Asylzentrum Hirschpark

«Irgendwo müssen die armen Teufel ja hin»

Im neueröffneten Asylzentrum Hirschpark ist die Stimmung sehr positiv. (Bild: jav)

65 Asylbewerber sind derzeit im befristeten Asylzentrum Hirschpark untergebracht. Seit Anfang Mai haben hier vor allem Asylsuchende aus Syrien und Eritrea Platz gefunden. Im Gegensatz zu Fischbach und Kriens bleiben die Widerstände in der Nachbarschaft beim Hirschpark aus. Was läuft hier richtig?

Geht es um Asylzentren, so liest man meist im selben Atemzug von Ablehnung in der Bevölkerung. Von Angst in den Quartieren und Widerstand gegen die Asylbewerber. Beim Asylzentrum in der Stadt Luzern jedoch ist alles ruhig. Weshalb der Aufschrei der Bevölkerung im Hirschpark ausbleibt, fragen wir uns.

Urs Odermatt, Mediensprecher der Caritas Luzern ist sich sicher, dass sich der Standort in der Nähe der Baselstrasse positiv auswirkt. Die Leute seien bereits an ein multikulturelles Zusammenleben gewöhnt, wohingegen in ländlichen Gebieten die Angst vor Ausländern noch immer grösser sei. Auch beim Sonnenhof in Emmenbrücke seien weniger Berührungsängste der Anwohner mit den Asylbewerbern aufgefallen, sagt Odermatt.

Martina Gerber leitet das Asylzentrum Hirschpark und führt durch das ehemalige Pflegeheim. Die Räume sind gross und hell, die Gänge in gelb und violett gehalten. Im zweiten und dritten Stock sind derzeit zehn Familien, drei alleinerziehende und acht alleinstehende Frauen untergebracht. Im ersten Stock wohnen momentan 27 alleinstehende Männer. Die Aufteilung der Stockwerke in Frauen, Familien und Männer könne viele mögliche Konflikte verhindern, erklärt Gerber.

Pasta mit Mayo

Im Männerstock in der Gemeinschaftsküche treffen wir auf vier junge Asylbewerber aus Somalia und Eritrea. Sie kochen und essen gerade gemeinsam. Es gibt Pasta mit Mayonnaise und Poulet. Gegessen wird wie zuhause mit den Händen. Die Stimmung ist gut, die Bewohner freuen sich über den Besuch. Gerne unterbrechen die vier ihr Essen, um bereitwillig ihr Zimmer zu zeigen. Mohamed aus Somalia präsentiert stolz sein Kajütenbett, sein Somali-Deutsch Wörterbuch und die Aussicht aus ihrem Vier-Bett-Zimmer.  
Bei der Aussicht auf den Gütsch und über die ganze Stadt käme so mancher Neuankömmling ins Staunen, sagt Gerber.

Die junge Leiterin scheint bei den Bewohnern des Zentrums gut anzukommen. «Good Chef!» hören wir während unseres Besuches so einige Male, wenn wir mit Gerber einen Raum betreten.

Beschäftigungsprogramme und Schulunterricht

Drei bis sechs Monate halten sich Asylbewerber im Zentrum Hirschpark auf, bevor beim Bundesamt für Migration über den weiteren Aufenthaltsstatus entschieden wird. Wie sich der Alltag im Zentrum gestalte, möchten wir wissen. «Alle Bewohner sind für die Sauberkeit im eigenen Wohnbereich und den Gemeinschaftsräumen, ihre Wäsche und ihr Essen selbst verantwortlich. Dazu kommen interne Beschäftigungen, wie die Instandhaltung des Zentrums und die Reinigung der Umgebung, die Betreuung im Kinderhort, die Eingangskontrolle und andere Aufgaben», erklärt Gerber. Der Deutschunterricht und teilweise auch Arbeiten in externen Beschäftigungsprogrammen in der Landwirtschaft und kleinen Betrieben füllen die Tage der Bewohner. Schulpflichtige Kinder sollen ab August gemeinsam mit den Kindern vom Asylzentrum Sonnenhof in Schulzimmern im Hirschpark unterrichtet werden. Das spartanisch eingerichtete Fernsehzimmer neben der Gemeinschaftsküche und den anderen Gemeinschaftsräumen ist für viele der Bewohner ein äusserst wichtiger Raum. Hier schauen sie sich die Nachrichten aus ihren Heimatstaaten an und lernen mit deutschem und Schweizer Fernsehen die Sprache. Während des Rundgangs im Zentrum fällt auf, wie viele Bewohner mit Lernmaterialien beschäftigt sind. «Wir sind sehr froh, dass wir intern Deutschunterricht anbieten können, welcher von Freiwilligen und Zivildienstleistenden durchgeführt wird», sagt Martina Gerber.

Wichtig sei den Familien im Zentrum auch die Einrichtung der Zimmer. Teppiche, Bilder und farbige Dekoration zieren besonders die Familienzimmer. Durch die «KulturLegi» können die Asylbewerber bei Caritas–Märkten günstiger einkaufen und sich dort auch Einrichtungsgegenstände besorgen. Gerade für die Familien sei das Zentrum aber immer froh um Sachspenden wie Kinderkleider, Spielsachen oder Windeln, merkt eine Mitarbeiterin an.

