Radau kann Waldtiere das Leben kosten

Gemütliche Waldweihnachten in Zug? Nicht für Tiere

Du willst nicht wirklich schuld sein, wenn dieses knuffige Reh vor Stress umkippt, oder? (Bild: Rinaldo Gruber)

Waldweihnachten haben in Zeiten von Corona-Massnahmen Hochkonjunktur. Auch in Zug. Die besinnlichen Feiern unter freiem Himmel haben aber Schattenseiten. Für die örtliche Tierwelt kann Radau im Extremfall gar tödlich enden.

Der Wald hat etwas Mystisches, etwas Besinnliches. Und bei ihm gelten Covid-Beschränkungen nur bedingt. Darum feiern seit vergangenem Jahr vermehrt Familien und Grüppchen ihr Weihnachtsfest im Wald, auch auf Anraten des Bundes hin (zentralplus berichtete).

Mit seinen Liebsten und einem heissen Glühwein in der Hand um eine Feuerstelle sitzen kann besinnlich sein. Dazu noch John Lennons «Happy Xmas», das aus einem Handylautsprecher scheppert, ein paar Kerzen und fertig ist die romantisch-rustikale Waldweihnacht. Zumindest für Menschen.

Waldweihnachten als Stressfaktor für die Tiere

Für Wildtiere sind solche Feiern eine Stressbelastung. Denn um durch den nahrungsarmen Winter zu kommen, haben Wildtiere wie Rehe oder Hirsche verschiedene Strategien. Das oberste Gebot dabei: Energie sparen und mit den angefutterten Fettreserven sparsam umgehen.

Das bedeutet wenig Bewegung, den Stoffwechsel durch das Absenken der Körpertemperatur und durch eine reduzierte Herzschlagrate herunterzufahren sowie ein isolierendes, dichtes Winterfell anlegen.

Macht der Mensch zu viel Radau, erschreckt das die Waldbewohner und treibt sie in die Flucht. Im Schnee steigt ihr Energieverbrauch um das Dreifache an, was ihre überlebenswichtigen Fettreserven reduziert.

Dieser Stress beeinflusst beispielsweise das Fortpflanzungsverhalten, kann die Tiere aus ihren gewohnten Gebieten treiben, erhöht die Krankheitsanfälligkeit und führt im Extremfall zum Tod. Das schreibt das Amt für Wald und Wild des Kantons Zug in einer Mitteilung.

Stress kann auch für majestätische Rothirsche gefährlich sein. (Bild: Rinaldo Gruber)

Bis zu 30 Verluste pro Jahr

Exakte Zahlen, wie viele Tiere so umkommen, nennt das Amt nicht. «Wir gehen von 20 bis 30 Tieren pro Winter aus», schreibt uns Martin Ziegler, Leiter Amt für Wald und Wild des Kantons Zug. Allerdings könne selten eindeutig belegt werden, inwieweit der Mensch oder natürliche Stressfaktoren eine Rolle spielten.

Auch einen direkten Zusammenhang zwischen Waldweihnachten und negativen Auswirkungen auf die Wildtiere kann Ziegler nicht belegen und erklärt: «Für die Wildtiere sind im Normalfall nicht Einzelereignisse, sondern die Summe von wiederholenden Störungen über eine längere Zeit relevant.»

«Grundsätzlich gelten auch für Waldweihnachten die üblichen Verhaltensregeln.»

Martin Ziegler, Leiter Amt für Wald und Wild

Bedeutet das, dass Freunde von Waldweihnachten also unbesorgt feiern sollen? Ein klassischer Fall von «Nein, aber…». Denn Ziegler relativiert: «Nicht jedes menschliche Verhalten wirkt sich negativ aus.» Wildtiere reagieren auf gleichartige, konstante Störungen – wie dies zum Beispiel bei regelmässig begangenen Wanderwegen der Fall ist – kaum noch mit Flucht oder Stress. Denn Hirsch und Co. haben sich daran gewöhnt und nutzen diese Stellen nicht als Winterrückzugsort.

Martin Ziegler vom Amt für Wald und Wild im Kanton Zug sorgt sich um das Wohlergehen der Waldbewohner.
Martin Ziegler vom Amt für Wald und Wild im Kanton Zug sorgt sich um das Wohlergehen der Waldbewohner – besonders im Winter. (Bild: Andreas Busslinger)

Ein Freifahrtschein, um mit vier Glühwein intus so richtig die Sau rauszulassen, ist das nicht. «Grundsätzlich gelten auch für Waldweihnachten die üblichen Verhaltensregeln.» Obwohl Waldweihnachten mehrheitlich am Abend in der Dunkelheit gefeiert wird, solle man auf Scheinwerfer oder andere helle Lichtquellen verzichten. Auch laute Musik ist nicht angebracht (Sorry, John Lennon). «Beides passt weder in den Wald noch zur besinnlichen Weihnachtszeit.»

Das gilt in Zuger Wäldern

Aber wo im Kanton wird denn bevorzugt im Wald gefeiert? Gemäss Ziegler können sich beliebte Treffpunkte je nach Wetterlage verschieben. «Im Winter sind besonderes die Gebiete Zugerberg-Walchwilerberg, Hürital-Wildspitz und Raten-Gottschalkenberg betroffen.» Die Problematik im Kanton Zug sei jedoch, dass sich die stark besuchten Gebiete über eine grosse Fläche ausdehnen und auch sehr sensible Lebensräume beinhalten. Ziel des Amtes ist es, an diesen «Hotspots» das Nebeneinander von Mensch und Tier zu ermöglichen. «Um das zu erreichen, sind klare Regeln, aber vor allem auch Information und Sensibilisierung entscheidend.»

Damit also auch die Tiere eine schöne Weihnachtszeit erleben, solltest du dich im Wald an folgende Regeln halten:

  • Im Wald und in Naturlandschaften die offiziellen Wege und bezeichneten Routen benützen. Die Tiere sind sich an diesen Orten an Störungen gewohnt und reagieren entspannter.
  • Die Natur ist ein ruhiges Erholungsgebiet für Mensch und Tier. Musik und Lärm stören nicht nur Wildtiere, sondern auch andere Erholungsuchende.
  • Die Nacht soll Nacht bleiben. In der Nacht sind viele Tiere aktiv und nehmen Nahrung auf. Somit: Keine Partys, keine Musikanlagen, keine grellen Lichter.
  • Hunde unter Kontrolle und auf Wegen halten. Hunde wirken als potenzielle Feinde bedrohlich. Alleine ihr Geruch beeinflusst die Wildtiere in einem grossen Umfeld.
  • Waldränder und in der Winterlandschaft schneefreie Flächen meiden. Das sind die Lieblingsplätze der Wildtiere für Erholung und Nahrung.
  • Wildruhezonen und Wildtierschutzgebiete beachten. Sie bieten Wildtieren ausgedehnte Rückzugsräume ohne menschliche Störungsaktivitäten.
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