Klimaziel 2040: Utopie oder Realität?

So will Luzern Benzinmotoren aus der Stadt verbannen

Benzin-Autos sollen künftig keine freie Fahrt mehr haben. (Bild: Adobe Stock)

Bis 2040 müssen alle in der Stadt Luzern immatrikulierten Fahrzeuge ohne Verbrennungsmotor unterwegs sein. Ist das Ziel realistisch? Und wie will die Stadt Luzern dieses erreichen? zentralplus zeigt auf, welche Massnahmen die Stadt erwägt und welche Entwicklungen das Unterfangen tatsächlich zum Fliegen bringen könnten.

Knapp 44’800 Motorfahrzeuge stehen aktuell in der Stadt Luzern. Bis 2040 müssten sie sich praktische alle auf dem Schrottplatz stapeln. Theoretisch. Die Stadt Luzern will nämlich, dass bis 2040 alle in der Stadt immatrikulierten Fahrzeuge elektrisch oder erneuerbar angetrieben sind. Dies, um Klima- und Energieziele zu erreichen, die vergangenen Freitag vorgestellt wurden (zentralplus berichtete).

Es ist, zumindest auf den ersten Blick, ein extrem ambitioniertes Ziel – und nicht minder kontrovers. Darf die Stadt mir sagen, was für ein Auto ich fahren muss? Welchen Einfluss hat die Stadt bei der Immatrikulation von neuen Autos überhaupt? Und auch sonst: Ist dieser Zeithorizont realistisch? Hier findest du die Antworten darauf.

1. Kann die Stadt bestimmen, was für Auto-Typen in Luzern zugelassen werden?

Nein. Zumindest heute noch nicht. Die Immatrikulation von Fahrzeugen ist Sache des jeweiligen Standortkantons. Dein neues Auto registriert du also beim Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern. Um zu bestimmen, welche Fahrzeugtypen Bewohner der Stadt Luzern nutzen dürften, bräuchte es also eine Neuregelung mindestens auf kantonaler Ebene, wahrscheinlich aber auch auf nationaler Ebene, da es um Fragen zur freien Wahl des Konsumenten geht.

Die Stadt versteht ihr Ziel diesbezüglich als «Ziel auf strategischer Ebene», wie Gregor Schmid, Leiter Umweltschutz der Stadt Luzern, gegenüber zentralplus ausführt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Rechtslage bezüglich Verbrennungsmotoren in den nächsten zwei Jahrzehnten deutlich verändert. Mit diesem Weitblick wurde das Ziel definiert. «Unser direkter Einfluss auf dieses Ziel ist derweil natürlich klein. Wir können die Zielerreichung jedoch mit indirekt wirkenden Massnahmen unterstützen», erklärt Schmid.

2. Was will die Stadt tun, um das Ziel zu erreichen?

Bis 2023 will die Stadt ein «Gesamtkonzept zu erneuerbaren Antriebskonzepten in der Mobilität» ausarbeiten, wie der neuen Klima- und Energiestrategie zu entnehmen ist. Dazu sollen auch die Energiedienstleister EWL und CKW einbezogen werden. Aus dem Konzept will der Stadtrat geeignete Massnahmen zur Förderung der Elektromobilität ableiten. Das Konzept soll bis Mitte 2023 vorliegen.

Es gibt denn auch bereits eine Liste von konkreten Themen und möglichen Ideen, die das Gesamtkonzept behandeln und ausloten soll.

3. Welche Themen werden in diesem Konzept behandelt?

Einige der im Konzept zu behandelnden Themen dürften bei manchen Luzernerinnen ein mildes Déjà-vu auslösen. Mehrere Punkte drehen sich nämlich um die Ladeinfrastruktur für elektrisch betriebene Personenfahrzeuge. Dieses Thema wurde zuletzt auch schon im politisch hart umkämpften Parkplatzreglement prominent behandelt (zentralplus berichtete).

