Bundesrätin zu Besuch in Emmenbrücke

Sommaruga sieht am Seetalplatz Verkehrsregime der Zukunft

Die Bundesrätin kam mit dem Postauto: Simonetta Sommaruga (rechts) bei ihrer Ankunft in Emmenbrücke. (Bild: ios)

Stadt und Land besser miteinander verknüpfen und die Stadt vom Verkehr entlasten. Wie man diese zwei Fliegen auf einen Streich schlägt, illustrierte Bundesrätin Simonetta Sommaruga am Beispiel des Seetalplatzes. Vor Ort präsentierte sie die Vision des künftigen Pendlerverkehrs.

Die «Erklärung von Emmenbrücke». Das klingt schon mal ziemlich gewichtig. Freilich nicht in der gleichen Liga wie der «Vertrag von Versailles», das «Kyoto-Protokoll» oder das «Pariser Abkommen», aber schon noch wichtig...

Zwar wurde an diesem Nachmittag in Emmenbrücke weder das Ende eines Weltkrieges erklärt, noch hehre Klimaziele ausgerufen. Dennoch wehte ein Hauch hochoffiziellstem Staatspomp durch die Luzerner Agglogemeinde, ausgehend von Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die zu Besuch war.

Die Verkehrsministerin war nach Emmenbrücke gereist, um der Öffentlichkeit die Idee der «Verkehrsdrehscheiben» näherzubringen. Der Bund will solche Knotenpunkte des Pendlerverkehrs in den nächsten Jahren gezielt fördern. Gemeinsam mit Vertretern von Kantonen, Städten und Gemeinden unterschrieb Sommaruga eine dahingehende Zusammenarbeitsvereinbarung – die Erklärung von Emmenbrücke.

Was sind Verkehrsdrehscheiben?

Weshalb ausgerechnet Emmenbrücke? Der Bund hat eine relativ konkrete Vorstellung davon, was er sich unter einer «gut funktionierenden Verkehrsdrehscheibe» vorstellt. Gemäss dem Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) sind Verkehrsdrehscheiben «Umsteigepunkte, welche verschiedene Verkehrsmittel vernetzen, ein vielseitiges Angebot bieten und kurze Wege sowie eine stärkere Verknüpfung mit dem Umland ermöglichen».

Das hört sich zunächst einigermassen plump nach Park & Ride an. Verkehrsdrehscheiben sollen allerdings doch schon einiges mehr bieten. Konkret sollen sie jeweils das gesamte Bahnhofsumfeld städtebaulich aufwerten, neue Siedlungen ermöglichen und so wiederum den ÖV attraktiveren.

So sollen die Verkehrsdrehscheiben funktionieren:

Verkehrsdrehscheiben soll das schnelle und reibungslose Umsteigen vom Auto auf für Städte geeignetere Verkehrsmittel ermöglichen. (Grafik: Bundesamt für Raumentwicklung)

Weshalb braucht es solche Drehscheiben?

Kurz gesagt: Schuld ist der Stau. Grade die städtischen Strassennetze sind schon heute überlastet, wie Autopendler von nah und fern praktisch tagtäglich am eigenen Leib zu spüren bekommen. Dennoch steigt die Mobilitätsnachfrage weiter an, wie der Bund analysiert hat. Es ist folglich kein Geheimnis, dass eine «Konzentration auf effiziente Verkehrsmittel» angestrebt wird.

An Lösungsansätzen, wie der geneigte Autopendler zur Nutzung des ÖV, Fuss- und Veloverkehr motiviert werden kann, haben sich schon einige Verkehrsplaner die Zähne ausgebissen. Nun sehen Bund, Kantone, Städte und Gemeinden im Modell der Verkehrsdrehscheiben einen Ansatz, um das Potenzial dieser «kombinierten Mobilität» besser auszuschöpfen.

«Verkehrsdrehscheiben verbinden Stadt und Land, die verschiedenen Verkehrsmittel und auch die verschiedenen Staatsebenen, die hierfür zusammenarbeiten.»

