10 Millionen Franken vom Bund – doch Luzern knausert

SP und Grüne fordern: Deutschkurse für alle!

Hannes Koch (Grüne) und Pia Engler (SP) sind dagegen, dass der Kanton Luzern gewissen Flüchtlingen den Zugang zu Deutschkursen verwehrt. (Bild: Adobe Stock/zvg)

3000 Franken pro Flüchtling zahlt der Bund an die Kantone, damit Ukrainerinnen rasch Deutsch lernen. In Luzern dürften demnach bereits rund 7,2 Millionen Franken zu Verfügung stehen. Dass der Kanton einigen Flüchtlingen trotzdem den Zugang verwehrt, sorgt jetzt für Kritik.

Fast 50'000 Flüchtlinge aus der Ukraine hat die Schweiz inzwischen aufgenommen. Das sagte David Keller, Leiter des Krisenstabs Asyl beim Staatssekretariat für Migration (SEM), am Donnerstag an einer Pressekonferenz.

Gemäss Verteilschlüssel nimmt der Kanton Luzern 4,8 Prozent davon auf – das dürften also rund 2400 Menschen sein. Allenfalls ein bisschen weniger, weil Luzern das Soll zumindest Ende April noch nicht ganz erfüllt hatte (zentralplus berichtete).

Über zehn Millionen Franken vom Bund – doch Luzern bleibt knausrig

Der Bundesrat zahlt den Kantonen pro Flüchtling 3000 Franken, damit alle einen Deutschkurs besuchen können. Das macht für den Kanton Luzern gemäss den aktuellen Zahlen rund 7,2 Millionen Franken. Ein stattlicher Betrag. Entwickelt sich die Flüchtlingswelle so, wie das SEM prognostiziert, dürfte der Betrag bis im Herbst auf weit über 10 Millionen Franken ansteigen.

In Zug wird aufgrund der Motivation und der Jobchancen entschieden, wer gefördert wird. Luzern ist da knausriger und schliesst von Vornherein einen Teil der Ukrainerinnen aus. Nämlich alle, die ihren Lebensunterhalt selber bestreiten (zentralplus berichtete).

Macht das Sinn? Nein, finden SP, Grüne und Junge Grüne. Die Berichterstattung von zentralplus hat gleich zwei dringliche Vorstösse ausgelöst. Eingereicht von Monique Frey (Grüne) und Pia Engler (SP).

Es ist im öffentlichen Interesse, dass die Flüchtlinge Deutsch lernen

Der Kanton Luzern geht weiterhin davon aus, dass die Flüchtlinge aus der Ukraine bald wieder in ihre Heimat zurückkehren. Aus Sicht von Kantonsrat Hannes Koch (Grüne/Junge Grüne) ist das illusorisch. «Die letzten beiden Kriege in Europa – Bosnien und Kosovo – haben gezeigt, dass die geflüchteten Menschen nach frühestens drei bis fünf Jahren überhaupt wieder zurück gehen können», schreibt er auf Anfrage von zentralplus.

«Die Sprache ist das A und O der Integration.»

Pia Engler (SP)

«Aus diesem Grunde sind wir fest der Überzeugung, dass der Kanton ein grosses Interesse daran haben muss, dass die geflüchteten Menschen unsere Sprache erlernen», so Koch weiter. Auch damit sie nicht (oder möglichst wenig) auf Kosten des Staats leben. 

Kanton Luzern soll Flüchtlingen die Kurse günstiger anbieten

Auch für Pia Engler (SP) ist klar: «Deutschkurse müssen für alle zugänglich sein.» Und zwar unabhängig von der Asylsozialhilfe – entweder kostenlos oder für Personen mit Einkünften zumindest erschwinglich angeboten.

«Die Sprache ist das A und O der Integration. Wir gehen davon aus, dass viele länger als ein Jahr bleiben und auch längerfristig bei uns ihren Lebensmittelpunkt haben werden. Es ist auch in unserem Interesse, dass alle Deutsch lernen und sich nicht von den Kosten abhalten lassen.»

