Geschichte der Luzernerin Lisa Bachmann

Regenbogenfamilie: Wie zwei Frauen Kinder kriegen

Eine glückliche Familie: Lisa Bachmann (links) mit ihrer damaligen Partnerin Maya und Sohn Lou und Tochter Malin. (Bild: zvg)

Bald stimmen wir über die «Ehe für alle» ab. Mit einem Ja würden verheiratete Frauenpaare Zugang zur Samenspende erhalten. Anders als früher, wie das Beispiel der Luzernerin Lisa Bachmann und ihrer damaligen Partnerin zeigt. Vor 21 Jahren wurden sie zum ersten Mal schwanger.

Lisa Bachmann ist keine Unbekannte. Vier Jahrzehnte hat sie an der Kantonsschule Musegg Theater unterrichtet und rund 60 Theaterstücke realisiert (zentralplus berichtete).

Auch als Lesbe ist sie keine Unbekannte in Luzern. 1999 hat sie sich öffentlich in der Sendung des Schweizer Fernsehens «Quer» zum Thema «lesbische Mütter» geäussert. Den Begriff der «Regenbogenfamilie» gab es damals noch nicht. Familien, in denen sich mindestens ein Elternteil als lesbisch, schwul, bisexuell oder trans versteht, existierten aber auch damals schon.

Wir treffen Lisa Bachmann (68) mit ihrer Tochter Malin (18) an einem sonnigen Septembertag im «Mardi Gras» in der Luzerner Kleinstadt. Malin streckt uns ihr Handy entgegen, auf dem Display sehen wir das Bild einer Familie. Einer glücklichen Familie. Mit «Mama Lisa», Mami Maya, ihrem Bruder Lou und ihrem Vater. «Man erkennt auf den ersten Blick, dass er der Vater ist», sagt Lisa Bachmann und lacht.

Von Anfang an war klar: Die Kinder sollen einen Vater haben

Sie wuchs in einer Zeit auf, in der Homosexualität noch völlig tabuisiert war. Als das Comingout der US-Tennisspielerin Martina Navratilova, die sich im Jahr 1981 zu ihrer Liebe zu Frauen bekannte, ein «Riesending» war. Schliesslich war sie die erste weltweit bekannte Sportlerin, die sich outete. «Wir haben damals wahnsinnig gefant», sagt Lisa Bachmann. «Endlich gab es mal jemand zu!»

Lisa Bachmann wünschte sich schon als junge Frau eine Familie. Weil sie sich nicht zu Männern hingezogen fühlte, habe sie diesen Wunsch aber schnell beerdigt. Im Kopf, nicht im Herzen. «Weh tat es trotzdem.» Das änderte sich, als sie ihre damalige Lebenspartnerin kennenlernte und sich verliebte. Denn Maya wünschte sich ein Kind – und zwar mit Lisa.

«Uns war klar: Wir suchen einen Vater für das Kind. Und unser Kind wird seinen Vater kennenlernen.»

Lisa Bachmann

Ganz so einfach ist das für zwei lesbische Frauen in der Schweiz bekanntlich nicht. Das Paar diskutierte die Möglichkeiten, die ihnen blieben. «Für uns war schnell klar: Wir wollen keine Spiele spielen und uns irgendwo in den Ferien schwängern lassen. Uns war klar: Wir suchen einen Vater für das Kind. Und unser Kind wird seinen Vater kennenlernen.»

Viele Verträge – doch der Vater bleibt den Behörden geheim

Lisas damalige Partnerin – heute leben sie getrennt – kannte einen schwulen Mann, mit dem das Paar sich schliesslich getroffen hat. In einer Beiz beim Bahnhof Zürich. «Diese Szene würde ich heute noch gerne filmen», sagt Lisa Bachmann. Lustig sei es gewesen, wie sie da sassen und zwei Stunden lang über das «Projekt» Familie gesprochen haben. Der Mann – der zukünftige Vater – war nach reiflicher Überlegung damit einverstanden. Er – «leicht buddhistisch angehaucht» – stellte aber eine Bedingung: «Wenn wir wollen, dass die Seele kommt, machen wir das richtig.» Was er damit meinte? Sex haben. «Keine Bechermethode», sagt Tochter Malin und lacht.

«Ich wurde oft gefragt, ob es für mich nicht unerträglich war, dass meine Partnerin mit einem Mann schläft.»

Lisa Bachmann

Beim dritten Versuch klappte es, Lisas Partnerin wurde schwanger. 2000 kam Sohn Lou zur Welt, 2003 Tochter Malin. «Ich wurde oft gefragt, ob es für mich nicht unerträglich war, dass meine Partnerin mit einem Mann schläft», sagt Lisa Bachmann. «Für mich war von Anfang an klar: Es geht nicht um Sex. Es geht um Elternschaft.»