Simonetta Sommaruga, Bundesrätin

Bundesrätin Sommeruga betonte jedoch, dass es dabei nicht darum gehe, die verschiedenen Verkehrsmittel gegeneinander auszuspielen. «Es geht nicht darum, für oder gegen das Auto oder das Velo zu sein», erklärte die Bundesrätin Gästen aus Politik und diversen Verbänden. Die hatten sich vor dem Zwischennutzungsareal NF49 zusammengefunden, um den Worten der SP-Magistratin zu lauschen.

Stattdessen betonte Sommeruga den verbindenden Grundgedanken dieser Drehscheiben: «Sie verbinden Stadt und Land, die verschiedenen Verkehrsmittel und auch die verschiedenen Staatsebenen, die hierfür zusammenarbeiten.»

Warum ist der Seetalplatz ein Musterbeispiel?

Im Modell der Verkehrsdrehscheiben spielen die Agglomerationen wie Emmenbrücke eine zentrale Rolle. Wie erwähnt, soll die Förderung einer Drehscheibe immer auch eine Förderung des Bahnhofsumfelds sein. Und mehr noch als das: Letztlich sollen durch diese Förderung «dezentrale Knoten- und Subzentrenstruktur zur Entlastung von überlasteten Hauptbahnhöfen» entstehen.

Mit anderen Worten: Die stadtnahen Bus und Bahnhöfe in der Agglo – und das Gebiet um sie herum – sollen derart attraktiv gestaltet sein, dass man diese lieber nutzt, als sich in der eigenen Karre durch die Stadt zu schleichen. Eine ganze Liste von Ortschaften mit «gelungenen Beispielen» wurde erstellt. Ganz oben mit dabei: Emmenbrücke – insbesondere der Seetalplatz.

Genau deshalb ist die Bundesrätin letztlich nach Emmenbrücke gekommen. «Vom Bus, zum Zug bis zur Autobahn – hier in Emmenbrücke kommt wirklich alles zusammen», so Sommaruga. Auch der Luzerner Regierungsratspräsident Marcel Schwerzmann wies in seinem Grusswort auf die besondere Lage Emmenbrückes und des Seetalplatzes hin: «Hier kommen das Seetal, Reusstal, Surental und selbst das Entlebuch zusammen.»

Ist der Standort alleine schon entscheidend?

Die Lage alleine macht die Drehscheibe noch nicht zum Vorzeigemodell. Insbesondere zwei Faktoren spielen hierbei eine gewichtige Rolle: Zum einen die grossangelegte Neugestaltung des Verkehrsregimes rund um den Seetalplatz, die 2018 abgeschlossen wurde. Der Bushub wurde bereits zwei Jahre zuvor in Betrieb genommen. Insbesondere dieser zeige Wirkung: Die Zahl der Ein- und Aussteigenden am Bahnhof sei innert knapp vier Jahren um 45 Prozent gestiegen.

Der andere Faktor betrifft die geplante Weiterentwicklung des Gebiets. Da sind etwa die Pläne für die Smart City Luzern-Nord (zentralplus berichtete) oder das geplante kantonale Verwaltungsgebäude, das hier entstehen soll (zentralplus berichtete).

In den nächsten Jahren sollen rund um den Seetalplatz gegen 4000 Arbeitsplätze und 1500 Wohnungen entstehen, wie der Emmer Gemeinderat Josef Schmidli ausführte. Der damit verbundene Verkehr und die entsprechende Siedlungsentwicklung gelte es zu bewältigen und als Chance für Emmen als Gemeinde zu nutzen.

Mehr zur Smart City erfährst du im Video:

Aber was ist mit dem Durchgangsbahnhof?

Emmenbrücke sei zwar noch lange nicht zu Ende entwickelt und dennoch bereits ein «Leuchtturmprojekt», resümierte Sommeruga im Anschluss in der Viscosistadt. Die lobenden Worte der Bundesrätin an Emmenbrücke und die scheinbar strahlende Zukunft des Seetalplatzes als Verkehrsdrehscheibe, könnten mancher Luzernerin den Angstschweiss auf die Stirn treiben. «Aber was ist mit dem Durchgangsbahnhof?», so die Frage, die auf der Zunge liegt. Der Magnum Opus der luzernerischen Verkehrsplanung soll doch schliesslich Die Verkehrsdrehscheibe überhaupt werden. Weshalb ist es jetzt also nicht die «Erklärung von Luzern»?

