Öffentlicher Verkehr

In Zug steht bald eine wichtige Weichenstellung an

Zwei Züge kreuzen sich bei der Haltestelle in Oberwil. (Bild: Carlo Schuler)

Ab 2016 wollen die SBB bei Walchwil eine neue Doppelspurinsel bauen und die Bahnstrecke am Zugersee-Ostufer für zwei Jahre sperren. Das geplante Projekt erhitzt im Kanton Zug die Gemüter. zentral+ liefert an dieser Stelle einen Überblick zum Thema. Denn noch vor den Sommerferien soll der Kantonsrat über die Anpassung des Richtplanes entscheiden, die für das zweite Gleis nötig ist. 

In einem Internetforum wird die SBB-Strecke auf der Ostseite des Zugersees auch schon mal als eine der schönsten Bahnstrecken der Schweiz bezeichnet. In der Tat: Eine Fahrt von Arth-Goldau über Walchwil nach Zug ist reizvoll: Da sind die sonnigen und steilen Abhänge des Rufibergs, die lichten Laubwälder zwischen Walchwil und Oberwil, der fjordartige Rücken des Chiemens auf der anderen Seeseite, der weite Blick zum Lindenberg von Oberwil aus. Zudem sind Teilstrecken der unterhalb des bestehenden Trassees der SBB durchführenden Zuger Kantonsstrasse im Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz als Objekte von nationaler Bedeutung aufgeführt. Klar ist: Jeder Eingriff ins Landschaftsbild in diesem sensiblen Gebiet ist heikel.

Und ein solcher Eingriff ist geplant: Ein 1,7 Kilometer langes und rund 100 Millionen Franken teures Stück Doppelspur im Norden von Walchwil soll gemäss den SBB helfen, den Fahrplan zu stabilisieren und die Kapazitäten auf dieser Zufahrtsstrecke zum Gotthard zu erhöhen. Damit soll im Nord-Süd-Fernverkehr der Halbstundentakt ermöglicht werden, ohne dass der Regionalverkehr eingeschränkt wird. Für den vorgesehenen Ausbau ist eine Änderung des entsprechenden Eintrages im Zuger kantonalen Richtplan nötig.

Steckensperrung während zwei Jahren

Die Nervosität rund um dieses Geschäft ist spürbar. So verweisen die SBB für detailliertere Anfragen auf die Zeit nach der Richtplandebatte. Im Falle von «Zugersee-Ost» kommt eben einiges zusammen: Fahrplankonzepte, Landschaftsschutz, Anliegen von Bahnpassagieren und Anwohnern. Und nicht zuletzt geht es auch um viel Geld. Weil die SBB den Streckenabschnitt auf der Ostseite des Zugersees gleichzeitig auch noch sanieren wollen, ist mit Gesamtkosten von rund 200 Millionen Franken zu rechnen.

Die SBB planen, während der Bauzeit ab Ende 2016 den Abschnitt Zug – Arth-Goldau für zwei Jahre zu sperren. Während dieser Zeit sollen die Züge über Rotkreuz umgeleitet werden. Dies hätte zur Folge, dass sich die Fahrzeit von Zürich ins Tessin um rund 15 bis 20 Minuten verlängern würde. Der Zeitgewinn von 40 Minuten, den die Eröffnung des  Neat-Tunnels am Gotthard zur Folge hat, würde damit während zwei Jahren gleich wieder um fast die Hälfte reduziert.

Der Umweg über Rotkreuz beschäftigte im März auch das Zürcher Kantonsparlament. Im Zürcher Kantonsrat wurde ein Postulat für dringlich erklärt, welches im Raum Rotkreuz den Bau einer Spange fordert. Damit könnten die Züge von Cham her direkt in Richtung Immensee fahren, die Spitzkehre bei Rotkreuz würde entfallen. Die Zürcher Regierung teilte in ihrer Stellungnahme mit, dass sie die von den SBB gewählten Massnahmen für nachvollziehbar halte. Die SBB selber  machen vor allem fahrplantechnische Überlegungen gegen den Bau einer Spange geltend.

Probebohrungen durchgeführt

Die Bundesbahnen setzen in ihrer Planung ganz auf die Karte «Doppelspurinsel Walchwil». Vor einigen Wochen waren in dem für den Ausbau vorgesehenen Gebiet bereits Arbeiter mit Probebohrungen beschäftigt. Dies bestätigte Anfang März SBB-Mediensprecherin Lea Meyer: «Wir führen unsere Planungen fort und untersuchen momentan im Gleisbereich den geologischen Untergrund.»

Dabei ist der Bau der Doppelspurinsel Walchwil umstritten. Eine Gruppierung um die beiden Kantonsräte Martin Stuber (Alternative-die Grünen) und Philip C. Brunner (SVP) möchte die geplante Ausweichstelle weiter nördlich, im Gebiet Murpfli, bauen. Das Murpfli liegt auf halbem Weg zwischen dem  Bahnhof Walchwil und der Haltestelle Oberwil. Die Gruppierung schlägt zudem vor, in Zug ein neues Stumpengeleise zu bauen und die S2 künftig in Zug enden zu lassen. Mit der Variante Murpfli könne die S2 ohne Zusatzkompositionen neu halbstündlich bis Arth-Goldau verkehren.

Ein deutlich weniger teures Alternativprojekt

Der Alternativvorschlag der Gruppe um Stuber und Brunner käme je nach Variante zwischen 20 bis 50 Millionen Franken günstiger zu stehen als der SBB-Vorschlag. Zudem liesse sich nach Angaben der Promotoren die Streckensperre zeitlich auf ein Minimum beschränken. Martin Stuber fordert, dass eine unabhängige Expertise in Auftrag gegeben wird, um einen echten Variantenvergleich anstellen zu können. Als Mitglied der kantonsrätlichen Kommission öffentlicher Verkehr fordert er zudem Einsicht in eine Studie der Volkswirtschaftsdirektion, welche sich mit dem Ausbau der S2 nach Baar befasst.

Die Zuger Regierung macht sich zusammen mit den SBB für die Doppelspur bei Walchwil stark. Die Doppelspurinsel Walchwil liege strategisch am einzig richtigen Ort, schreibt die Exekutive in ihrem Bericht zur Kantonsratsvorlage. Und sie verweist auch auf die finanziellen Auswirkungen: Die Kosten für die Doppelspurinsel Walchwil würden vom Bund getragen, diejenigen für die Kreuzungsstation Murpfli hingegen hätte der Kanton Zug zu übernehmen.

Verwirrliche Aussagen 

Die Opposition gegen den Doppelspurausbau in Walchwil kommt aber auch aus dem Ort selber. Im Dorf hat sich eine Gruppe von Anwohnerinnen und Anwohnern im Verein «Neat- Zubringer Zug-Oberwil-Walchwil» zusammengeschlossen. Die Gruppierung verlangt primär, dass mittels einer unabhängigen Expertise eine unterirdische Umfahrung von Walchwil geprüft wird. Zudem wird eine Garantie dafür gefordert, dass zwischen Zug und Arth-Goldau weder kurz- noch langfristig eine durchgehende Doppelspur gebaut wird.

In diesem Zusammenhang macht Franz Stadler, der Präsident des Vereins, auf ein Positionspapier des Gotthard-Komitees aus dem Jahre 2011 aufmerksam. Darin wird der «schrittweise doppelspurige Ausbau» im Raum Zugersee-Ost gefordert. Zudem steht in diesem Dokument zu lesen, dass «längerfristig» eine durchgehende Doppelspur zwischen Zug und Goldau «dringend erforderlich» sei.

Der Kanton Zug relativiert

Der Zuger Regierungsrat Matthias Michel und Hans-Kaspar Weber, Leiter des Amtes für öffentlichen Verkehr, sind als Vertreter des Kantons Zug Mitglieder des Gotthardkomitees. Hans Kaspar Weber kennt das besagte Positionspapier. Er relativiert aber dessen Bedeutung. Ein solches Papier sei einfach als eine Art Werbeprospekt für den Schienenverkehr auf der Nord-Südachse zu betrachten. Inhaltlich relevant seien aber nur der kantonale Richtplan und der Sachplan Schiene des Bundes. Und dort gebe es keine Grundlagen oder Pläne für eine Doppelspur am Ostufer des Zugersees.

Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel ergänzt: «Eine offene seeseitige Doppelspur war und ist kein Thema. Sie ist in keiner Planung enthalten –  dafür hat sich das Gotthardkomitee  und auch der Kanton Zug noch nie eingesetzt.»

