Architekten wollen bei Grossprojekten mitreden

Bau Forum Zug warnt vor «Operation am offenen Herzen»

Planung des Gebiets «Baarerstrasse West»: Die öffentliche Mitwirkung dabei für das Bau Forum Zug eine «Alibiübung». (Bild: zvg)

Das Zentrum der Stadt Zug wird in den nächsten Jahren mit Grossüberbauungen gewaltig verdichtet. Bisher konnte die Öffentlichkeit bei Bebauungsplänen nicht so mitreden, wie es das Gesetz eigentlich verlangt. Dagegen macht jetzt das Bauforum mobil. Auch Zuger Stadtparlamentarier wollen Bewegung in die Stadtplanung bringen.

Baarerstrasse West, Metalli, Landis-und-Gyr-Areal, Güterbahnhof, Hochhaus Pi und Techcluster – das ist die Liste der Bebauungspläne, welche das Gesicht des Zuger Zentrums in den kommenden Jahren erheblich verändern werden. Auf diesen Arealen werden Projekte verwirklicht, die den Grund viel stärker ausnützen als es die ordentlichen Zonenpläne zulassen würden.

Die Häufung solcher Bebauungspläne sowie die Art und Weise, wie diese zustandekommen oder bereits zustandegekommen sind, veranlasst das Bauforum Zug dazu, Alarm zu schlagen.

Nebenwirkungen unklar

Der Verein von Architekten und Ingenieuren, der sich für Baukultur einsetzt, macht in einem Positionspapier darauf aufmerksam, dass durch die geplanten Entwicklungen das Herz und die Identität von Zug wesentlich beeinflusst werden. «Dabei entsteht aber der Eindruck einer Operation nicht nur am offenen Herzen der Stadt Zug, sondern auch noch an Lunge und Leber, ohne dass die Operationsteams sich abgestimmt hätten oder den Patienten gewissenhaft aufgeklärt hätten über die Risiken und Nebenwirkungen.»

«Das Mitwirkungsverfahren wurde per Gesetz aufgewertet.»

Oliver Guntli, Präsident Bauforum Zug

Damit ist gemeint, dass die verschiedenen Bauvorhaben isoliert betrachtet und kaum im Zusammenhang aufeinander abgestimmt werden – obwohl das für die Stadt Zug als Gesamtsystem wertvoll wäre.

In Cham funktioniert’s, in Zug nicht

Die Bevölkerung und ortserfahrene Fachleute sollten «frühzeitig in einen wahrhaft partizipativem Prozess eingebunden werden», fordert das Positionspapier. Oliver Guntli, Präsident des Bauforums Zug, erklärt: «Das Mitwirkungsverfahren bei ordentlichen Bebauungsplänen wurde im neuen Bau- und Planungsgesetz des Kantons Zug aufgewertet. Das möchten wir nun bei den Stadtzuger Behörden gerne einfordern.»

Denn die Baufachleute sind der Meinung, dass die öffentliche Mitwirkung besonders im Fall der Bebauungspläne LG-Areal, Metalli und Baarerstrasse West unzulänglich war. Dies legen sie in einem zentralplus vorliegenden Brief an den Zuger Stadtrat dar. Andernorts habe das gut funktioniert, findet man beim Bauforum, und verweist dabei auf die vorbildliche Planung der Überbauung des Papieri-Areals in Cham oder jene auf dem Baarer Teil des Unterfelds.

Abfallprodukt öffentlicher Raum

Die Grundeigentümer in der Stadt Zug hätten die Bestimmung nicht als Chance, sondern nur als notwendiges Übel betrachtet, kritisieren die Zuger Architekten. Nachträglich seien einige halbherzige Alibiübungen durchgeführt worden, um dem Buchstaben des Gesetzes pro forma zu genügen. Etwa im Fall der Baarerstrasse West, wo das Publikum per Onlineabstimmung über die Zahl der vorgesehenen Bänkli abstimmen konnte.

«Wir stehen mit dem Bau Forum Zug im konstruktiven Austausch.»

Eliane Birchmeier (FDP), Bauvorsteherin Stadt Zug

Die Ausnützungsziffer – 70 Prozent höher als im Zonenplan vorgesehen – sei bereits vor der Testplanung zwischen Grundeigentümerinnen und Baudepartement festgelegt worden. Das Projekt führe dazu, dass öffentlicher Raum «zum Neben-, wenn nicht Abfallprodukt verkommt». Der Bahnhofplatz Ost werde dereinst durch Hochhäuser «verschattet», die Aufenthaltsqualität sei nicht hoch genug und das Gebiet werde zu wenig mit der restlichen Stadt vernetzt. Dies, «weil der Betrachtungsperimeter nur bis zu den Fassaden auf der gegenüberliegenden Strassenseite ging», wie der Vorstand des Bauforums Zug findet.

