Steuerinitiative Luzern

Leichtes Unterschriftensammeln für die Luzerner SP

Argumentieren und überzeugen: SP-Parteipräsidentin Felicitas Zopfi beim Unterschriftensammeln. (Bild: rom)

So viel Zuspruch ist geradezu unheimlich. Den Luzerner Sozialdemokraten fliegen die Unterschriften für ihre Steuerinitiative nur so zu. Ein Augenschein beim Unterschriftensammeln.

Ein kleingewachsener Mittfünziger sagt es so deutlich, dass alle Umstehenden es hören können. «Ich bin nicht für die SP», sagt er, «aber diese Initiative will ich jetzt unbedingt unterschreiben.» Er nimmt das Klemmbrett mit dem Initiativbogen und schreitet zur Tat.

Es ist Samstagmorgen beim Helvetiagärtli in der Stadt Luzern, ein Treffpunkt für viele. Wer auf den kleinen Markt geht, ist offen für einen Schwatz, andere eilen schnurstracks in die Migros gleich nebenan. An der Ecke Helvetiagärtli-Kaufmannweg stehen ein halbes Dutzend SP-Vertreterinnen und -Vertreter mit Klemmbrett und Unterschriftenbogen. Sie sammeln Unterschriften für eine andere Steuerpolitik.

190’000 Franken Steuern

Der kleingewachsene Mittfünziger ist braun gebrannt, er führt einen kleinen weissen Hund mit grossen braunen Flecken an der Leine. Seine Frau steht mit einem prall gefüllten Einkaufswagen etwas abseits, sie drängt nach Hause und wartet ungeduldig.

Aber der Mann bleibt noch einen Moment beim Helvetiagärtli stehen und redet sich in Rage. «Die Halbierung der Unternehmenssteuern war ein Fehler», sagt er, «sie zieht dubiose Firmen an.» Als Folge stecke der Kanton nun in der Klemme und präsentiere Sparpaket um Sparpaket.

Der Mann ist wohl eine Ausnahme. Er sei vermögend, sagt er. «Ich bin selbständigerwerbend und ich zahle 190’000 Franken Steuern im Jahr, aber ich bin nicht dafür, dass Unternehmen geschont werden. Am Ende muss der Mittelstand dafür bezahlen. Das muss korrigiert werden.» Die Solidarität verschwinde, und das sei nicht gut. Darum habe er die Initiative der SP unterschrieben.

Unbehagen in Bevölkerung

«Es läuft sehr gut», sagt Felicitas Zopfi, die gerade von einer älteren Frau das Klemmbrett zurück bekommt, «die meisten Leute finden, dass es richtig ist, die Vermögens- und Unternehmenssteuern wieder anzuheben.» Und Rolf T. Spörri, ein ehemaliger SP-Stadtrat und heute pensioniert, stellt fest: «Bei vielen Leuten im Kanton kommt der Gedanke, dass die Steuerstrategie in die Hosen gegangen ist. Der Kanton beharrt zwar noch auf dieser Politik, aber die Leute merken, dass es letztlich auf eine Umlagerung der Lasten von Oben nach Unten hinausläuft.» Der Kanton habe sich verkalkuliert und verspekuliert.

Ein älterer Mann in blassrosa Jacke und Schirmmütze hat ebenfalls unterschrieben. Er habe nie viel verdient und mit seiner Frau sechs Kinder gross gezogen, erzählt er, jetzt sei er pensioniert und erhalte nur noch 80 Prozent seines früheren Lohnes. «Aber Steuern zahlen muss ich immer noch gleich viel», ärgert er sich.

Im Gegensatz zu früher könne er keine Berufsabzüge mehr geltend machen. Die Folge sei, dass er bei weniger Einkommen immer noch gleich viel Steuern bezahlen müsse. «Die Oberen schanzen sich Vorteile zu, und die unten sollen dafür bezahlen», ist sein Fazit. Das Gleichgewicht in der Gesellschaft gerate aus den Fugen.

Lasten abwälzen

Auch eine schwarz gekleidete Mitfünzigerin macht bei den Unterschriftensammlerinnen und –sammlern Halt. Sie ist schlecht zu Fuss und zieht einen Einkaufswagen hinter sich her. «Ich habe mich nie mit diesem Thema beschäftigt», sagt sie, «aber ich habe unterschrieben, weil ich finde, dass man nicht alles auf uns kleine Leute abwälzen kann. Ich kann ja meine Lasten auch nicht nach unten weiterreichen.» Die Frau sagt, sie sei IV-Rentnerin und müsse mit 1’800 Franken im Monat auskommen. «Ich lebe mit ganz wenig.»

