Neuer Abwehrchef bis August gesucht

Der Umbruch beim FC Luzern geht voran

Mit seinem bisherigen Karrierehöhepunkt verabschiedet er sich aus Luzern: Innenverteidiger und Cup-Sieger Stefan Knezevic. (Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Im Bestreben, den FC Luzern auf attraktiven Offensivfussball zu trimmen, hat die sportliche Leitung Stufe 2 gezündet. Der neuverpflichtete Bundesliga-Oldie Christian Gentner steht für Fussball mit Köpfchen, das einer mit Technik und Herzblut ausgestatteten Mannschaft bisweilen gefehlt hat. FCL-Sportchef Remo Meyer hat noch einige spannende Personalfragen vor der Brust.

Sie sind im letzten Sommer gekommen, die Schaubs, Sorgics, Ugrinics, Tasars, Frydeks, Aloungas und Carbonells. Mit einer Ausnahme entsprachen sie der Vorstellung von Fussball, die den ein halbes Jahr zuvor engagierten Trainer Fabio Celestini und dessen Vorgesetzten Remo Meyer antreibt. Und diese eine Ausnahme hatte krankheitsbedingte Ursachen.

Die Neuverpflichtungen hatten grossmehrheitlich gehalten, was sie versprachen, und das Gesicht des FC Luzern in der Corona-Meisterschaft sogleich verändert. Der FCL suchte fortan sein sportliches Glück in der Gestaltung des Spiels – und nicht mehr ausschliesslich im Verteidigen und Kontern. Eine Verwandlung, die überall auf dem Planeten Fussball Geduld und Nervenstärke beansprucht.

Beim FCL zeigte sich das Problem schnell in einer fehlenden Balance im Spiel. Salopp ausgedrückt: Vorne hui und hinten pfui. Erst als Fabio Celestini im Schlussspurt der Meisterschaft von Pressen auf Blocken umstellte, wurde das Abstiegsgespenst verscheucht und mit dem Cupsieg am Pfingstmontag 2021 der erste Titelgewinn seit 29 Jahren auf der Allmend gefeiert (zentralplus berichtete).

Gentner ist ein spannender Neuzugang

Trotz finanziell engen Hosen gehen Sportchef Remo Meyer und sein Trainer Fabio Celestini in ihrem gemeinsamen FCL-Projekt den nächsten Schritt. Nun dreht sich in dieser Transferkampagne vieles darum, der fehlenden Balance im Spiel der Luzerner entgegenzuwirken.

Darum wird bis Mitte August das Hauptaugenmerk auf die Stärkung des Defensivverbundes gelegt. Diese Baustelle hat Fabio Celestini signalisiert, und Remo Meyer versucht nun, diese wieder zuzuschütten. Mit Rechtsverteidiger Patrick Farkas hat er sich einen ähnlichen Spielertypen für den zurückgetretenen Christian Schwegler geangelt (zentralplus berichtete).

Noch spannender scheint der Zuzug von Christian Gentner zu sein. Zwar schon bald 36-jährig und in der Bundesliga nie der Schnellste, ist der Schwabe ein defensiver Mittelfeldspieler, der vieles mit Antizipation, Köpfchen und Führungsqualitäten bewegt (zentralplus berichtete). Er bringt also genau das mit, was der FCL in dessen erster Umbauphase gelegentlich vermissen liess.

Ein unbestechlicher Gewährsmann von zentralplus, der die Bundesliga wie seine eigene Hosentasche kennt, urteilt über Gentner: «Wenn einer seine Karriere nicht in der Schweiz ausklingen lassen will, dann er. Dafür ist dieser bescheiden gebliebene Typ viel zu ehrgeizig. Ein Detail am Rande: Wer kann schon von sich behaupten, zweimal deutscher Meister geworden zu sein, ohne jemals für die Bayern gespielt zu haben? Viele sind es bis jetzt nicht.»

Mit dem Zuzug von Christian Gentner zeichnet sich der Abgang des Cupfinal-Torschützen Jordy Wehrmann ab, der nach der Winterpause von Feyenoord Rotterdam für ein knappes halbes Jahr an den FCL ausgeliehen wurde.

Darum suchte Knezevic das Weite

Derweil widmet sich Remo Meyer nicht zuletzt der Antwort auf eine der wichtigsten Fragen in dieser bis Mitte August dauernden Transferperiode: Wer wird neuer Abwehrchef des FCL?

Stefan Knezevic hätte sich diese Aufgabe durchaus zugetraut (zentralplus berichtete), aber die sportliche Leitung muss ihn als zu leicht gewogen haben. Das liess Remo Meyer in einem Interview mit zentralplus zwischen den Zeilen erkennen.

In den Augen von Celestini und Meyer wird es Knezevic nicht mal dazu gereicht haben, die Nummer 1 in der Hierarchie der Luzerner Innenverteidiger zu sein. Diesen Rang hat ihm der 20-jährige Marco Burch mit seinen herausragenden Leistungen abgelaufen. Und weil die sportliche FCL-Führung Knezevic offensichtlich reinen Wein eingeschenkt hatte, suchte der Spieler ein Jahr vor Vertragsablauf das Weite und liess sich vom belgischen Durchschnittsklub Charleroi verpflichten.

Denn mit der Verpflichtung eines neuen FCL-Abwehrchefs hätte Knezevic die Ersatzbank gedroht. Und das ist für einen 24-Jährigen, der seine Karriere in Schwung bringen will, keine verlockende Perspektive.

