50 Kinder warten auf einen Platz

Tagesschule für alle – Zug plant Befreiungsschlag

Mittagstisch (im Bild) und Freizeitbetreuung – die Angebote für Schüler werden zunehmend nachgefragt. (Bild: woz)

In der Stadt Zug gibt es seit Jahren zu wenige Plätze in der schulergänzenden Kinderbetreuung. Doch jetzt kommt Bewegung in die Sache und die Stadtregierung will handeln. Der Druck von Eltern – und das Coronavirus – machen's möglich.

Als Zug die betreuten Mittagstische und die Freizeitbetreuung nach der Schule einführte, wollten die Eltern von 20 bis 30 Prozent der Kinder diese Möglichkeit nutzen. Momentan sind es rund 50 Prozent der 2'500 Stadtzuger Schulkinder, wie Vroni Straub (CSP), die Vorsteherin des Bildungsdepartements, sagte.

Allerdings gibt es zu wenige Plätze. Rund 50 Kinder werden auch dieses Jahr nicht unterkommen, wie die «Zuger Zeitung» am Mittwoch berichtete.

Tagesschule wird freiwillig sein

Der Stadtrat hat sich nun vor kurzem entschieden, den Missstand aus der Welt zu schaffen, indem man das Betreuungssystem in wenigen Jahren zur modularen Tagesschule ausbaut. Anders als in der kleinen gebundenen Tagesschule Maria Opferung, in der die Kinder von frühmorgens bis spätnachmittags bleiben, versteht man darunter Tagesschul-Angebote, welche die Eltern freiwillig und modular, also in einzelnen Teilen, beanspruchen können. Diese Angebote sollen in allen Zuger Schulkreisen erhältlich sein.

«Es geht nun darum, das Projekt aufzugleisen und an zwei Schulen Pilotversuche zu starten», sagt Vroni Straub. Kommenden Sommer soll es losgehen. Gleichzeitig muss man das Raumproblem, das bisher den Missstand mitverursacht hat, energisch anpacken.

Synergien zwischen Schule und Betreuung

Denn die Stadt geht davon aus, dass der Anteil der Kinder, die betreut werden wollen, weiter steigt – bis zur flächendeckenden Einführung der modularen Tagesschulen auf 60 Prozent. «Vielleicht werden es dereinst ja sogar 80 Prozent», so Straub.

Dazu sollen Schule und Betreuung  bei Bedarf personell und platzmässig näher zusammenrücken. Vorbild ist die Riedmatt, wo der Mittagstisch in der Aula des Schulhauses stattfindet.

Guthirt-Schulhaus am Limit

In der Riedmatt fehlen derzeit fünf Plätze, aber es wird neu gebaut. Im Herti sind 19 Kinder ohne Lösung. Dort setzt man auf Container, bis das Ausbauprojekt für die Schule spruchreif ist. In Oberwil gibt es genügend Platz. Sorge auf mittlere Frist bereiten die Schulkreise Guthirt und Zentrum, wo derzeit 26 Kinder auf der Warteliste stehen.

«Ich glaube, die Idee einer modularen Tagesschule ist mehrheitsfähig.»

Vroni Straub, Zuger Stadträtin (CSP)

Fürs Guthirt-Schulhaus ergab eine Machbarkeitsstudie, dass man das Schulhaus selber nicht weiter ausbauen kann. Also muss man Lösungen mit der Kirchgemeinde suchen oder sich einen Bau bei der ehemaligen städtischen Musikschule am Lüssiweg überlegen.

Provisorien werden nicht ausreichen

Auch im Zentrum werden Provisorien nicht ausreichen, um das Raumproblem zu lösen. In der Nähe des Pulverturms verfügt die Stadt über eine Liegenschaft, die ausgebaut werden könnte. Ausserdem setzt man auf den wegen der Nephtalin-Belastung notwendigen Neubau des Schulzentrums Maria Opferung, der allerdings noch ein paar Jahre auf sich warten lassen wird.