Gespräch soll Klärung bringen

In der Kritik steht die Stadt Zug. Den Stadtrat, das Stadtparlament und alle beteiligten Ämter fordert das Bauforum Zug auf, «ihrer Stadt und ihrer Planung das notwendige Gehör zu verschaffen, um über den Tellerrand der Eigentumsgrenzen hinauszublicken und zwingende Vorgaben zu definieren und durchzusetzen». Dabei seien Grundeigentümer und Investorinnen «entsprechend ihrer Verantwortung für die Stadt einzubinden, die ja auch die ihre ist».

Eine Reaktion auf die donnernden Worte gibt es seitens des Zuger Stadtrats noch keine.  «Mit dem Bauforum pflegt das Baudepartement einen regelmässigen und konstruktiven Austausch», sagt Bauvorsteherin Eliane Birchmeier (FDP) dazu. Der nächste Termin stehe demnächst an. Dabei werde das Positionspapier ein Thema sein. Auch Oliver Guntli hofft, beim jährlichen Treffen den Anliegen des Bauforums Gehör verschaffen zu können.

Inspiration für Gemeinderäte

Die Initiative des Bauforums Zug ist derweil auch Stadtparlamentariern zu Ohren gekommen und hat sie in einer ganz andern Angelegenheit beeinflusst. Es geht dabei um einen Neubau für Notzimmer, der im Göbli-Quartier entstehen soll. Der Projektkredit wurde jüngst im Grossen Gemeinderat beraten und gelangt nun zur Volksabstimmung (zentralplus berichtete).

«Im Göbli zeichnet sich Stadtentwicklung auf tiefstem Niveau ab.»

Ignaz Voser (CSP), Zuger Gemeinderat

Für diesen monolithischen Bau, der neben ein Parkhaus und eine Transformationenstation der WWZ gepflanzt werden soll, ist kein Bebauungsplan notwendig. Das Projekt genügt den zonenrechtlichen Bestimmungen. Aber er ist mit einigen Merkwürdigkeiten behaftet und entsteht an einem Ort, an dem quasi über Nacht ein neues Viertel aus dem Boden gestampft wird.

Gesamtschau erwünscht

Mit der Eröffnung der Verbindungsstrasse zur Tangente sehe das einst abgelegene Gebiet plötzlich ganz anders aus, stellte Gemeinderat Ignaz Voser (CSP) im Stadtparlament fest. Fast unbemerkt sei ein neues Quartier entstanden. Doch zeichne sich hier, an der «breiten Schneise» eine «Stadtentwicklung auf tiefstem Niveau ab», kritisierte Voser. Für die Gegend an der nördlichen Industriestrasse würde er gerne eine stadtplanerische Gesamtschau sehen – ein «Quartierplanung light» oder eine planerische Zusammenarbeit mit der Gemeinde Baar, die in nächster Nachbarschaft beginnt.

Monolith mit Hinterhof: Das geplante Notzimmergebäude im Göbli. (zvg) (Bild: zvg)

Ebenso hart mit dem Projekt ins Gericht ging Urs Bertschi, SP-Fraktionschef im Stadtparlament. Neben den Kosten, die markant höher ausfallen als einst gedacht, stört er sich an der Lage des geplanten Wohnturms an der Strasse und nahe der Trafostation. «Aus städtebaulicher Sicht darf man sich fragen, ob die zwingend notwendigen Lärmschutzwände entlang der Industriestrasse als künftig zentraler Einfahrtsachse letztlich das Stadtbild abgeben, das wir uns zusammen mit unserer Stadtplanung effektiv wünschen.»

Ein Stück Zug wird Agglo

Bertschi und Voser drangen mit ihrem Apell für einen planerischen Marschhalt im Stadtparlament nicht durch. Doch motivieren sie vielleicht das Bauforum Zug und die Zuger Stadtplaner, sich in Zukunft mehr mit dem Göbli-Quartier zu befassen.

Ignaz Voser ist pessimistisch: «Leider stehen die Anzeichen schlecht, dass im Göbli noch etwas zu retten ist.» Man werde in Zug bald ein Stück Agglo bekommen und «im nördlichen Stadtzugang mit Egerkingen-Industrie, Wallisellen Nord und ähnlichen Orten mithalten können».

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Rolf Oehen
    Rolf Oehen, 05.03.2021, 10:23 Uhr

    Schon beim Betrachten dieser Horror-Modelle kriege ich hässlichste Furunkel!
    Wollen gewisse Kreise tatsächlich ein Spreitenbach oder Genève-Cointrin im schönen Zugerland hochfahren? Also einen hochverdichteten Ausbau primitivster «Beton-Kisten mit Löchern-Architektur» – also schlimmer als die ex DDR-Plattenbauten oder gar die hässlichen Zigarren-Silos in Hongkong nachäffen? Waren diese Beton-Koryphäen denn schon mal in Paris, Lyon, Marseilles, in der NY-Bronx oder in Berlin Neukölln und haben sie sich die Konsequenzen «dans les Banlieues» vor Ort einmal angesehen?! Bestimmt nie.
    Hoffen wir, dass die StimmbürgerInnen diese Mafioso-Baupolitik in unserem Kanton stoppen werden, welche nur und ausschliesslich wenigen Investoren dient, sie selbst jedoch NIE in diesen hässlichen «Kisten» wohnen würden!
    Das grauenhafte Beispiel haben wir doch schon bei uns. Fährt man vom Metalli-Shopping-Center bis zum Mac Donald in Richtung Bar, sieht man ausschliesslich primitivste Erstlehrling-Hochbauzeichner-Architektur, also jene, welche gerade lernten wie man den Bleistift drehend führt um gerade Linien zu zeichnen und welche gerade beginnen die ersten Garagen zu skizzieren… Man sieht in dieser baumlosen, dafür hässlichsten Zuger-Allee nur noch eine primitive, viereckig-langweilige, Geschäfts-lose Kuben-Beton-Kiste nach der andern!
    Und wer bitte bezahlt bei diesem Wachstumsblödsinn, die folgenden aber dann zwingend nötigen Anpassungen in allen Infrastrukturbereichen? Mehr Leute, mehr Häuser, mehr Strassen, Velowege, Kanalisationen, Entsorgungstechnik, Kitas, Kindergärten, Schulen, Friedhöfe und, Sozialkosten…!
    Hätten diese Betonköpfe auch nur den Schein einer qualitativ hochwertigen, modernen Wohn- und Lebensqualität, würden sie schnell verstehen, warum es weltweit nirgends ein «Neustadt-Fest» sondern nun noch «Alt-Stadtfeste» gibt und, dass man die Wohnproblematik nie durch «immer mehr (Leute)» lösen kann!

    Lieber Herrgott verschone uns und die nächste Generation vor diesem baumlosen Wohndesaster und lass wenigstens einmal Milde und Natur walten, so, dass auch die nächste Generation noch 2 Schritte am See, welcher sich nicht ausbauen lässt (…), mit Abstand tun können!

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  • Profilfoto von David Meyer
    David Meyer, 05.03.2021, 09:34 Uhr

    Ganz so einfach ist es nicht abgelaufen, wie es im Artikel geschildert ist. Für das Areal um die Tangente im Göbli vermisse ich die Planung auch, hat aber mit den Notzimmern herzlich wenig zu tun. Im LG-Areal hingegen wurden sehr umfangreich mit verschiedenen hochkarätigen Städtebau Teams Wettbewerbe durchgeführt. Und wenn man sieht, welche hohe Qualität da geplant ist, kann man froh sein, dass die Planung Profis überlassen wurde und zu den zentralen Fragen kein JeKaMi veranstaltet wurde.

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    • Profilfoto von Heinrich Vogelsang
      Heinrich Vogelsang, 05.03.2021, 12:39 Uhr

      Eine «besonders gute architektonische Gestaltung der Bauten und Anlagen sowie der Freiräume», sowie eine «besonders gute städtebauliche Einordnung in das Siedlungs- und Landschaftsbild» sind laut BPG Art. 32 grundlegende Voraussetzungen, damit ein Bebauungsplan überhaupt erst bewillligungsfähig wird.

      Was hier bemängelt wird, ist dass man in der Stadt Zug dem Art. 32ter nicht richtig nachlebt. Dieser besagt, dass ordentliche Bebauunspläne «auf einem Planungsverfahren unter geeignetem Einbezug der Bevölkerung, namentlich der Nachbarschaft, fussen (müssen) sofern das in Einzelbauweise zulässige Nutzungsmass mit der Planung um mehr als 50 % erhöht wird.»

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