Sie wollte ihn verlassen

Mann stach in Luzern auf seine Frau ein – dafür drohen 7,5 Jahre Gefängnis

Die Schwester holte sich nur rasch einen Kaffee – als sie zurück kam, lag das Opfer blutend am Boden. (Bild: Adobe Stock)

Weil sie untreu war, soll ein Mann in Luzern mehrfach mit einem 21 Zentimeter langen Messer auf seine Ehefrau eingestochen haben. «Er bestrafte sie, weil sie es wagte, ihn zu verlassen», sagt der Staatsanwalt. Nun muss sich der 51-Jährige sich vor dem Kriminalgericht Luzern verantworten.

Ihr Platz war zu Hause – oder an seiner Seite. Einen Kaffee trinken gehen? Das ging nur in seiner Begleitung. Wenn sie sich gemeinsam mit Freunden verabredeten, durfte auch sie nicht hin, wenn er keine Lust hatte. Wenn sie doch mal ohne ihn wegging, wurde sie mit Nachrichten und Anrufen terrorisiert. Widersetzte sie sich, wurde sie geschlagen.

So schildert die Anwältin der Hotelangestellten die Beziehung ihrer Mandantin zu ihrem Ehemann. Wie es genau war, wissen nur die beiden. Klar ist: Die Beziehung ging im Mai 2016 in die Brüche – und sie endete mit einer Bluttat.

Der «schlechte Einfluss» der besten Freundin

Am Tag der Tat vor fünf Jahren sollte es in Emmenbrücke zu einem letzten Gespräch mit ihrem Noch-Ehemann kommen. Eine Woche vorher hatte sie ihn verlassen. «Sie ging einkaufen und kam nicht wieder zurück», erzählt der Mann an diesem Dienstagmorgen vor dem Kriminalgericht Luzern.

Gegenüber der Polizei hatte er eingeräumt, dass er es «nicht gern» hatte, wenn seine Frau in den Ausgang ging. Besonders eine ihrer Freundinnen hatte er auf dem Kicker. Sie habe einen «schlechten Einfluss» auf seine Frau gehabt.

«Es handelt sich um ein typisches Beziehungsdelikt dessen Ursache in einem gekränkten Ego zu finden ist.»

Staatsanwalt

In der Gerichtsverhandlung versichert er trotzdem: «Ich habe nie jemandem etwas verboten, auch nicht meiner Ex-Frau. Sie machte immer, was sie wollte.» Unbestritten ist, dass die Frau in den letzten Jahren hin und wieder mit ihrer Freundin um die Häuser zog. Und dass sie einen neuen Mann kennengelernt hatte und von ihm schwanger war.

Wusste ihr Ehemann zum Tatzeitpunkt davon? Er bestreitet es.

Nach der Tat versuchte er, sich selber zu töten

Die damals 35-jährige Portugiesin hatte ihre Schwester dabei, als sie an jenem Nachmittag ihre ehemalige Wohnung betrat. Sie wollte nicht mit dem Mann allein sein, der sie schon früher mehrfach geschlagen haben soll.

Die drei setzten sich gemeinsam an einen Tisch, um über die Trennung zu sprechen. Als die Schwester kurz zur Küche ging, um sich einen Kaffee zu machen, eskalierte die Situation. Der Mann stürzte sich mit einem 21 Zentimeter langen Messer auf seine Frau. Sie erlitt mehrere Stich- und Schnittverletzungen, bis es ihrer Schwester gelang, den Mann von ihr wegzureissen.

«Er setzte seine zuvor geäusserten Todesdrohungen kaltblütig um.»

Anwältin des Opfers

Nach der Tat versuchte der heute 51-Jährige, sich mit einem Stich ins Herz das Leben zu nehmen. Als er bewusstlos war, gelang es den beiden Frauen, aus der verschlossenen Wohnung zu fliehen.

Narzisstische Persönlichkeitszüge

«Es handelt sich um ein typisches Beziehungsdelikt, dessen Ursache in einem gekränkten Ego zu finden ist. Er konnte es nicht ertragen, seine Frau nicht mehr kontrollieren zu können», sagt der Staatsanwalt in der Gerichtsverhandlung. Der Mann habe versucht, seine Frau zu töten.

«Er wusste genau, was er tat. Er wollte sie bestrafen, weil sie es wagte, ihn zu verlassen», ist der Staatsanwalt überzeugt. Gemäss einem Gutachten hat der Beschuldigte narzisstische und unreife Persönlichkeitszüge. Dass die Ehefrau nicht schwer verletzt oder getötet wurde, sei einzig glücklichen Umständen, der Gegenwehr und dem beherzten Eingreifen der Schwester zu verdanken.

«Wenn er an jenem Tag ein Leben beenden wollte, dann war das nur sein eigenes.»

Verteidiger

Das sieht die Anwältin des Opfers genauso. «Er setzte seine zuvor geäusserten Todesdrohungen kaltblütig um.» Dass ihre Mandantin heute noch lebe – und auch das ungeborene Kind in ihrem Bauch keinen Schaden nahm – sei ein Wunder.

Auf welche Absichten lässt der Abschiedsbrief schliessen?

Dass der Mann einen erweiterten Suizid plante, belege ein Abschiedsbrief, der gefunden wurde. Darin richtete er sich an seine Nachbarn und seine Verwandten, nicht aber an die angeblich geliebte Ehefrau. Dass dies kein Zufall ist, davon ist deren Anwältin überzeugt.

Gerade andersherum interpretiert der Verteidiger die letzten Worte seines Mandanten. Er bittet darin nämlich seine Verwandten und Freunde in seinem Abschiedsbrief, dass sie sich um seine Frau kümmern sollen. «Das ist nicht vereinbar mit der Tötungsabsicht», so der Verteidiger. «Wenn er an jenem Tag ein Leben beenden wollte, dann war das nur sein eigenes.»

Es bestand keine Lebensgefahr

Ja, er habe seine Frau bewusst mit dem Messer bedrängt und in Kauf genommen, dass er sie leicht verletzten könnte. «Aber er hatte das nicht geplant und sie war nie in Lebensgefahr», so der Verteidiger. Er fordert, dass sein Mandant wegen leichter Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wird.

«Die Narben sind bis heute sichtbar und erinnern sie jeden Tag an die Todesgefahr, welche sie erlebt hat.»

Anwältin des Opfers

«Es nicht erforderlich ihn aus dem Leben zu reissen», findet der Verteidiger. Der Mann sei nach der Untersuchungshaft seit fünf Jahren wieder in Freiheit, habe sein Leben korrekt gelebt und sich seiner Ex-Frau nie wieder genähert.

Die Anträge gehen weit auseinander

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hingegen muss der Mann wegen versuchter Tötung verurteilt werden – und zwar zu einer Freiheitsstrafe von 7,5 Jahren. Die Anwältin des Opfers fordert darüber hinaus eine Genugtuungszahlung von mindestens 45'000 Franken. «Die Narben sind bis heute sichtbar und erinnern sie jeden Tag an die Todesgefahr, welche sie erlebt hat», so die Begründung.

Das Urteil des Kriminalgerichts steht noch aus. Es wird schriftlich eröffnet.

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