Oft bleiben Leute lange bei den Unterschriftensammlerinnen und –sammlern stehen und lassen sich die Intiative erklären. Zum Beispiel von Parteipräsidentin Felicitas Zopfi. Sie argumentiert, die Steuern seien mehrfach für natürliche Personen und für Unternehmen gesenkt worden. Dabei seien aber die Steuern für Unternehmen überproportional um 62 Prozent reduziert worden.

Anreize für Unternehmen

An der Ecke Helvetiagärtli-Migros steht ein junges Paar, die Frau hat sofort unterschrieben, der junge Mann mit einem gepflegten kurzen Bart zögert und lässt sich Zeit mit der Unterschrift. «Ich bin Kleinunternehmer», sagt er, «und ich finde es schon richtig, steuerliche Anreize zu schaffen für Unternehmen.»

Doch gleichzeitig sei er sich nicht sicher, ob die Taktik des Kantons aufgehe. «Die Steuern senken und als Folge davon in der Bildung sparen ist problematisch», sagt der Kleinunternehmer, «denn die Bildung ist unser wichtigstes Gut.» Und so hat er am Ende doch noch unterschrieben. «Wenn die Initiative Erfolg hätte, wäre ich nicht stark betroffen», meint er.

Die Bildung, die auch im neuen Sparpaket III wieder Sparbeiträge leisten muss, ist vor allem für Jüngere ein wichtiges Thema. Und wichtig sind den Leuten auch die Arbeitsplätze. «Ziehen dann die Firmen nicht wieder weg, wenn die Unternehmenssteuern erhöht werden?», fragen sie oft. 

Nicht nur Zustimmung

«Ich antworte dann jeweils, dass es nur um eine Erhöhung von 0,75 Prozent geht», sagt Felicitas Zopfi. «Deswegen zieht keine Firma weg, zumal es vor allem grössere Unternehmen trifft, denn die Hälfte der Firmen, vor allem KMU, zahlen gar keine Steuern.»

Für die SP scheint das Unterschriftensammeln im Helvetiagärtli in Luzern ein Heimspiel zu sein. In der Stadt, wo Mitte-Links dominiert, ist das nicht verwunderlich. Nur – wie sieht das auf dem Land aus, wo die Mehrheit der Kantonseinwohner lebt? «Es ist eine ähnliche Zustimmung», vermutet SP-Parteipräsidentin Felicitas Zopfi und verweist auf die jüngste Bevölkerungsbefragung mit 4’000 Teilnehmenden im ganzen Kanton. «Nur 25 Prozent der Befragten akzeptieren die Senkung der Unternehmenssteuern.»

An diesem Samstagmorgen will sich im Helvetiagärtli keiner als Befürworter der kantonalen Tiefsteuerstragie outen. Etliche Passanten laufen mit abwinkenden Gesten an den SP-Leuten vorbei, weil sie keine Zeit haben, oder weil sie die Initiative nicht unterschreiben wollen und sich auch nicht auf Diskussionen einlassen mögen.

Spagat in Gemeinden

Dass nicht nur Leute aus der Stadt unterschreiben, erlebt Helen Meyer, ehemalige SP-Gemeindepräsidentin aus Kriens. «Ich sprach soeben mit Leuten aus Schwarzenberg», sagt sie, «die wollten zuerst nicht unterschreiben. Dann diskutierten wir aber über den Abbau von Leistungen, und so haben sie am Ende doch noch unterschrieben.»

Helen Meyer ist mit der Situation in Landgemeinden vertraut. Sie arbeitet als Beraterin für öffentliche Verwaltungen. «Da erlebe ich hautnah mit, wie viele Gemeinden leiden», sagt sie. «Sie stecken in einem Spagat zwischen Finanzknappheit und Leistungen, die sie für die Bevölkerung erbringen wollen.» Über Steuern soll und dürfe man diskutieren, meint Helen Meyer, «aber der Steuersenkungs-Hype hat überbordet».

4’000 Unterschriften müssen die Initianten zusammenbringen. Das scheint problemlos zu gelingen. Doch die grosse Hürde kommt erst noch: Die Volksabstimmung. SP-Parteipräsidentin Felicitas Zopfi fürchtet sie aber nicht. «Ich bin sehr zuversichtlich, der Meinungsumschwund in der Bevölkerung ist offensichtlich.»

Themen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon