Regionale Entwicklungsträger

Konsternierte Gesichter bei Seetaler Gemeindevertretern

Informationsabend in Hochdorf: Scharfe Voten gegen die Talstrasse durch das Seetal. (Bild: rom)

Seit Jahren treibt der regionale Entwicklungsträger «Idee Seetal» die Pläne für eine neue Talstrasse durch das Seetal voran. Und glaubt dabei, die Bevölkerung hinter sich zu haben. Er hat sich wohl getäuscht. Dass man Grossprojekte auch anders aufgleisen kann, zeigt die Region Sursee.

Eindringlich bat gestern Abend Anita Dietrich, Geschäftsführerin der Idee Seetal AG, das Publikum um sachliche Diskussionsbeiträge. «Bitte pflegen Sie einen offenen und fairen Dialog», sagte Dietrich, als sie den ersten gemeinsamen Informationsabend mit der kantonalen Dienstelle Verkehr und Infrastruktur (VIF) über die geplante Talstrasse eröffnete (zentral+ berichtete).

Talstrasse nicht mehrheitsfähig

Doch ihre Sorge um Tonalität und Stil war nicht nötig: Der Informationsabend in der Braui Hochdorf mit rund 200 Besucherinnen und Besuchern verlief gesittet. In der Sache waren die Statements aus dem Publikum allerdings scharf. Der Tenor: Der Kulturlandverlust und die Beeinträchtigung der Natur sind ein zu hoher Preis für die geplante Talstrasse.

«Das Projekt ist nicht mehrheitsfähig», sagte etwa Beat Meister. «Man muss das jetzt stoppen und überlegen, wie man mit kleinen Verbesserungen statt einer grossen neuen Strasse die Verkehrsprobleme lösen kann.»

Beat Meister, Arzt in Hochdorf, Mitglied der SVP und bei der Talstrasse ein «Parteiabweichler», blickt bereits in Zukunft: «Wir werden den Abstimmungskampf über die Talstrasse bis in den hintersten Haushalt im Kanton Luzern tragen», erklärte er. Zumindest beim gestrigen Publikum schien Beat Meister den Nerv zu treffen, der Applaus war kräftig. Die Konsternation bei den Behördenvertretern hingegen war offensichtlich.

Powerplay beim Entwicklungsträger

Informationsabend über die Talstrasse

Am gemeinsamen Informationsabend der Idee Seetal AG und der Kantonalen Dienststelle Verkehr und Infrastruktur (VIF) in Hochdorf bestätigte die VIF, dass die Talstrasse das Dorf Eschenbach östlich und die Dörfer Ballwil und Hochdorf westlich umfahen soll. Dazu wird gegenwärtig ein Vorprojekt erarbeitet. Die neue Strasse soll, so Roland Meier vom VIF, den Verkehr in den Dörfern um einen Drittel reduzieren. Am Info-Anlass konnte erstmals ein Vertreter der Interessengemeinschaft querfeldnein seine Argumente gegen die Talstrasse vorbringen.

Mit dem Stimmungswandel, dessen Ausmass noch niemand abschätzen kann, rückt die Rolle des regionalen Entwicklungsträgers Idee Seetal AG in den Fokus. Seit Jahren forciert der Gemeindeverband, eine Aktiengesellschaft mit Vertretern aus zehn Gemeinden und über 80 Wirtschaftsunternehmen, das Projekt für eine neue Strasse durch das Seetal.

«Die Idee Seetal AG lobbyiert einseitig für die Talstrasse», kritisiert die SP-Kantonsrätin Trudy Lötscher-Knüsel aus Hitzkirch. «Mein Eindruck ist, dass sie die Stimmung im Volk falsch einschätzt.» Und Jacqueline Mennel Kaeslin, SP-Kantonsrätin aus Hochdorf, erklärt: «Die Lobby ist sehr stark, und sie hat es verpasst, kritische Stimmen bei der Lösung der Verkehrsprobleme ins Boot zu holen.» Beide Kantonsrätinnen haben Ende Mai Vorstösse im Kantonsrat eingereicht mit dem Ziel, Alternativen zur Talstrasse zu prüfen.

Kritik an Kabinettspolitik

Über Jahre gab es kaum Opposition gegen die Talstrasse, weil niemand wusste, wie sie ausgestaltet werden soll (zentral+ berichtete). «Es war sehr schwierig, Informationen zu bekommen», sagt Monique Frey, Geschäftsführerin des VCS Luzern. «Die Idee Seetal AG betrieb eine Kabinettspolitik. Sie merkte gar nicht, was sie anrichtet.» Das gelte, so Monique Frey, auch für die kantonale Dienststelle Verkehr und Infrastruktur (VIF). «Es gab lange keine klaren Informationen.»

Pius Höltschi, Sprecher der Idee Seetal AG und CVP-Gemeinderat in Aesch, wehrt sich gegen die Vorwürfe: «Wir machten 2006 eine öffentliche Seetalkonferenz, und da wurden seitens der Wirtschaft und der Bevölkerung die Staus in den Dörfern und die Verkehrsanbindung der Wirtschaft als dringende Themen genannt. So machten wir die Talstrasse zu unserem Anliegen.» Damals habe die Idee Seetal AG den Puls der Bevölkerung gefühlt, «aber das haben viele Leute in der Zwischenzeit vergessen.»

Kritische Geister mit ins Boot zu holen war für Höltschi nie eine Option. «Hinterher gesehen kann man das als Fehler sehen», sagt der CVP-Gemeinderat, «anderseits ist auch klar, dass die Demokratie spielt und die politischen Rechte funktionieren. Am Ende wird das Volk entscheiden.»

Partizipation in Sursee

Dass Grossprojekte auch ganz anders aufgegleist werden können, zeigt der regionale Entwicklungsträger Sursee-Mittelland, der gegenwärtig seine Siedlungspolitik für die Region erarbeitet. «Hier können wir seit Beginn an der Planung partizipieren», sagt Monique Frey vom VCS.

Das Projekt, das die Siedlungsentwicklung mit der Mobilitätsplanung verbinden soll, sei schon weit fortgeschritten, sagt Beat Lichtsteiner, Geschäftsführer des regionalen Entwicklungsträgers Sursee-Mittelland. «Dabei beteiligen wir alle Interessengruppen, und zwar schon früh in der Prozessphase und nicht erst am Schluss, wo man dann politischen Widerstand gewärtigen muss.»

Die Vorteile sind für Lichtsteiner eindeutig: «Das Vorgehen ist viel rationeller, denn es ist einfacher, gemeinsam gute Lösungen zu erarbeiten, die breit abgestützt sind. In der Folge haben wir geringere Prozesskosten.»

Region West auf Seetaler Kurs

Positiv äussert sich auch Monique Frey über diesen partizipativen Prozess. «Die Projektverantwortlichen können unser Wissen und unsere breite Erfahrung ‹abholen›, am Ende führt das zu einem tragfähigen Kompromiss zwischen unterschiedlichen Interessengruppen.»

Noch nie um eine Mitarbeit angefragt wurde der VCS vom regionalen Entwicklungsträger Region Luzern West in Wolhusen. Die Region West will, zusammen mit einer Interessengemeinschaft, Wolhusen in einem rund 100 Millionen Franken teuren Tunnel umfahren (Blogeintrag auf zentral+).

Das Projekt wird wegen seiner umstrittenen Wirkung äusserst kontrovers diskutiert. Und ähnlich wie im Seetal wird es von einer mächtigen bürgerlichen Lobby gepusht. «Ich würde mich nicht wundern, wenn hier das Gleiche passiert wie im Seetal», sagt Monique Frey vom VCS.

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