Sicherheit vs. Grundrechte

Davos enttäuschte die Kritiker: Darf in Luzern gegen das WEF demonstriert werden?

Versammlung der Anti-WEF-Demo auf dem Bahnhofplatz im Januar 2020. (Bild: jwy)

Erstmals seit Jahren sind Anfang 2020 in Luzern Menschen auf die Strasse gegangen, um gegen das World Economic Forum (WEF) zu demonstrieren. Neun Monate später wird bekannt: Die Veranstaltung kommt 2021 in die Region.

Das WEF hat seit je her kritische Stimmen hervorgerufen. Jahr für Jahr wird anlässlich der Veranstaltung gegen den Kapitalismus und die Globalisierung demonstriert. 2020 gingen deswegen erstmals auch in Luzern Menschen auf die Strasse (zentralplus berichtete).

Und nun kommt der Grossanlass in die Region (zentralplus berichtete). Die jungen Grünen haben bereits angekündigt, dass sie die Teilnahme an einer Gegendemonstration nicht ausschliessen (zentralplus berichtete).

Luzern liegt – im Gegensatz zu Davos – im Herzen der Schweiz und ist aus allen Kantonen einfach zu erreichen. Ist deshalb nächsten Mai mit einem Grossaufgebot von Demonstranten zu rechnen?

«Eine speziell spannende Herausforderung»

Bei der Stadt gibt man sich vorerst sehr zurückhaltend. «Das Format eines Grossanlasses mag eine speziell spannende Herausforderung darstellen», sagt Mario Lütolf auf Anfrage. Als Leiter der Abteilung Stadtraum und Veranstaltungen ist er für Demo-Bewilligungen zuständig – in Absprache mit der Luzerner Polizei.

Letztes Jahr wurden die WEF-Kritiker von der Bewilligungspraxis der Bündner Behörden enttäuscht. Eine Klimawanderung von Landquart nach Davos wurde nur zu zwei Dritteln genehmigt, für Platzdemonstrationen in Davos selbst wurde die Teilnehmerzahl beschränkt.

Gar ganz untersagt wurden Anti-WEF-Kundgebungen in Davos 2018. Die Stadtregierung lehnte ein Bewilligungsgesuch der Jungsozialisten, der SP Graubünden und der NGO Campax ab. Und zwar mit der etwas kuriosen Begründung, dass es wegen der grossen Schneemengen keinen Platz für eine Kundgebung gäbe.

Gewerbe- gegen Meinungsfreiheit

Dass in der Stadt Luzern ein Bewilligungsgesuch für eine Demo gestellt wird, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Wie wird die Leuchtenstadt damit umgehen? Mario Lütolf lässt sich diesbezüglich nicht in die Karten blicken.

Grundsätzlich muss die Stadt entscheiden, was sie höher gewichtet: Das Sicherheitsrisiko oder die Demonstrationsfreiheit. In den Entscheidungsprozess einfliessen kann wiederum, dass letztere mit anderen Grundrechten in Konflikt kommen kann. «Eine Kundgebung kann die Handels- und Gewerbefreiheit, die Eigentumsgarantie und allenfalls auch die persönliche Freiheit tangieren», erklärt Lütolf.

Deshalb ist auch die SVP Stadt Luzern für klare Regeln, wie sie am Donnerstagabend in einer Mitteilung schreibt. Das Demonstrationsrecht sei ein hohes Gut, «welches nach Möglichkeit nicht eingeschränkt werden soll». Die Gegner des WEF hätten nachvollziehbare Argumente, weshalb man hoffe, dass «allfällige Demonstrationen in geordneten Bahnen stattfinden». Die Partei fürchtet nämlich um das Image der Region, wenn die ganze Welt auf die Zentralschweiz blickt. Unbewilligte Demonstrationen müssten «zwingend unterbunden werden». «Es dürfen keine Bilder von Chaoten in der Stadt Luzern um die Welt gehen.» Die Fraktion plant, beim Stadtparlament dazu eine dringliche Interpellation einzureichen.

Polizeigesetz lässt Kostenabwälzung zu

Im Kanton Luzern ist grundsätzlich möglich, Kosten für den «gesteigerten Gemeingebrauch» des öffentlichen Raumes auf Organisatoren zu überwälzen. Eine Kundgebung während des WEF würde zweifellos mit einem Polizeiaufgebot begleitet. Was heisst das für die Organisatoren? Würden ihnen die Kosten dafür in Rechnung gestellt?

Mario Lütolf hat darauf noch keine Antwort. Grund: Der Kanton hat gestern angekündigt, ein Projektteam zusammenzustellen, um den Grossanlass vonseiten der Behörden zu planen. Eine allfällige Demo-Bewilligung wird mit den Kantonen Luzern und Nidwalden, der Luzerner Polizei, der Armee und den Organisatoren des WEF abgestimmt. Und auf dieser Basis werde beispielsweise auch die Frage der Sicherheitskosten zu prüfen sein.

Lütolf verweist auf einen Vorstoss der SP zum WEF auf dem Bürgenstock (zentralplus berichtete). Er geht davon aus, dass der Stadtrat in seiner Antwort Stellung dazu nehmen wird, wie die Stadt Luzern in die Planung des WEF einbezogen wird – und welche Auswirkungen der Grossanlass auf die Bevölkerung haben wird.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Hans Wiener
    Hans Wiener, 09.10.2020, 10:04 Uhr

    Anti-WEF-Demos gab es in Luzern also schon vor 2020.

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    • Profilfoto von Roli Greter
      Roli Greter, 10.10.2020, 11:18 Uhr

      Ein Demonstrationsverbot wird eine Demonstration nicht verhindern können. Diese Frühjahrs-Schulreisli der selbstverliebten Möchtegern-Elite sind im Jahre 2020 schlicht unnötig.

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