Zug

«Die Zuger Gastroszene hat ein Identitätsproblem»

Das Logo der Aktions-CaféBar Aige trägt Trauerflor. Das Lokal musste Konkurs anmelden. (Bild: Yvonne Anliker)

Ist die Gastronomie und Hotellerie in Zug attraktiv genug? Und ist sie für die Zukunft gerüstet? Zentral+ hat die beiden Branchenkenner Fabian Schmid und Philip C. Brunner gefragt: Entstanden ist ein  – teilweise philosophisches – Gespräch über Restaurantketten, hohe Bodenpreise, schleichende Anonymisierung  und mangelnde Identität. 

Die Zuger Fabian Schmid und Philip C. Brunner haben sich vor wenigen Monaten noch nicht gekannt – vielleicht auch nicht kennen wollen, zu gegensätzlich sind die beiden eigentlich.

Heute aber sitzen sie gemeinsam an einem Tisch und sprechen über das Gastgewerbe in Zug, verteilen gegenseitig Komplimente, zollen einander Respekt, pflichten sich bei, reden sich drein, widersprechen sich und lachen gemeinsam. Beide haben bewegte Tage hinter sich. Schmid ist Inhaber der Aktions-CaféBar und des Bed&Breakfast Aige in Zug. Anders gesagt: Er war Inhaber.

Vergangene Woche musste der Quereinsteiger, der sich eigentlich nie hätte vorstellen können, ins Gastgewerbe einzusteigen, nach rund eineinhalb Jahren Konkurs anmelden – ein Entscheid, der ihm alles andere als leicht gefallen ist. Wenig erfreut über diese definitive Schliessung ist auch Brunner.

Der Hotelier, der im Westen der Stadt seit mehr als zehn Jahren mit seiner Gattin das Swisshotel Zug betreibt, stand dem Projekt von Fabian Schmid anfänglich sehr ablehnend gegenüber; als «knallharter Sparpolitiker», wie der SVP-Mann selber sagt, war ihm das «Aige» und das Engagement der Stadt dafür suspekt.

In der Zwischenzeit hat sich Brunner jedoch zum Kämpfer für die gute Sache gewandelt. Und so hoffte er bis zu Letzt, so wie Schmid auch, dass von der Stadt und Privaten noch genügend Geld zusammenkommt, um das Lokal zu retten.

Veränderungen in den vergangenen Jahrzehnten

Unter diesen Vorzeichen findet das Gespräch mit Schmid und Brunner über die Zuger Gastroszene und deren Zukunft statt. «Wenige wissen, wie es ist, draussen im Regen einen eigenen Gastro- und Hotelleriebetrieb zu führen», sagt Brunner und spricht die einschneidenden Veränderungen in den vergangenen Jahrzehnten an, welche das Gastgewerbe «revolutioniert» haben: die Liberalisierung, das veränderte Konsumverhalten der Gäste, die Herabsetzung der Promillegrenze…

Und nicht zuletzt der stetig steigende Druck auf die Immobilien im Kanton Zug. «Das Gastgewerbe steht in Zug immer in Konkurrenz mit einer möglichen Umnutzung», sagt Brunner. Gerade in Zug und Umgebung seien in den vergangenen Jahren einige Restaurants verschwunden und durch lukrativeren Wohn- und Gewerberaum ersetzt worden 

Unterstützung durch das Gemeinwesen

«Dies wiederum führt zu einem politischen Druck», sagt Brunner. Damit der Bevölkerung trotzdem genügend Gastrobetriebe zur Verfügung stünden, würden mit Steuergeldern – teilweise an bester Lage – Lokale gebaut, saniert und unterstützt. Als Beispiele nennt der SVP-Kantonsrat das Restaurant Theater Casino Zug, das «Hafenrestaurant» oder den «Röthelberg». «Das macht die Arbeit für einen Privaten, der nicht auf solche Unterstützung hoffen kann, nicht einfacher. Es ist im Gegenteil teilweise markterdrückend.»

Aber auch das «Aige», für das sich Brunner letztlich doch noch eingesetzt hat, wurde von der Stadt unterstützt. Fabian Schmid erhielt die Räumlichkeiten zu einem vergünstigen Mietzins aufgrund der limitierten Mietdauer von dreieinhalb Jahren Betriebszeit; die Stadt wiederum erhoffte sich durch die Vermietung des Hauses an einen Gastbetrieb eine Zwischennutzung und mehr Belebung der Altstadt.

Für Schmid ist klar, dass es Aufgabe des Gemeinwesens ist, gewisse Lokale zu unterstützen, «wenn die Entwicklung einer Gemeinde oder einer Stadt strategisch geplant werden soll». Das will Brunner nicht abstreiten, aber ein entsprechendes Konzept für die Stadt Zug kann weder er noch Schmid ausmachen.