Förderbeiträge und Vorgaben: So soll das Konzept nun etwa die Möglichkeit von Förderbeiträgen für Ladeinfrastrukturen in bestehenden Liegenschaften prüfen oder auch, welche Vorgaben im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens bezüglich Ladeinfrastrukturen in Neu- und wesentlichen Umbauten gemacht werden könnten.

Bevorzugung im Parkhaus: Spannender sind jedoch die Überlegungen, die in Richtung Bevorzugung oder Beschränkung gehen. Zum Beispiel sollen die «Einflussmöglichkeiten zur Bevorzugung klimafreundlicher und energieeffizienter Fahrzeuge in öffentlich zugänglichen Parkierungsanlagen» geprüft werden. Den Verbrenner müsste man somit in den hinteren Winkeln des Parkhauses abstellen.

Nullemissionszonen: Eine andere Idee sieht Zugangsbeschränkungen in gewissen Strassenabschnitten oder Stadtteilen vor. Die Idee solcher «Nullemissionszonen» kam zuletzt auch im Kanton Zug auf. Dort fordert die CVP im Frühjahr mittels einer Motion die Regierung auf, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, dass die Gemeinden ab dem Jahre 2025 Nullemissionszonen einführen können.

Dabei orientiert man sich unter anderem an der Stadt London. Dort läuft derzeit eine Testphase auf einem Strassenabschnitt. Auch London hat sich zum Ziel gesetzt, dass der Verkehr im Stadtzentrum bis 2040 komplett CO2-neutral ist (zentralplus berichtete).

«Abwrackprämie»: Auch eine Idee aus Deutschland soll zumindest geprüft werden: die sogenannte «Abwrackprämie». Beim Ersatz eines fossil angetriebenen Fahrzeuges durch ein verbrauchsarmes Fahrzeug mit erneuerbarem Antrieb erhält man dort eine gewisse Prämie.

4. Wie entwickelt sich der Verkauf von E-Autos in Luzern?

Es gibt bekanntlich auch Stimmen, die sagen, dass der Markt alles alleine regelt – auch die Elektromobilität. Ein Blick in die Zahlen des Bundes erlauben eine Einsicht darüber, wo der Kanton Luzern diesbezüglich steht. Der folgenden Karte ist die Zahl an Elektroautos und der prozentuale Anteil am Personenwagenbestand zu entnehmen:

Der Blick auf die Luzerner Zahlen vermag die E-Auto-Euphorie zu bremsen. Die 1958 Elektroautos machen gerade einmal 0,9 Prozent am gesamten Bestand an Autos im Kanton aus. Aber auch der nationale Spitzenreiter Zug kommt nicht über 2 Prozent an E-Autos hinaus.

Allerdings muss man sich bei diesen Zahlen zwingend auch deren Entwicklung ansehen. Schweizweit hat sich die Zahl der Elektroautos von 2018 auf 2019 um 144 Prozent gesteigert. Im Corona-Jahr 2020 brachen die Autoverkäufe zwar durchs Band ein, dennoch wurden nochmals rund 50 Prozent mehr Elektroautos als im Vorjahr verkauft. Bei den Hybridautos wurde sogar eine Steigerung von knapp 79 Prozent festgestellt. Es ist also eine relativ steile Kurve gegen oben, die sich in diesem Segment für die nächsten Jahre abzeichnet.

5. Wie hat sich der Verkehr in der Stadt entwickelt?

Um einschätzen zu können, ob die Stadt Luzern die Ziele des Stadtrates mitträgt, lohnt sich möglicherweise auch der Blick auf die Verkehrsentwicklung in der Innenstadt. Gefühlt hat der Verkehr in der Innenstadt Luzerns in den vergangenen Jahren massiv zugenommen. Korrekter ist wohl, dass er während der Stosszeiten stark zugenommen hat.

Die Seebrücke ist ein guter Indikator für das Verkehrsaufkommen in der Innenstadt. Und dieser hat, einigermassen überraschend, in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen. Im Jahr 2000 wurden täglich rund 43’500 Fahrten über die Brücke registriert. 2018 waren es noch 34’900 Fahrten. Wo der Verkehr in der gleichen Zeit jedoch massiv zugenommen hat, ist in den Agglogemeinden rund um die Stadt herum.

