Wegen Corona-Mahnwache

Luzerner Alt-Kantonsrätin Heidi Joos zieht vor Bundesgericht

Die Frau hatte am Bahnhofplatz gegen die Corona-Massnahmen demonstriert, als sie verhaftet wurde. (Bild: Gabriel Ammon/Aura)

Der «Fall Heidi Joos» wird demnächst das oberste Schweizer Gericht beschäftigen. Die ehemalige Kantonsrätin aus Luzern wurde an Pfingsten letzten Jahres an einer Protestaktion gegen die Corona-Massnahmen verhaftet. Sie findet, das sei nicht rechtens gewesen und hat deshalb die zuständigen Polizistinnen angezeigt.

«Unverhältnismässig», sei das Vorgehen der Luzerner Polizei an jenem Tag gewesen, findet die ehemalige Parlamentarierin. Ob das stimmt, darüber wird als Nächstes das Bundesgericht befinden. Heidi Joos zieht den Entscheid der Luzerner Staatsanwaltschaft, die Verfahren gegen die 2020 an der Festnahme beteiligten Polizisten einzustellen, an die höchste Instanz weiter.

Was ist der Hintergrund? Heidi Joos hatte am Pfingstsamstag 2020 eine Mahnwache auf dem Bahnhofplatz Luzern besucht. Was danach geschah, schildert eine Medienmitteilung der früheren Poch-Politikerin so: «Nachdem sie ein befreundetes Paar im informellen Gespräch mit der Polizei fotografiert hatte, verwies man sie mittels mündlicher Wegweisung des Platzes. Da sie sich keines Vergehens schuldig machte, verlangte sie diese in schriftlicher Form, um wenigstens im Nachhinein eine Einsprache tätigen zu können. Alsbald eskalierte die Situation.»

Die Nacht verbrachte sie in der Zelle

Ein Polizist habe ihr das Smartphone aus der Hand gerissen, auf dem sensible Kundendaten gespeichert gewesen seien, und sich damit entfernt. «Als sie ihm nachlief, das Mobile zurückfordernd, wurde sie von einigen Polizisten unter Anwendung von Gewalt in Handschellen abgeführt», heisst es in der Mitteilung weiter.

Nach einer Leibesvisitation habe Heidi Joos die Nacht im Polizeibunker verbringen müssen. «Weder gewährte man ihr das Recht auf einen Anwalt, noch durfte sie ihre Angehörigen über das Fernbleiben informieren. Am Pfingstsonntag wurde sie nach einer DNA-Analyse und einer Einvernahme um 10.45 Uhr wieder auf freien Fuss gesetzt.»

Wie unabhängig ist die Staatsanwaltschaft

Wegen dieses aus ihrer Sicht unverhältnismässigen Vorgehens der Polizei reichte Heidi Joos gegen die beteiligten Polizistinnen Strafanzeige ein (zentralplus berichtete). Die Polizei ihrerseits reichte ebenfalls Strafanzeige gegen Heidi Joos ein wegen Hinderung einer Amtshandlung und wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (zentralplus berichtete).

Staatsanwaltschaft und Polizei arbeiten im Alltag Hand in Hand, um Delikte zu ahnden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert, dass deshalb in der Schweiz ein unabhängiges, unparteiisches und schnelles Verfahren für die Bearbeitung von Klagen gegen die Polizei fehle (zentralplus berichtete).

Im vorliegenden Fall liess die Staatsanwaltschaft Luzern den Fall nicht ausserkantonal untersuchen, sondern führte die Untersuchungen selbst (zentralplus berichtete). Ein Staatsanwalt, der sonst nicht direkt mit den beschuldigten Polizistinnen zusammenarbeitet, kam zum Schluss, dass sich die Polizisten nicht strafbar gemacht hätten – und stellte das Verfahren ein (zentralplus berichtete). Heidi Joos sollte die Anwaltskosten der Luzerner Polizei von 6'000 Franken übernehmen.

