Der Druck auf den Kanton wächst

Tempo 30: Die Baselstrasse in Luzern war nur der Anfang

Noch braucht man auf vielen Strassen in Luzern um Tempo 30 zu bitten. Beim Kanton findet jedoch ein Umdenken statt. (Bild: Andreas Busslinger)

Auf der Luzerner Baselstrasse kommt bald Tempo 30. Findet beim Kanton ein Umdenken in der Verkehrsplanung statt? Vieles deutet darauf hin.

«Tempo 30 entlastet deutlich stärker als gedacht.» Das sagt nicht irgendein Verkehrsaktivist, sondern die Stadt Zürich in einer Medienmitteilung. Eine Studie in Zürich hat gezeigt, dass dank Tempo 30 nicht nur der effektive Lärm zurückgeht. Nicht nur der gemessene, sondern auch der gefühlte Lärm sinkt. Mögliche Schlafstörungen werden schwächer und der Verkehr wird als sicherer wahrgenommen.

Kurz: Die Studie in Zürich zeigt, dass Tempo 30 das Wohlbefinden der Anwohnerinnen vergrössert. Dass dank einer Temporeduktion weniger schwere Unfälle passieren, ist hinlänglich bekannt.

Die Resultate der Studie dürften auch den Kanton Luzern interessieren. Hier sind gemäss Zahlen des Amts für Umwelt und Energie über 50'000 Personen von zu viel Lärm betroffen. Das sind rund 15 Prozent der Bevölkerung des Kantons.

Baselstrasse: Umdenken beim Kanton?

Dennoch gilt auf fast allen Kantonsstrassen weiterhin Tempo 50. Das zeigt ein Blick in die Stadt Luzern, wo fast auf allen Hauptverkehrsachsen – allesamt im Besitz des Kantons – 50 km/h gefahren wird.

Bald gibt es jedoch eine Ausnahme: Ab Ende dieses Jahres dürfen Autos in der Baselstrasse nur noch mit 30 km/h fahren, auf Teilen der Bernstrasse gilt das bereits seit einigen Monaten (zentralplus berichtete). In Luzern haben diese Temporeduktionen beinahe historischen Charakter. Darum stellt sich die Frage, ob beim Kanton tatsächlich ein Umdenken in dieser Frage stattfindet.

Vieles deutet darauf hin. Denn der Hauptgrund für die Temporeduktion in der Baselstrasse ist die Lärmbelastung für die Anwohner. Das zeigt ein Blick auf die Lärmschutzkarte eindrücklich. Bei allen Gebäuden in der Baselstrasse werden die vom Bund festgelegten Lärmschutzwerte deutlich übertroffen. Nebst der Temporeduktion baut der Kanton deshalb auch einen Flüsterbelag – der erste überhaupt auf einer Kantonsstrasse in Luzern.

Kantonsstrassen bedeuten Lärm: So lässt sich die Karte zum Strassenlärmkataster im Kanton zusammenfassen. Bei den orangen Punkten werden die Grenzwerte überschritten, bei den roten gar die Alarmwerte. (Bild: Strassenlärmkataster Kanton Luzern)

Ein Blick auf die erwähnte Karte zeigt aber auch: Die Baselstrasse ist längst nicht die einzige Kantonsstrasse, auf der es viel zu lärmig ist. Stark betroffen sind insbesondere die Zürich-, Pilatus- und Bundesstrasse, wobei sowieso auf allen Kantonsstrassen in der Stadt Luzern die Grenzwerte überschritten werden. Zumindest aus Gründen des Lärmschutzes wären somit weitere Tempo-30-Zonen in Luzern gerechtfertigt.

Stadt will Tempo 30 auf mehreren Kantonsstrassen

Beim Kanton hält man sich in dieser Frage bedeckt. Auf Anfrage heisst es bloss, dass die Stadt Luzern mehrere Anträge für Temporeduktionen auf Kantonsstrassen gestellt hat. Diese werden derzeit geprüft. Welche Strassen betroffen sind, lässt der Kanton offen.

«Es gibt durchaus noch weitere Abschnitte, in denen Tempo 30 dazu beitragen kann, die Lärmbelastung zu reduzieren.»

Milena Scherer, Co-Leiterin Mobilität Tiefbauamt Stadt Luzern

Ergiebiger ist die Anfrage bei der Stadt Luzern. Milena Scherer, Co-Leiterin Mobilität beim Tiefbauamt, bestätigt, dass die Stadt für verschiedene Strassen ein Gesuch für eine Temporeduktion beim Kanton eingereicht hat. Diese Gesuche betreffen die Bundesstrasse, die Zentralstrasse sowie den Strassenabschnitt von der Seebrücke bis und mit Halden- respektive Zürichstrasse (zentralplus berichtete).

Milena Scherer führt aus, dass die Stadt auf diesen Strassen den grössten Handlungsbedarf sehe. «Wir behalten uns vor, in einem zweiten Schritt weitere Anträge zu stellen. Denn es gibt durchaus noch weitere Abschnitte, in denen Tempo 30 dazu beitragen kann, die Verkehrssicherheit zu erhöhen und die Lärmbelastung zu reduzieren.» Gerade das Thema Lärmschutz erhalte entlang von stark befahrenen Strassen zunehmende Bedeutung, ergänzt sie.