Gemäss Peter Zbinden, Geschäftsführer des Gotthardkomitees, wäre es ein Irrtum zu glauben, dass das Gotthardkomitee eine offene integrale Doppelspur fordere. «Eine integrale Doppelspur kann nur in einer weiteren Etappe von Fabi (Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur, Anm.d.Red.) unterirdisch entstehen.» Unklar bleibt allerdings, warum das Komitee die genannten Sätze bisher noch nicht aus seinem Strategiepapier entfernt hat.

Wie wird die Linienführung am Zugersee langfristig aussehen?

Die Diskussionen rund um die Doppelspur Walchwil rufen in Erinnerung, dass die Entscheidungen über einen möglichen Neat-Zubringer noch in weiter Ferne liegen. Zurzeit gebe es weder entsprechende Planungen noch Finanzierungsvorstellungen, schreibt der Zuger Regierungsrat in seinem Bericht an das Parlament. Allerdings stellt sich die Frage, ob der jetzt geplante teure Ausbau im Hinblick auf einen möglichen Neat-Zubringer ein Präjudiz bilden könnte.

Der Zuger Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel verneint: «Ich denke, eine einzige Doppelspurinsel wird eine langfristige Neat-Führung nicht beeinflussen.» Das Bundesamt für Verkehr kläre mit den betroffenen Kantonen in nächster Zeit die entsprechenden Fragen ab. Im Sachplan Schiene des Bundes ist als denkbarer Neat-Zubringer eine Tunnellösung ab Baar in Richtung Süden eingetragen. Eine andere Möglichkeit wäre eine Linienführung auf der Westseite des Zugersees.

Manche Bahnkundinnen und Bahnkunden werden sich allerdings vielleicht auch etwas bange fragen, wie verlockend die Aussicht auf eine weitgehend unterirdische Bahnfahrt aus dem Grossraum Zug-Zürich bis in die untere Leventina denn wirklich wäre: Tunnelblick statt der Weg als Ziel. Gut möglich, dass es aufgrund der voraussehbar horrenden Kosten aber gar nie zu diesem Szenario kommen wird. Vor allem aber: Im Moment stehen andere, konkretere Entscheidungen an.

Am Donnerstag, 11. April 2013 tagt die Kommission öffentlicher Verkehr des Kantons Zug in Sachen Doppelspur Walchwil. Geplant ist, dass der Zuger Kantonsrat noch vor den Sommerferien über die vorgesehene Änderung des Richtplanes abstimmen wird.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Stefan Gisler
    Stefan Gisler, 18.04.2013, 12:43 Uhr

    Zug muss vom Streckenausbau profitieren und Walchwil nicht leiden. Darum ist es unerklärlich, wieso sich Volkswirtschaftsdirektor Michel gegen eine saubere Abklärung der Variante Doppelspur beim Murpfli ergänzt durch die Perronverlängerung in Zug wehrt. Die Variante SBB hat eine 2-jährige Streckensperrung, Baulärm und eine Doppelspur mitten im Wohngebiet sowie ungünstige Kreuzungsstellen für die Zuger S-Bahn. Die alternative Variante ermöglicht – gemäss heutigem Wissensstand – einen Halbstundentakt der S2 zwischen Zug und Arth-Goldau, ermöglicht dem Fernverkehr zu kreuzen, ist günstiger, braucht keine Streckensperrung und belastet WalchwilerInnen weniger. Dass der Bund die Variante Murfpli nicht mitfinanziert halte ich für eine leere Drohung. Darum muss sich der Kantonsrat unbedingt gegen das SBB-Diktat wehren und die Chance für eine gute Lösung für Zug nutzen.

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  • Profilfoto von Josef Manser
    Josef Manser, 13.04.2013, 19:07 Uhr

    Die Förderung des öffentlichen Verkehrs wird nicht selten eine Gratwanderung zwischen verwandten Zielen: Ausbau der Bahn-Infrastruktur im Gegensatz zu Eingriffen in die Umwelt. Es bleibt zu hoffen, dass die SBB die nötige Sorgfalt anlegen und nicht einmalige Landschaften einfach der wirtschaftlich scheinbar günstigsten Variante opfern – und auch am «Ast sägen», mit dem unser Tourismus punktet! Im Übrigen geht es auch um den Lebensraum von uns SchweizerInnen!

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