 

Zentrumsleiterin Martina Gerber mit Bewohner Kalo Houzan

Zentrumsleiterin Martina Gerber mit Bewohner Kalo Houzan

(Bild: jav)

 

Kalo Houzan kommt aus Aleppo in Syrien. Über Italien sei er vor sieben Monaten in die Schweiz geflüchtet. Früher habe er in Syrien als Comedian gearbeitet. Momentan übernimmt er im Zentrum die Aufgabe an der Eingangskontrolle und ist hellauf begeistert von der Leiterin des Zentrums.

 

Geschenke aus dem Quartier

Die Nachbarschaft habe sehr positiv auf das Zentrum reagiert, berichtet Gerber. Die Leitung habe bereits im Vorfeld einige Angebote für Sachspenden erhalten. Vor allem der interne Kinderhort konnte davon profitieren. Zwei der Bewohnerinnen kümmern sich hier um die jüngeren der 16 Kinder im Zentrum. Ein kleines Trampolin, ein Puppenhaus, eine Spielküche und viele Kuscheltiere finden sich hier. Wie die Gemeinschaftsküchen sei auch dies ein Raum, in welchem das Zusammenleben im Zentrum stattfinde. Gerber sagt erleichtert, die interne Situation, wie auch der Austausch mit Stadt und Bevölkerung verlaufe reibungslos.

Lieber Asylbewerber als Medienschaffende

Allgemein sei der Kontakt zum Quartier sehr angenehm. Die Anwohner hätten sich an der Infoveranstaltung sehr interessiert gezeigt und stünden dem Zentrum wohlwollend gegenüber.

Ein Spaziergang durch die ruhige Umgebung des Hirschparks bestätigt die Aussagen der Verantwortlichen. Das Zentrum störe überhaupt nicht, es sei für ihn kein Thema, äussert sich ein Nachbar. Aber von der höheren Medienpräsenz, davon halte man weniger, ergänzt er mit einem Zwinkern. Da verabschieden wir uns selbstverständlich gleich. Ebenfalls im Quartier wohnt der Rentner Ruedi Schmidig und er sieht im Asylzentrum Hirschpark «absolut kein Problem». Da hätten sie bei anderen Dingen gekämpft – für die 30er-Zone im Quartier beispielsweise. Aber das Zentrum finde er eine gute Sache.
Margrith Obrist aus dem Nachbarshaus ist der Meinung, diese Diskussionen seien sowieso überflüssig: «Irgendwo müssen die armen Teufel ja auch hin», ergänzt sie.

 

 

Ruedi Schmidig

Ruedi Schmidig

(Bild: jav)

 

«Ich sehe absolut kein Problem mit dem Asylzentrum im Quartier. Es ist von den Nachbaren sehr gut angenommen worden.»

 

Daniela von Gunten, die ein Gästehaus in der Nachbarschaft führt, wäre froh gewesen, besser über den Zuzug informiert worden zu sein. «Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt und haben erst sehr spät vom Zentrum erfahren», bedauert sie, fügt aber gleich hinzu: «Aber dann war ich positiv überrascht. Die Leute sind freundlich und geben sich auch grosse Mühe Deutsch zu sprechen». Sie träfe im Quartier vor alllem auf Familien aus dem Zentrum und diese seien sehr offen. «Da spricht man auch mal kurz miteinander, oder sie fragen mich auch, wie mein Hund heisst», freut sich von Gunten über das Interesse.

Daniela von Gunten

Daniela von Gunten

(Bild: jav)

 

«Ich wäre froh gewesen, wenn wir früher und besser informiert worden wären. Schlussendlich bin ich jetzt aber positiv überrascht. Die Leute vom Asylzentrum grüssen, wenn man sie auf der Strasse trifft und sind auch ansonsten sehr freundlich.»

Erst sechs Wochen nutzt das Asylzentrum den Standort Hirschpark. Die Leitung hofft nun darauf, dass die Stimmung im und um das Haus die nächsten Jahre so positiv bleibt wie in den ersten Wochen. Bereits in drei Jahren soll das Asylzentrum Hirschpark durch das Zentrum Eichwald abgelöst werden. Ob Asylbewerber und Anwohner auch dort einen derart guten Start miteinander erleben werden, ist zu hoffen.

 

Weshalb unterscheiden sich die Reaktionen der Anwohner um die Zentren Hirschpark und Fischbach derart?
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1 Kommentar
  • Profilfoto von eliane
    eliane, 13.06.2014, 21:29 Uhr

    Eine kleine Berichtigung zu folgendem Satz «Drei bis sechs Monate halten sich Asylbewerber im Zentrum Hirschpark auf, bevor beim Bundesamt für Migration über den weiteren Aufenthaltsstatus entschieden wird.». Nach drei bis sechs Monaten wird in den seltensten Fällen bereits über den Aufenthaltsstatus entschieden. Bis das BFM über ein Asylgesuch entscheidet, kann es mehrere Jahre dauern. Die lange Zeit des Wartens auf einen Asylentscheid ist sehr unbefriedigend und für die Betroffenen mit viel psychischem Leid verbunden.

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