Neuer FCL-Abwehrchef braucht viel Qualität

Das Profil des neuen FCL-Abwehrchefs? Er muss in seinen Leistungen über alle Zweifel erhaben sein, er muss die Persönlichkeit besitzen, um die Luzerner Defensive lautstark und klar organisieren zu können, er muss einen guten ersten Pass draufhaben und mit all diesen Eigenschaften den hochbegabten Marco Burch auf ein höheres Niveau führen können. Das bedingt wohl ein paar Berufsjahre auf dem Buckel.

Mit dem von einer Fussverletzung wieder genesenen Marvin Schulz hätte der FC Luzern einen Spieler auf der Gehaltsliste, der diesem Profil ziemlich genau entspricht. Aber Trainer Fabio Celestini hat bislang das Einsatzgebiet des polyvalent einsetzbaren Gladbachers (26) immer im Mittelfeld verortet. Der Vertrag des in seine besten Jahre kommenden Gladbachers läuft am Ende der nächsten Saison aus.

Wie ein Fohlen hüpft Marvin Schulz auf das für die Luzerner Cupsieger aufgebaute Ehrenpodest und lässt sich vom zurücktretenden FCL-Goalie David Zibung die Medaille um den Hals hängen. (Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Marvin Schulz zählt zu den wichtigsten Personalien, die im FCL nächstens einer Klärung bedürfen: Neben ihm sind Österreichs EM-Teilnehmer Louis Schaub (Leihe von Köln ausgelaufen) und der ebenfalls kaum gleichwertig ersetzbare Goalie Marius Müller (Vertrag bis 2022), das «Genie» Filip Ugrinic (Vertrag bis 2022), Vorkämpfer Pascal Schürpf (Vertrag bis 2022) als auch der technisch beschlagene Linksverteidiger Martin Frydek (Vertrag bis 2022). Mit Edel-Joker Varol Tasar muss sich der FCL über einen neuen Dreijahrevertrag einig werden.

In diesen Personalfragen darf Meyer opportunistisch sein

Bei Alex Carbonell wird Remo Meyer, soweit es ihm möglich ist, auf einen Abgang drängen. Beim hüftsteifen und technisch unbedarften Innenverteidiger Lucas Alves, dem durch Verletzungen gebeutelten Tsiy Ndenge, der mental offensichtlich labilen Wundertüte Silvan Sidler, dem treuen Soldaten Simon Grether und dem durch Verletzungen zurückgeworfenen Pechvogel Aziz Binous (jeweils Verträge bis 2022) kann er sich getrost opportunistisch zeigen.

Suchen diese Spieler ihre berufliche Zukunft ausserhalb Luzerns, werden ihnen kaum Steine in den Weg gelegt. Bleiben sie bis zum Vertragsablauf, geht kein relevanter Transfererlös verloren.

Vielleicht bietet da die Besetzung eines neuen Assistenten für FCL-Cheftrainer Fabio Celestini den grösseren Unterhaltungswert, nachdem Genesio Colatrella zum FC Zürich gezogen ist.

Eine vom FCL unbeantwortete Grundsatzfrage

Dabei geht es um die Grundsatzfrage: Darf Fabio Celestini einen Mann seines Vertrauens in die sportliche Führung einbinden? Oder stellt ihm sein Arbeitgeber einen fähigen Mann aus dem eigenen Fundus zur Seite? Claudio Lustenberger, als FCL-Spieler eine Kultfigur, hat ja bereits ein Jahr Erfahrung als Assistenztrainer gesammelt und wird den Job auch nächste Saison ausführen.

Der FC Luzern verzichtete darauf, eine entsprechende Anfrage von zentralplus zu beantworten. Was daraus zu schliessen ist, bleibt spekulativ.

Aber vielleicht ist es wie bei der Kaderzusammenstellung 2021/2022: Beim FCL wird vor dem Hintergrund der finanziellen Leitplanken das Optimum herausgeholt, ob sich nun der Assi-Vorschlag vom Cheftrainer oder Sportchef als der bis dato vernünftigste erweisen sollte.

Letzten Endes muss sich Remo Meyer den Vorwurf, für sinnfreie Transfers zu stehen, bis über den Trainingsstart auf die Saison 2021/2022 hinaus nicht gefallen lassen.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Mac Tanner
    Mac Tanner, 19.06.2021, 13:25 Uhr

    Wer die Bundesliga verfolgt, der konnte feststellen, dass es sehr wohl gute Gründe für das Bundesliga-Aus von Christian Gentner gibt! Ganz freiwillig ist seine Flucht in die Schweiz also nicht. Genau die Rolle, welche ihm in Luzern zugetraut wird, hätte er eigentlich bei den Eisernen spielen sollen. Die ernüchternde Saisonbilanz zum Ende der Saison 2020/21: Anzahl Spiele in der Bundesliga pro Saison = 34. Davon verletzt war er während 12 Partien. Über die ganze Saison gesehen stand er durchschnittlich ca. 35 Minuten pro Spiel auf dem Platz. Wahrlich bescheidene Werte für einen Spieler, welcher in unserer Super League ein Team reissen soll. Zudem bald 36-jährig, Reinvest-Faktor = 0……. Daher in meinen Augen ein absolut unnötiger Transfer. Wenn ein Team im Schnitt 18-25 jährig ist, dann könnte man auch Routine im Range 30-32 zukaufen, bei welchen noch Aussicht auf Nachhaltigkeit besteht.

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    • Profilfoto von Roger Würsch
      Roger Würsch, 19.06.2021, 13:59 Uhr

      Dafür hat er in der Rückrunde in 15 von 17 Spielen gespielt (auch wenn einmal nur 5 min, aber er hat gespielt)… dann sieht es auch nicht mehr so schlecht aus und für die Super League reicht es allemal.

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