Alleinsein im Alter

Zuger Seniorin während Corona: «Die Sehnsucht, nicht mehr allein zu sein, wächst»

Wenn das Alleinsein oder die Einsamkeit zu einer grösseren Belastung werden – in Zeiten der Coronapandemie keine Seltenheit. (Symbolbild: Adobe Stock)

Die Corona-Pandemie zehrt an den Kräften vieler. Mehr Menschen fühlen sich allein oder gar einsam. Auch der 67-jährigen Hanna aus Zug tut es weh, wenn sie bei einem Spaziergang auf Familien und verliebte Paare trifft. Manchmal wünscht sie sich, sie wäre weniger allein.

Es ist die «Pandemie der Einsamkeit»: So manchem von uns macht Corona psychisch zu schaffen. Die Jungen fühlen sich im Stich gelassen (zentralplus berichtete). Denn sie können sich nicht mehr unbeschwert treffen, tanzen und feiern.

Immerhin gibt es ab März wieder erste Lockerungsschritte in Richtung Normalität. Doch auch den Älteren setzt die Pandemie zu – sie fühlen sich zunehmend allein oder gar einsam.

Das fällt Tabea Zimmermann Gibson auf, der Präsidentin der Kiss-Genossenschaft Zug. Die Pandemie zehre an den Kräften von vielen: «Wir merken insgesamt, dass das Alleinsein oder die Einsamkeit zu einer grösseren Belastung wird.»

Bei mehreren Menschen mit Ansätzen von Demenz habe sich deren Zustand in den letzten Monaten merklich verschlechtert. Aber auch Menschen, die eigentlich gesund sind, setze die Situation zu. Viele fühlten sich weniger robust, emotional schnell am Anschlag. «Ein gutes soziales Netz zu haben, ist für alle wichtig, besonders in der jetzigen Situation», so Zimmermann. 

Just über die Festtage an Corona erkrankt

Eine, die sich während der Pandemie allein gefühlt hat, ist Hanna. Just über Weihnachten musste sie 16 Tage in Quarantäne, da sie an Corona erkrankte. «Ich habe mich allein, nicht aber einsam gefühlt. Aber ich hätte nicht gedacht, dass zwei Wochen so lange sein können.»

Hanna bewegte sich zwei Wochen lang zwischen Bett und Sofa, Sofa und Bett. Wenn Hanna aufstand, war es dunkel, wenn sie ins Bett ging, brach die Dunkelheit bereits wieder ein. «Das war sehr bedrückend.»

«Diese kurzen Blickkontakte habe ich aufgesaugt, um sie mir später immer wieder in Erinnerung zu rufen.»

Umso mehr freute sie sich über Kleinigkeiten. Beispielsweise, als eine ihrer Nachbarinnen ihr eine SMS-Nachricht schrieb, dass sie ihr an Heiligabend eine warme Mahlzeit bringe, oder ein Kiss-Mitglied ihr angeboten habe, eine Hühnersuppe vorbeizubringen.

Hanna freute sich auf beides, tagelang. «Die kurze Begegnung mit meiner Nachbarin und Linda von Kiss an der Tür waren besonders für mich. Seelennahrung. Diese kurzen Blickkontakte habe ich aufgesaugt, um sie mir später immer wieder in Erinnerung zu rufen.»

Oder als ihr ein Freund einen Blumenstrauss vorbeibrachte, nachdem er sich bei ihr erkundigte, was sie am dringendsten brauche. Hanna antwortete: einen Blumenstrauss und eine Umarmung.

Eine Umarmung konnte er ihr zwar nicht geben, aber einen Blumenstrauss und wieder diesen einen kurzen Augenblick an der Tür, den Blick in die Augen des Gegenübers, ein paar persönliche Worte. «Ich brauche immer frische Blumen auf meinem Tisch», so Hanna.

Manchmal fehlt ihr der Austausch mit anderen

Mit dem Alleinsein hadert sie immer wieder. Hanna, 67-jährig, alleinstehend. Früher sei es ein bewusster Entscheid gewesen. Sie führte längere Beziehungen, doch sie heiratete nicht und wollte auch keine Familie.

Heute, da haben ihre Freundinnen im gleichen Alter Enkelkinder, die sie zwei, drei Tage die Woche hüten. Sie sind einen Tag da, einen Tag dort. «Das tut manchmal weh», gibt Hanna zu.

«Wenn ich mich allein fühle, so ist es wichtig, dass ich mir immer wieder sage, dass ich es selber gewählt habe, allein zu leben.»

Am letzten Sonntag – strahlend blauer Himmel und Frühlingstemperaturen – unternahm die Zugerin einen Spaziergang am See. Sie traf auf viele Paare und Familien.

Hanna aber, sie war allein. «Das kann immer mal wieder weh tun. Die Sehnsucht, nicht mehr allein zu sein, wächst.» Manchmal fehle ihr der Austausch mit anderen, mit jemandem gemeinsam an eine Ausstellung zu gehen, über die gesehene Kunst zu diskutieren.

Sie jammert nicht

Aber die pensionierte Krankenschwester erinnert sich dann immer: «Wenn ich mich allein fühle, so ist es wichtig, dass ich mir immer wieder sage, dass ich es selber gewählt habe, allein zu leben.»

Hanna ist keine, die jammert. Sehnt sie sich nach Geselligkeit, trifft sie sich mit Freundinnen, verabredet sich auf einen Kaffee, besucht ein Konzert, die Altersuni in Zürich oder einen Yoga- oder Malkurs.

So kann sie auch nicht verstehen, wie andere jammern – wenn sie doch einfach Kontakte knüpfen könnten mit anderen Menschen. Es brauche Eigeninitiative. Viel schwieriger sei es natürlich zu Pandemie-Zeiten, wo Konzerthäuser, Museen und Restaurants geschlossen, Yogakurse gestrichen sind.

Sich selbst wertschätzen

Aber Hanna blickt optimistisch nach vorne. Schon seit längerem möchte sie auf die Rigi, auf dem Panoramaweg Scheidegg–Kaltbad ein wenig Sonne tanken.

Als Kiss-Mitglied hilft sie auch anderen. Beispielsweise einer älteren Frau, die sie zum Arzt begleitet oder mit ihr einmal coronakonform einen Kaffee trinkt. Die Zeit, die sie anderen hilft, bekommt Hanna gutgeschrieben. Doch für sie ist es viel mehr: «Schliesslich ist das etwas Beidseitiges, weil sie und ich eine schöne Begegnung haben, eine gute Zeit miteinander.»

Und das Wichtigste sei es, sich selbst wie die allerbeste Freundin zu behandeln. Dass man sich selber wertschätzt und sich nicht kleinmacht vor anderen. «Behandle dich so wie deinen allerbesten Freund» – das ist der Spruch, der auch im Bad von Hanna an der Wand hängt.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 04.03.2021, 13:36 Uhr

    Das interessiert doch die Corona- Politiker nicht , sie wollen die Gesundheit retten, koste es auch das Leben und sie waren noch nie so effizient wie in den letzten 12 Monaten im Zerstören der Menschlichkeit

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