Strafverfahren gegen Heidi Joos ist noch hängig

Das Kantonsgericht bestätigte die Einstellungsverfügung, kam aber zum Schluss, es sei nicht rechtens, der ehemaligen Kantonsrätin die Kosten für die Verteidigung der Polizistinnen aufzubürden. Die Verfahrens- und Gerichtskosten allerdings – wiederum 6'000 Franken – wurden ihr auferlegt.

Als Nächstes also kommt der Fall vors Bundesgericht. Wie weit das Strafverfahren gegen Heidi Joos selbst – wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden – fortgeschritten ist, geht aus der Mitteilung von ihr nicht hervor. Auf Anfrage heisst es diesbezüglich seitens der Staatsanwaltschaft, das Verfahren sei noch hängig.

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7 Kommentare
  • Profilfoto von Sollberger Hensler
    Sollberger Hensler, 24.09.2021, 20:24 Uhr

    Die Luzerner Polizei ist bekannt für Missbrauch, Gewalt und Willkür.
    Und wird von der Luzerner Staatsanwaltschaft stets gedeckt. Amtsmissbrauch für Amtsmissbrauch.
    Mann dankt sich dann beim nächtlichen, kostenfreien Puffbesuch.

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  • Profilfoto von Paul Vogel
    Paul Vogel, 24.09.2021, 16:33 Uhr

    Ich bin nicht eine „Öffentliche Person“ und daher wohl keine Schlagzeile wert. Aber das kreative Vorgehen der Polizei/Staatsanwaltschaft kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Bin Luzerner mit mehreren 100 Jahren Stammbaum … aber ja, scheissegal!! Muss mich von inzwischen auf meinem privaten Grundstück von Uniformierten demütigen lassen, welche wohl gewaltig selbstsicher/ausgebildet auftreten, aber offensichtlich irgendwo in Europa einen Fensterplatz hatten. Will hier niemanden beleidigen, aber das Schicksal ist so, dass ich in meinem Bekanntenkreis einige Staatsanwälte und Polizisten habe welche meine Zeilen gerne bestätigen. Es ist leider nicht mehr das Land wofür sich meine Eltern abgerackert haben. Macht mich wirklich traurig

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  • Profilfoto von schaltjahr
    schaltjahr, 22.09.2021, 15:08 Uhr

    Staatsanwaltschaft und Polizei sind im Kanton Luzern viel zu eng miteinander verbunden und «man kennt sich». Das Bundesgericht wird das erste Gericht sein, welches die Klage der Frau Joos unabhängig verhandeln kann. ich wünsche der klägerin noch viel Ausdauer und hoffe, dass ein unabhängiger Entscheid getroffen wird ..

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  • Profilfoto von Andreas
    Andreas, 22.09.2021, 14:31 Uhr

    Die Luzerner Polizei hat schon länger ein ausgesprochenes Gewaltproblem in den eigenen Reihen.

    Die Staatsanwaltschaft unter dem leitenden Staatsanwalt verfolgt aus Prinzip keinen Amtsmissbrauch, auch wenn dieser objektiv klar erfüllt ist. Fehlende Unabhängigkeit und Befangenheit sind leider an der Tagesordnung.

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  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 22.09.2021, 14:23 Uhr

    Bravo Frau Joos! 🍀❤️

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  • Profilfoto von Thomas Aeberhart
    Thomas Aeberhart, 22.09.2021, 10:17 Uhr

    EIn klassischer Fall von Polizeiwillkür, wie er in der Schweiz immer wieder vorkommt und gegen die man als Bürger rechtlich keine Chancen hat. Dies zeigt ja auch, dass völlig überflüssigerweise eine DNA-Probe entnommen worden war (zur Feststelleung welchen Tatverdachts?)
    Polizisten decken sich selbst mit ihren Zeugenaussagen und gelten als glaubwürdigere Quellen als Dritte. Steht es Aussage gegen Aussage, hat man keine Chance.

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    • Profilfoto von mvonrotz
      mvonrotz, 22.09.2021, 10:59 Uhr

      Sie waren demnach dabei und konnten alle involvierten Parteien genauestens überwachen und haben alle Informationen. Wohl eher nicht! Deshalb ist Ihre Aussage dass dies Polizeiwillkür sei eine reine Provokation und nichts mehr!

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