bild

Nico van der Heiden, stellvertretender Geschäftsführer des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärzte VSAO, sieht die Gründe in der politischen Ausrichtung: «Die Zentralschweiz ist politisch konservativer, was sich auch bei dieser Initiative bemerkbar macht.» Für ihn wäre es definitiv keine Überraschung, wenn die Zustimmung zur Initiative in der Zentralschweiz tiefer ausfallen würde als in anderen Regionen.

Regula Wiesmann, Ärztin und Präsidentin des VSAO Zentralschweiz bestätigt dieses Bild. Die Bernerin nimmt die Region ebenfalls eher konservativ wahr. «Die Initiative wird, so wie ich die Zentralschweiz kennengelernt habe, einen relativ schweren Stand haben», bedauert die Befürworterin der Initiative und erklärt: «Dieses Bild ergibt sich, wenn man beispielsweise die Parteiverteilung in den Kantonen Zug und Schwyz betrachtet.» Die SVP und die FDP dominierten in den besagten Kantonen die Wahlen und hätten sich sehr geschlossen gegen die Initiative geäussert.

Mehr Gegner als Befürworter

In der Westschweiz und in Bern engagieren sich, im Gegensatz zur Zentralschweiz, überdurchschnittlich viele Ärzte für oder auch gegen die Initiative. Michael Sorg, Medienverantwortlicher des Initiativkomitees, kann diese Tatsache gut nachvollziehen: «In der Westschweiz hat die Initiative mehr Rückenwind, da sich in den letzten Jahren die Skandale und schwarzen Schafe im Bereich der Krankenkassen vor allem dort bemerkbar gemacht haben.» Durch Skandale mit privaten Krankenkassen in der Romandie sei die Bevölkerung seit einigen Jahren auf das Thema sensibilisiert.

Bei den Gegnern der Initiative sind aus der Zentralschweiz einige Ärzte mehr im Komitee aufgeführt. Matthias Leitner, Wahlkampfkoordinator der FDP, verwundern die regionalen Unterschiede nicht: «Grundsätzlich ist die grössere Zustimmung in der Romandie darauf zurückzuführen, dass mehr Vertrauen in den Staat gesetzt wird. In der Deutschschweiz ist man da, meiner Meinung nach gerade in diesem Fall zurecht, kritischer.»

Nicht mit Patienten verscherzen

Doch liegt das tiefe Engagement der Zentralschweizer Ärzte nur am fehlenden Vertrauen, oder wollen sie sich einfach nicht politisch äussern? Regula Wiesmann ist überzeugt: «Viele Ärzte halten sich in der Öffentlichkeit mit politischen Äusserungen eher zurück. Man will es sich ja nicht mit den Patienten oder Kollegen verscherzen.» Doch viele hätten nicht einmal die Möglichkeit, sich politisch zu engagieren: «In den Spitälern sind sehr viele Angestellte keine Schweizer und daher gar nicht stimmberechtigt», so Wiesmann. Auch deshalb würden politische Themen innerhalb des Berufskreises leider sehr wenig thematisiert, bedauert die Präsidentin des Zentralschweizer VSAO.

Zur Initiative

Das Komitee reichte die Initiative für eine öffentliche Krankenkasse 2012 ein. Abgestimmt wird am 28. September 2014.

Ziel ist es, die soziale Krankenversicherung von einer einheitlichen, nationalen, öffentlich-rechtlichen Einrichtung führen zu lassen. Die Volksinitiative setzt sich damit für die gesetzliche Abschaffung von privaten Krankenkassen in Bezug auf die gesundheitliche Grundversorgung ein.

Oder man ist sich auch nicht einig. Wie in der Verbindung der Schweizer Ärzte FMH oder bei Hausärzte Schweiz stellt sich im Vorstand der Zuger Ärztegesellschaft die eine Hälfte für, die andere Hälfte gegen eine öffentliche Krankenkasse. Deshalb haben sich diese drei auch zur Stimmfreigabe entschieden.

Michael Sorg vom Initiativkomitee weiss: «In der Deutschschweiz haben wir definitiv noch Nachholbedarf.» Doch der Ball liege hauptsächlich bei den Verbänden. «Die Ärzte sind jeweils kantonal organisiert. Wir informieren die Verbände und diese wenden sich anschliessend persönlich an die Ärzte. Wir gehen nicht auf jede Praxis und jede Klinik separat zu.» Trotzdem würden sich viele Ärzte von sich aus melden, um dem Komitee beizutreten. Halt eben nur nicht in der Zentralschweiz.

Junge Ärzte stehen weiter links

Die Befürworter und Initianten sowie die Gegner der Initiative haben Ärzte im Komitee, die öffentlich argumentieren. Der Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärzte spricht sich beispielsweise für die Initiative aus. Van der Heiden: «Natürlich waren sich auch bei uns nicht alle einig.» Schliesslich habe man sich aber dafür entschieden. «Die jungen Ärzte stehen politisch tendenziell weiter links als die älteren. Daher ist die Zustimmung in unserem Verband relativ hoch ausgefallen.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Werner Raymond Duss
    Werner Raymond Duss, 09.08.2014, 22:06 Uhr

    Falls diese Initiative angenommen wird, haben sich die Krankenkassen das selber zuzuschreiben. Das Affentheater mit der Jagd auf gute Risiken mit nervigen Anrufen von dubiosen, inkompetenten Leuten und teuren Werbekampagnen hat dann endlich ein Ende. So mancher Stimmbürger wird nur deswegen ein Ja einlegen. Und wieso soll bei der Krankenkasse nicht funktionieren was bei der Suva ganz gut funktioniert?

    Ich selber habe mich noch nicht entschieden. Ich tendiere jedoch zu einem Ja.

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  • Profilfoto von Christina_Wettstein
    Christina_Wettstein, 08.08.2014, 11:48 Uhr

    Wie der Artikel darlegt, gehen die Ärzte gespalten in der Abstimmungskampf. Im Gegensatz zum VSAO, hat der Dachverband FMH die Stimmfreigabe beschlossen. Die Gegner der Einheitskasse fürchten sich vor der Abhängigkeit eines Monopolbetriebs. Die befürwortenden Ärzte erhoffen sich hingegen weniger Bürokratie und mehr Zeit für die Patienten. Allerdings sind die Versicherer dazu verpflichtet, zu überprüfen, ob eine Behandlung wirklich zweckmässig ist. Bezahlt wird diese ja von den Versicherten und nicht von den Patienten oder den Ärzten. Das würde sich auch bei einer Einheitskasse nicht ändern. Hinzu kommt: Weil parallel dazu weiterhin Zusatzversicherungen existieren, würden diese Anbieter nach wie vor bei den Ärzten Angaben einfordern. Darum ist fraglich, ob der Aufwand für Administration bei einer Einheitskasse tatsächlich geringer ausfallen wird.

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