Bisher wurde das Bildungsdepartement beim Improvisieren mehr oder weniger allein gelassen, auch wenn der Unmut von Eltern immer wieder in den Medien Schlagzeilen machte. Oder pointiert ausgedrückt: Vroni Straub musste als Einzige in der Zuger Stadtregierung verbliebene Linke lange den Kopf hinhalten für einen Schlamassel, den ihr die rechtsbürgerlichen Sparfüchse im Parlament eingebrockt hatten.

Last auf mehr Schultern verteilt

Dies hat der Stadtrat als Kollegium insofern geändert, als er das Problem nun von mehreren Departementen aus anpackt. Die Schulraumplanung liegt seit Beginn 2019 in der Verantwortung des Baudepartements von Eliane Birchmeier (FDP), das ohnehin die nötigen Schulbauten erstellen muss.

Das Bildungsdepartement meldet nun einfach seine pädagogischen Bedürfnisse an. «Diese Form der Zusammenarbeit ist zielführender als der frühere Zustand», sagt Vroni Straub. Denn von der Bildung her habe man nur einen beschränkten Einblick ins gesamte städtische Bauwesen mit all seinen Projekten gehabt.

Vorschlag abgewürgt

Klar ist, dass der Ausbau nicht gratis zu haben ist. Die SP der Stadt Zug hat daher vor wenigen Wochen im Stadtparlament verlangt, dass 5 Millionen Franken vom letztjährigen Überschuss von über 70 Millionen Franken für Sofortmassnahmen reserviert werden, um die Engpässe bei der Kinderbetreuung zu beheben. «Das hätte schon geholfen», sagt Straub.

«Die Leute haben gesehen, dass Kinderbetreuung nicht nur wichtig, sondern systemrelevant ist.»

Vroni Straub

Doch die anderen politischen Parteien mochten den Sozialdemokraten den politischen Coup nicht gönnen und lehnten den Antrag allesamt ab. Das hatte wiederum Konsequenzen.

Mütter schlagen Alarm

Obwohl sich das Stadtzuger Parlament jahrelang um den Notstand in der Kinderbetreuung foutiert hat, ist dieser zum politischen Thema geworden. Das liegt wesentlich an zwei Vertreterinnen von Eltern-Lehrpersonen-Gruppen.

Caroline Hirt und Marilena Amato Mengis hatten sich vergangenen Herbst im Parlament die Debatte zum gemeindlichen Schulraumkonzept angesehen und konsterniert festgestellt, dass die Gemeinderäte den Ernst der Lage nicht erkannt hatten.

«Eltern hängen gelassen»

In einem persönlichen Schreiben an alle Stadtparlamentarier und einem Leserbrief schlugen sie Alarm (zentralplus berichtete). Auch jetzt, nachdem das Stadtparlament den Vorschlag der SP bachab geschickt hatte, meldete sich Mengis Amato in der «Zuger Zeitung» wieder zu Wort und kritisierte, das Parlament habe die Zuger Eltern hängen gelassen. Die Bürgerlichen hätten dem Anliegen keine einzige Stimme geschenkt.

Einige FDP-Abgeordnete fühlen sich daher bemüssigt, sich dennoch für den Ausbau der schulergänzenden Betreuung stark zu machen. Man habe einfach nicht aufs Geratwohl Gelder bewilligen wollen, sondern man habe wissen wollen, wofür sie verwendet würden, schrieb Gemeinderätin Maria Hügin (FDP) in einer Kolumne. Zusammen mit Karen Umbach (FDP) hat sie am Dienstag eine Interpellation zum Thema eingereicht. Darin fragt sie unter anderem, warum man die Eltern nicht früher über die Zuteilung eines Betreuungsplatzes informieren kann als erst kurz vor den Sommerferien.

«Umdenken hat stattgefunden»

«Ich glaube, die Idee einer modularen Tagesschule ist mehrheitsfähig», sagt Stadträtin Vroni Straub. Das sei nicht immer so gewesen. In den letzten Jahren habe ein Umdenken stattgefunden.

«Wer weiss, vielleicht hat auch die Coronapandemie dazu beigetragen», so Straub. In der Krise hat die Stadt Zug eine Notbetreuung angeboten. «Die Leute haben gesehen, dass familienergänzende Kinderbetreuung nicht nur wichtig, sondern systemrelevant ist».

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