Die gute Nachricht: Der Durchgangsbahnhof wird in der Publikation des Bundes «Verkehrsdrehscheiben – Gute Beispiele aus der Schweiz und dem Ausland» erwähnt und gewürdigt. Der Bahnhof Luzern wird darin als «Dreh- und Angelpunkt des öffentlichen Verkehrs in der Zentralschweiz» ausgewiesen.

«Wir haben viel vor. Es ist spannend – es fäggt.»

Simonetta Sommaruga

Zudem wird festgehalten, dass die Infrastruktur des Bahnhofs ihre Leistungsfähigkeit erreicht hat. «Der Bund, die Kantone Luzern, Nidwalden und Obwalden, die Stadt Luzern sowie die SBB wollen mit dem Durchgangsbahnhof (DBL) das Angebot und das Bahnnetz mittelfristig erweitern», heisst es in der Publikation. Der Zeithorizont wird dabei weiterhin als 2040 angegeben – also alles auf Kurs. Mit dieser Erkenntnis kann man sich den Angstschweiss vorübergehend etwas abtupfen.

Und nur um ganz sicher zu sein, betrieben sowohl Regierungsrat Fabian Peter, wie auch Stadtrat Adrian Borgula in ihren Referaten ein bisschen pro-DBL-Namedropping, im Wissen darum, dass die bundesrätlichen Ohren sich diesen Plädoyers für den Durchgangsbahnhof nicht entziehen konnten. Zur Erinnerung: Der Bundesrat hat noch nicht endgültig entschieden (zentralplus berichtete).

Wie geht es jetzt weiter?

Tatsache ist, dass am Donnerstag letztlich eine Zusammenarbeitsvereinbarung unterzeichnet wurde. Bund, Kantone, Städte und Gemeinden wollen in Zukunft vertieft zusammenarbeiten. Konkrete Massnahmenpakete gibt es noch keine. Wer welche Aufgabe übernimmt, ist indes schon definiert worden: Der Bund schafft die fachlichen Grundlagen zur Förderung von Verkehrsdrehscheiben.

Zudem richtet er seine Infrastrukturinstrumente wie die Agglomerationsprogramme und strategischen Entwicklungsprogramme für Nationalstrasse und Schiene verstärkt auf die Förderung von Verkehrsdrehscheiben aus. «Geld ist vorhanden», versicherte Sommerauga.

Die Kantone, Agglomerationen, Städte und Gemeinden kümmern sich derweil um die Ausarbeitung konkreter Konzepte und um die Umsetzung Projekte – in Zusammenarbeit mit dem Bund versteht sich. Die nächsten Jahre werden also zeigen, ob andere Gemeinden anbeissen und sich ein Beispiel an Emmenbrücke nehmen werden. Die angereiste Bundesrätin ist jedenfalls überzeugt davon: «Wir haben viel vor. Es ist spannend – es fäggt.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von K. Rawatte
    K. Rawatte, 10.09.2021, 18:06 Uhr

    Auf Bild 9 haben Sie vergessen, den Mäsi zu erwähnen, steht prominent in der Mitte. Und der Sepp aus Emmen gibt sich underdressed.

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  • Profilfoto von RoDa
    RoDa, 09.09.2021, 22:51 Uhr

    Witzig, ausgerechnet den Seetalplatz zu loben, jener Platz welcher zu Horrender Summe umgebaut wurde, und weiterhin tägliches Verkehrschaos verursacht. Das Verkehrsaufkommen in der Stadt könnte auch auf einfache weise reduziert werden: mit jedem abgebauten Parkplatz steigt der Verkehr. Schon jetzt besteht ein Grossteil des Verkehrs aus Parkplatz suchenden, die endlos Block für Block abfahren müssen.

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