Mittel gezielt einsetzen – für die SVP und die GLP macht das Sinn

Ganz anders ist die Haltung der Kantonsrätinnen Jasmin Ursprung und Monika Schnydrig (SVP). Die beiden sind – wie Hannes Koch und Pia Engler – in der Kommission Gesundheit, Arbeit und soziale Sicherheit (GASK) des Kantonsrats. Sie finden den Ansatz des Kantons richtig. «Unterstützung soll dann kommen, wenn man eigenverantwortlich nicht mehr dazu in der Lage ist. Dies gilt für alle gleich, für Flüchtlinge oder auch für Schweizer Bürger», so ihre Begründung.

«Wir würden uns eine gewisse Offenheit des Kantons wünschen.»

Jim Wolanin

Ebenfalls gegen das «Giesskannenprinzip» ist Claudia Huser von der GLP. «Ich unterstütze, dass die Gelder gezielt dort und bei den Menschen eingesetzt wird, die einen Bedarf für einen Sprachkurs haben und sich dies finanziell nicht selber leisten können», meint sie.

Wenn das Geld knapp zum Leben reicht – aber nicht für den Deutschkurs

Das habe den Vorteil, dass auch Geld für diejenigen da ist, die über längere Zeit einen Sprachkurs brauchen. «Wichtig dabei erscheint es – und das hat mir der Kanton versichert –, dass es nicht zu Schwelleneffekten kommt. Dass also Personen, die knapp finanziell unabhängig sind, dann durch die Sprachkurse am Schluss weniger haben als Personen mit Asylsozialhilfe.»

In der Informationsbroschüre des Kantons Luzerns ist keine Rede davon, dass dies in der Praxis berücksichtigt würde. «Eine Ukrainerin mit Schutzstatus S, die keinen Anspruch auf Asylsozialhilfe hat, hat im Kanton Luzern auch keinen Anspruch auf die Bezahlung eines Sprachkurses», heisst es dazu klipp und klar seitens der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen (DAF).

FDP wünscht sich eine flexiblere Handhabung

Erwähnenswert ist die Haltung der FDP. Kantonsrat Jim Wolanin ist grundsätzlich auch der Ansicht: wer wirtschaftlich selbstständig ist und Sprachkurse besucht, soll primär selber dafür aufkommen. «Allenfalls gibt es diverse Unterstützungsmöglichkeiten, zum Beispiel über den Arbeitgeber. Wenn etwa eine hochqualifizierte Person an der ETH einen Job erhält und den ganzen Tag Englisch spricht, dann ist es sicher sinnvoll, wenn sie einen Deutschkurs besucht, aber dies muss nicht durch die Steuerzahlenden, also auch durch Personen, welche nicht in diesem Lohnsegment arbeiten, finanziert werden», schreibt Wolanin auf Anfrage.

Aber: «Anders sieht es aus, wenn Deutschkurse aus übergeordneter Sicht sinnvoll sind», meint der FDP-Kantonsrat. Etwa für die schnellere Integration in die Arbeitswelt oder zur Entlastung der Unternehmen. «Wenn dies von den betreffenden Personen nicht oder nur mit Mühe selber finanziert werden kann, würden wir uns eine gewisse Offenheit des Kantons wünschen», meint Wolanin.

Die dringlichen Vorstösse von SP und Grünen werden am kommenden Montag im Kantonsrat thematisiert. Spannend dürfte sein, wie sich die Mitte positioniert. Die Partei liess eine Anfrage von zentralplus unbeantwortet.

Verwendete Quellen
  • Mailanfragen an sämtliche GASK-Mitglieder
  • Broschüre: Informationen für Personen mit Status S
  • Medienmitteilung des Bundes zur Sprachförderung
  • Point de presse Ukraine vom 12. Mai 2022
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