VCS Luzern kritisiert Papiersanierungen

Der Druck auf den Kanton wächst aber nicht nur vonseiten der Stadt. Auch der VCS Luzern bearbeitet das Thema Lärmschutz. Der Geschäftsführer Dominik Hertach sagt klipp und klar: «Lärm ist nicht einfach lästig, Lärm macht nachweislich krank.» Der Verband fordert darum seit langem, dass der Kanton Lärmsanierungen vornimmt – sei es mit Temporeduktionen oder Flüsterbelägen.

Dominik Hertach, Geschäftsführer VCS Luzern (Bild: zvg)

Davor hat sich der Kanton jedoch lange Zeit gescheut. Dominik Hertach erklärt: «Gemäss der Abteilung Verkehr und Infrastruktur sind praktisch alle Kantonsstrassen ‹lärmrechtlich saniert›, allerdings nur auf dem Papier.» Eine solche Papiersanierung bedeutet, dass der Kanton eine Lärmsanierung zwar prüft, diese aus Gründen der Wirtschaftlichkeit oder der Verkehrsplanung nicht umsetzt. Die Lärmemissionen bleiben also gleich hoch, doch aus Sicht des Kantons ist die Pflicht getan.

«Das Vorgehen bei der Baselstrasse deutet auf ein Umdenken beim Kanton hin.»

Dominik Hertach, Geschäftsführer VCS Luzern

Solche Papiersanierungen hat der VCS auf verschiedenen Strassen in Luzern bereits rechtlich angefochten, beispielsweise in Malters oder Root. Im Fall Malters ist die Einsprache seit acht Jahren hängig (zentralplus berichtete). Eine weitere Einsprache betrifft die Papiersanierung der Luzernerstrasse, welche Hertach als Privatperson angefochten hat. Der Entscheid des Bundesgerichts wird für dieses Jahr erwartet und könnte für den Kanton Luzern zum Präzedenzfall werden (zentralplus berichtete).

Ja, es findet ein Umdenken statt

Der VCS-Geschäftsführer hofft: «Sollte das Bundesgericht in der Klage zur Luzernerstrasse in Kriens der dortigen Papiersanierung die Rechtmässigkeit absprechen, gäbe das die Möglichkeit, bei allen bisherigen reinen Papiersanierungen eine Neubeurteilung zu verlangen.» Das seien praktisch alle Lärmsanierungsprojekte der letzten 30 Jahre.

«Von der Einführung von Tempo 30 auf der Baselstrasse kann nicht direkt auf andere Kantonsstrassen geschlossen werden.»

Umweltdepartement Kanton Luzern

Nicht nur der Druck aus der Bevölkerung, sondern auch der juristische Druck auf den Kanton nimmt also zu. Das ist auch diesem nicht entgangen. So fasst zumindest Dominik Hertach die Temporeduktion in der Baselstrasse auf: «Das Vorgehen bei der Baselstrasse deutet auf ein Umdenken beim Kanton hin.»

Dieser relativiert und will von einem möglichen Präzedenzfall nichts wissen. So heisst es beim Departement für Umwelt: «Von der Einführung von Tempo 30 auf der Baselstrasse kann nicht direkt auf andere Kantonsstrassen geschlossen werden.» Dennoch wäre es erstaunlich, wenn in den nächsten Jahren nicht auf zahlreichen weiteren Kantonsstrassen bald mit 30 anstatt 50 km/h gefahren wird.

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7 Kommentare
  • Profilfoto von M.B
    M.B, 20.05.2022, 14:53 Uhr

    Die Blaulichtorgansationen freuen sich auch im Schneckenempo zu schweren Unfällen oder Verbrechen zu kommen. Zeit kostet ja schliesslich nur Menschenleben. Solange die Veganer:innen in der Stadt keinen Lärm von bösen Autos haben ist ja alles gut.

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    • Profilfoto von Kili
      Kili, 28.11.2022, 17:13 Uhr

      Blaulichtorganisationen heissen so weil sie Blaulicht und Sirene haben. Rettungsgasse kennst du, oder?

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    Fedlex, 18.05.2022, 09:45 Uhr

    Bussen sind jetzt schon mehrheitlich Fahrzeugabhangig. Auto auf dem Trottoir kostet mehrs als Motorrad auf dem Trottoir kostet mehrs als Fahrrad auf dem Trottoir. Aber tatsächlich, Geschwindigkeitsbezogene Bussen sind Mittelunabhängig (obwohl ein Grossfahrzeug gefährlicher als ein Auto ist, welches wiederum gefahrlicher als ein Velo wäre – und insbesondere Busse und Autos haben bekannterweise mehrere Insassen).

    ( www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2019/93/de )

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      Philipp, 18.05.2022, 19:23 Uhr

      Das ist ja das Problem. Solange Radfahrer gerademal 60.- zahlen wenn Sie ein Rotlicht überfahren ändert sich an deren Verhalten gar nichts. Desshalb sollte die Busse wie bei den Autofahrern 250.- betragen. Ganz nach dem Motto: Vor dem Gesetz sind alle gleich.

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    Daniel Steiner, 18.05.2022, 06:29 Uhr

    Gilt das dann auch für Velo und E-Bikes?

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      Samuel Kneubuehler, 18.05.2022, 08:25 Uhr

      Natürlich! Es wird sicher Kontrollen geben.

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      • Profilfoto von Philipp
        Philipp, 18.05.2022, 09:24 Uhr

        Dann aber auch mit den selben Bussen.

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