«Zwecks Feststellung der Partnerschaft» wurde Lisas Partnerin von der Vormundschaftsdirektion eingeladen. Zu dritt mit dem Kind kreuzten die beiden Mütter auf. Mit allen Papieren: Partnerschafts- und Unterhaltsvertrag, Todesfallrisikoversicherung, und so weiter und so fort. So viel sie auf dem Papier auch geregelt haben, der Name des Vaters steht darauf nirgends. «Wir haben mit ihm vereinbart, dass er den Behörden unbekannt bleibt. Er bezahlt keine Beiträge – darf aber als Vater regelmässig Kontakt zu seinem Kind haben.» Dafür brauchte es vor allem eines: gegenseitiges Vertrauen.

Wann hat Tochter Malin erfahren, wie sie und ihr Bruder entstanden sind? «Mega früh. Seit ich das überhaupt verstehen kann», sagt die 18-Jährige. Mit dem Vater, der wieder in Brasilien lebt, pflegt die ganze Familie ein enges und sehr herzliches Verhältnis. «Er wünschte sich immer eine Familie in der Schweiz», sagt Lisa Bachmann. «Und wir geben ihm hier ein bisschen Halt.» Der Vater ist zu Besuch, wenn seine Kinder Geburtstag feiern. Er war hier, als Malin und Lou ihren ersten Tag im Kindergarten oder den ersten Schultag hatten. «Da haben wir doch zusammen einen Schnitzelturm im Centro gegessen», sagt Lisa Bachmann zu ihrer Tochter. Auch davon gibt es noch Fotos.

Malin (18, links) mit ihrer Mama Lisa, Lisa Bachmann (68, rechts). (Bild: ida)

Die Heirat hätte vieles vereinfacht

Das Paar hatte Glück, auf eine Beamtin zu treffen, die es gut mit ihnen meinte. Eine, die überzeugt davon war, dass vor ihr zwei Mütter stehen, die es gut mit ihrem Kind meinen. Denn eigentlich hatte die Beamtin den Auftrag, den Vater ausfindig zu machen. Sie setzte sich aber dafür ein, dass das Verfahren eingestellt wurde. Lisa Bachmann spricht von «Beamtenwillkür». Was, wenn die Behörden nicht so flexibel gewesen wären? Sie an Beamtinnen geraten wären, die ihnen das Leben schwer gemacht hätten? Wenn ihrer Partnerin etwas zugestossen wäre, was wäre mit den Kindern passiert?

Fragen, die sich bei einem Ja zur «Ehe für alle» nicht gestellt hätten. Der nationale Dachverband Regenbogenfamilien schätzt, dass bis zu 30'000 Kinder in sogenannten Regenbogenfamilien aufwachsen. Mit einem Ja zur «Ehe für alle» öffnet sich die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Auch bei der Familiengründung sollen homosexuelle Paare gleichgestellt werden. Gleichgeschlechtliche Paare würden damit gemeinsam ein Kind adoptieren können, verheiratete Frauenpaare den Zugang zur gesetzlich geregelten Samenspende erhalten.

«Kein gleichgeschlechtliches Paar wird aus dem Blauen heraus einfach so Eltern», sagt Bachmann. Es braucht diese Sorgfalt, die nötig ist, das «Projekt Familie» anzugehen. Dutzende Verträge. «Und darum glaube ich, Regenbogeneltern sind sehr gute Eltern. Sie setzen sich mit ihrer Elternschaft sehr intensiv auseinander, mindestens so sehr wie ‹normale› Eltern.»

Hätten sie damals heiraten können, wäre alles mit einer Unterschrift geregelt gewesen. Gerade vor ein paar Wochen wurde ihr das wieder bewusst. Als Malin nach einem Unfall im Spital landete und Bachmann sich nach dem Zustand ihrer Tochter erkundigen wollte. Sie sei gefragt worden, ob sie denn Malins Mutter sei. Bachmann präzisierte: Ja, aber nicht die leibliche. Es gab ein Hin und Her, Malin, die ja volljährig ist, gab längst ihr Okay, bis es wiederum hiess, ob da nicht auch die leibliche Mutter noch was zu sagen hätte. «Ich hätte auf ihre Frage, ob ich Malins Mutter sei, schlicht und einfach mit Ja antworten können», sagt Bachmann. «Ich sage nicht in allen Situationen, dass sie meine Tochter ist. Auch wenn ich das schon immer so empfunden habe.» Auch davon sei sie noch nicht ganz davon gefeit. «Manchmal wollen wir es eben auch überrkorrekt machen», sagt Malin.

Im folgenden Artikel erfährst du, wie es Malin als Kind einer Regenbogenfamilie geht. Denn wir wollten mit ihr und nicht über sie sprechen:

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Michel von der Schwand
    Michel von der Schwand, 06.09.2021, 11:57 Uhr

    Ich sehe das Lachen von Malin! Wunderschön und ich weiss, alles ist gut. Das ist gut so und trotzdem bricht es mir das Herz. Unnötig, dass diese Debatte überhaupt geführt werden muss. Egal, ob zwei Mütter, zwei Papis, zwei Mütter und ein Papi. Wen hat das zu interessieren? Niemanden. Love is love und das ist alles was zählt.

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