6. Wie haben es die Städter überhaupt mit dem Auto?

Damit stellt sich die Frage, wer in der Stadt Luzern überhaupt noch Auto fährt und ob sich dort allenfalls ein Trend ausmachen lässt. Tatsächlich hat die Zahl der autofreien Haushalte in der Stadt zuletzt kontinuierlich zugenommen und ist mittlerweile auf rund 44 Prozent angewachsen.

Diese Zahlen können jedoch auch täuschen. Aufgrund des Bevölkerungswachstums ist es nämlich nicht so, dass die totale Anzahl Autos in der Stadt gleich drastisch abgenommen hat, wie folgende Grafik zeigt:

7. Und ist das Ziel nun realistisch?

Ist das Ziel, dass bis 2040 alle in der Stadt immatrikulierten Fahrzeuge elektrisch oder erneuerbar angetrieben sind, nun also realistisch oder nicht? Angesichts der rasanten Entwicklungen bei der Elektromobilität in den letzten Jahren und dem zunehmenden politischen Druck scheint das Ziel zumindest nicht völlig ausser Reichweite.

«Die Mobilität ist aktuell ein extrem dynamisches Feld – sowohl in Bezug auf die Technologie, wie auch politisch», sagt der städtische Klimachef Gregor Schmid dazu. «In 10 Jahren werden wir bereits an einem markant anderen Punkt stehen und gewisse Ideen, die heute noch kontrovers diskutiert werden, bereits als Selbstverständlichkeit wahrnehmen.»

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5 Kommentare
  • Profilfoto von Michel von der Schwand
    Michel von der Schwand, 16.08.2021, 14:35 Uhr

    Der bünzlige und schweizeriche Fingerzeig-Fetischismus bringt uns nicht weiter. Das Kindergartenverhalten gehört ins vergangene Jahrhundert. Es hat zuviele BREMSER auf dieser Welt. Dazu noch etliche Angsthasen und Pausenclowns. So kommen wir nicht weiter. Nur eine aufgeklärte, innovative und angstbefreite Gesellschaft wird in der Lage sein, die nötigen Änderungen herbei zu führen.

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  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 16.08.2021, 05:53 Uhr

    Wenn die Stadt konsequent wäre könnte ich dieses Ziel sogar ernst nehmen. Einweggrills, Cartourismus und Feuerwerke erstmal per sofort verbieten, Motorboote runter vom See, Massentierhaltung adieu etc.
    Dies sind einfacher zu erreichende Ziele. Hopp!

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    • Profilfoto von mvonrotz
      mvonrotz, 16.08.2021, 09:32 Uhr

      Und alle Mobile Telefone und Computer verbieten und zurück zu Fixnet und gedruckter und geschriebener Information. Also zurück in die «Steinzeit» wenn man das so liest. Die Schweiz ist verantwortlich für 1 Promille der weltweiten CO2 Bilanz. Jedes Jahr wächst der Ausstoss der «Grossen» um mehrere Prozente. Selbst wenn wir Morgen alle auf 0 stellen würden, also alle tot sind, hätte dies absolut keinen Einfluss auf den Rest der Welt. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin bereit mich einzuschränken und auch mehr zu zahlen für gewisse Dinge. Aber einfach alles verbieten, da wehre ich mich bis zum letzten Atemzug dagegen!!

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      • Profilfoto von Roli Greter
        Roli Greter, 16.08.2021, 09:59 Uhr

        Es geht mit einzig um die Verhältnismässigkeit Herr oder Frau von Rotz 😉

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    • Profilfoto von Urs Eggler
      Urs Eggler, 16.08.2021, 12:40 Uhr

      Betreffend der Verhältnissmässigkeit kann ich als Ruderer nie verstehen, dass an einem schönen Sommertag Tausende von Menschen rund um den See sich vom Motorenlärm beschallen lassen müssen, nur weil ein einziger Motobootfahrer einen Hormonschub hat. Dito mit Privatfliegerei, Harleys und generell mit Motorsport, das ist halt einfach nicht mehr zeitgemäss.

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