Gastronomie bewegt sich kaum

Wie bewerten denn die beiden grundsätzlich die Situation des Gastgewerbes in Zug und Umgebung? «Ich orte ein Identitätsproblem», sagt Schmid. In vielen Köpfen sei das Bild der langweiligen Stadt verankert, die weder bezüglich Restaurants noch Einkaufsmöglichkeiten oder Kulturangebot etwas zu bieten habe.

«Die Gastronomie in Zug hat sich in den letzten Jahren halt auch kaum bewegt», sagt Schmid. Innovative Konzepte seien fast keine auszumachen. Als Ausnahme bezeichnet Schmid seinen eigenen Betrieb, das «Aige», und das Lokal «Im Hof» mit ihren ursprünglichen Betreiberinnen.  

Brunner pflichtet Schmid beim Punkt Identitätsproblem bei. «Wir haben in Zug zunehmend eine von Anonymität geprägte Gastroszene», was ihn nicht verwundert, sei Anonymität doch ein generelles Phänomen der heutigen Gesellschaft. Und so würden viele Gäste in den meisten Lokalen kaum mehr wissen, wer eigentlich ihr Gastgeber ist.

Der SVP-Mann führt dies auf die Tatsache zurück, dass immer mehr Restaurants von Ketten und nicht von Einzelpersonen betrieben werden. «In der Hotellerie war es bislang als KMU gerade noch möglich, sich finanziell zu engagieren. Morgen wird aber auch das kaum mehr möglich sein.» Denn diesbezüglich würden in Zug grosse Veränderungen anstehen. «Die neuen Hotels werden alle von Grosskonzernen und Grossinvestoren geplant», sagt Brunner.

Wo sind die Persönlichkeiten?

Für beide ist klar, dass in Zug nach wie vor Innovation möglich ist. «Es fehlt aber an Personen, die bewegen wollen, die bereit sind, in den rauhen Wind zu stehen», sagt Schmid und lacht – und denkt wohl an seine Anfangszeit beim «Aige», als ihm nicht nur von Philip C. Brunner ein eisiger Wind entgegenschlug. «In Zug gibt es zu viele Leute, die einfach zuschauen und abwarten; zu viele, die profitieren, aber nichts geben wollen», ergänzt Brunner.

Er kann dies nicht nachvollziehen. «Heutzutage ist es doch überlebenswichtig, sich vorwärts zu bewegen», sagt er. Und Fabian Schmid habe ja gezeigt, dass Neuerungen in der Zuger Gastronomie sehr wohl möglich sind. «Er hat unter schwierigen Umständen und mit wenig Mitteln einiges erreicht.» Beide hegen deshalb nun die Hoffnung, dass die abrupte Schliessung des «Aige» nicht vergebens war und andere inspiriert, Neues zu wagen.

«Zurück zur Identität» lautet denn auch Schmids Rezept für eine abwechslungsreichere und erfolgreichere Zuger Gastroszene. «Dafür muss zuerst der Kanton seine Identität finden.» Eine, die alle Aspekte miteinschliesst: die Kultur, die Landschaft, die Politik, die Wirtschaft, den Tourismus, das Sozialwesen, das Gastgewerbe. «Und auch echte Zuger Produkte», ergänzt Brunner. Schmid:  «Das Konstrukt Zug muss gesamtheitlich betrachtet werden, und die Parteien müssen miteinander sprechen.» Erst dann werde es gelingen, Profit daraus zu ziehen. «Denn solange die Leute nicht wissen, wofür Zug steht, werden sie uns auch nicht spüren.» Aber, so sinniert er, «vielleicht geht es uns halt noch zu gut, um wirklich aktiv zu werden.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Josef.Grau
    Josef.Grau, 19.03.2013, 20:57 Uhr

    Zug hat keinen Charme, keine Seele. Wie denn auch wenn 99% der Geschäfte multinationale Konzerne sind. Die «Chnellen» sind genauso verschwunden wie «authentische» Lokale, bei denen man sich immer mal wieder auf ein Bier trifft. Wohin auch, wenn man nicht mehr rauchen darf?

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  • Profilfoto von nmijnssen
    nmijnssen, 20.01.2013, 18:22 Uhr

    Innovative Ansätze machen sich leider in Zug schon seit vielen Jahren rar. Wann wurde das letzte Mal – das Aige und die Restaurantketten ausgenommen – etwas Neues geschaffen? Eine interessante Aufgabe für Zentral+, die innovativen Gastrobetriebe vorzustellen.

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