Heinz Tännlers Idee zur Schadensbegrenzung stösst auf Kritik

Zuger Staatsfonds soll Start-up-Firmen retten und auch Geld verdienen

Der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler (SVP) ist Präsident des Trägervereins für ein Nationales Testzentrum für Cybersicherheit. (Bild: zvg)

Der Kanton Zug kann bei der Gewährung von Corona-Hilfen an notleidende Start-ups wie ein Investor vorgehen – der Bundesrat hat dafür grünes Licht gegeben. Finanzdirektor Heinz Tännler muss aber noch den Regierungsrat überzeugen – und sich energische Einwände anhören.

«Es ist nicht die Aufgabe des Staates, Beteiligungskapital für Jungunternehmen zur Verfügung zu stellen», sagt Cédric Schmid, Präsident der FDP der Stadt Zug. Der Treuhänder betreut Firmen aus der Start-up-Szene und aus dem Crypto Valley. Er hat vor wenigen Tagen vehement die Entscheidung des Bundesrates kritisiert, 100 zusätzliche Millionen Franken an Kreditbürgschaften für Start-ups zur Verfügung zu stellen (zentralplus berichtete).

Auch Heinz Tännlers Idee, eine Stiftung mit Geldern der öffentlichen Hand einzurichten, um innovative Start-ups zu unterstützen, findet Schmid schlecht. Er frage sich, welche Start-ups denn unterstützungswürdig seien – «und wie die Kantonsvertreter dies beurteilen können».

Agentur hilft bei Innovationsförderung

Das Ganze sei nicht nötig, glaubt Schmid. Start-ups könnten auch normale Covid-19-Überbrückungskredite beantragen. Zwar fehle ihnen oft der Umsatz der Vergangenheit, der von den Banken als Bemessungsgrundlage für die Kreditgewährung herangezogen wird. Aber sie könnten einen Kredit aufgrund der dreifachen Nettolohnsumme für ein Geschäftsjahr bekommen. Jedenfalls wenn die Tätigkeit der Firma vergangenes Jahr oder heuer aufgenommen wurde.

Ausserdem gebe es hierzu unter Umständen die Möglichkeit, Kurzarbeitsentschädigungen zu beantragen, meint Schmid. Und zu guter Letzt gebe es jetzt schon nachhaltig wirkende und gute Innovationsfördermassnahmen des Bundes.

Start-ups sind immer vom Scheitern bedroht

Bekanntlich befürchten 80 Prozent der Start-ups aus dem Zuger Crypto Valley wegen der Corona-Krise binnen eines halben Jahres Bankrott zu sein (zentralplus berichtete). Grund: die Zurückhaltung von Investoren, die hoffnungsvolle Jungunternehmen normalerweise mit Wagniskapital aufpäppeln.

Scharfe Kritik kommt von Cédric Schmid, Unternehmer und Präsident der Stadtzuger FDP.

Cédric Schmid weist darauf hin, dass auch in normalen Zeiten die Überlebensquote von Start-ups sehr tief ist. «Das ist ganz normal – die momentane Krise beschleunigt lediglich die Bereinigung und macht Platz für neue Ideen», findet er. Start-ups mit marktreifen Ideen würden immer Investoren finden «und als die wahren Gewinner aus dieser Krise hervorgehen».

Zuschauen oder unterstützend handeln?

«Es gibt drei Möglichkeiten», sagt Heinz Tännler (SVP), der Finanzdirektor des Kantons Zug. Erstens: Man verzichte auf spezielle Corona-Hilfen für zukunftsfähige Start-ups. Dann bestehe die Gefahr, dass in der momentanen Notlage viel Innovationskraft vernichtet würde.

Oder aber man nehme am Bundesprogramm Start-up teil und löse so Überbrückungskredite aus, für die zu 65 Prozent der Bund, zu 35 Prozent die Kantone bürgen. Damit nehme die öffentliche Hand aber Verluste in Kauf, die durch die Kreditausfälle jener 70 oder 80 Prozent der Start-ups anfallen, die es nicht zur Marktreife schaffen.

«Wir bevorzugen eine dritte Möglichkeit und möchten die Selektion des besten und zukunftsfähigsten Start-ups durch professionelle Dritte durchführen lassen», sagt Heinz Tännler.

So stellt er sich dies im Detail vor: Eine mit Geldern der öffentlichen Hand geäufnete Stiftung beurteilt und spricht die Beiträge zuhanden der Start-ups. Der Stiftungsrat mandatiert dazu eine professionelle Fachstelle mit Start-up-Experten sowie ein unabhängiges Investitionskomitee. Die Beiträge sollen aber nicht in Form eines normalen Überbrückungskredits über eine Bank ausbezahlt werden – sondern als Wandeldarlehen.

Wie ein privater Wagniskapitalgeber

Wenn jene Start-ups, welche die Durststrecke der Gründungsphase überleben, die Kredite innerhalb von zehn Jahren zurückzahlen, wäre der Kanton beziehungsweise seine Stiftung berechtigt, statt Geld auf Aktien zu beharren. Diese würden in einem Fonds verwahrt, an dem auch Private teilnehmen können, so Tännlers Plan. Sie würden als kantonales Finanzvermögen geführt.

Der Kanton Zug soll sich also verhalten wie ein privater Wagniskapitalgeber – der mit einem 80-prozentigen Ausfall seiner Investitionen kalkuliert. Der aber Gewinne durch Invesititionen in Start-up-Firmen realisiert, die am Schluss gross rauskommen. Dann nämlich, wenn sie teuer verkauft werden oder an die Börse gehen.

Bundesrat ist im Grunde einverstanden

«Die Möglichkeit, unsere Investition aufwerten zu können, ist mir lieber, als einen Teil der Überbrückungskredite sicher abschreiben zu müssen», sagt Heinz Tännler. Beschlossen sei aber noch nichts. Der Regierungsrat werde über seinen Antrag am 12. Mai befinden.

Er habe im Auftrag der Zuger Regierung Gespräche mit dem Eidgenössischen Finanzdepartement von Bundesrat Ueli Maurer (SVP) geführt – und sich dazu mit der Zuger Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Thalmann-Gut (CVP) regelmässig abgestimmt. «Der Bundesrat hat uns grünes Licht gegeben», sagt Tännler.

«Hochriskante Wette auf die Zukunft»

Zu den ordnungpolitischen Einwänden von freisinnigen Politikern meint Tännler: «Ich bin auch für einen schlanken und effizienten Staat.» Doch man befinde sich in einer ausserordentlichen Lage.

Cédric Schmid stört sich indes auch an einer personellen Verflechtung. Nämlich, dass Heinz Tännler gleichzeitig auch Präsident des Start-up-Vereins Swiss Blockchain Federation ist und nun als Zuger Finanzdirektor Steuergelder in Risikokapital verwandeln wolle und laut Schmid «damit eine hochriskante Wette auf die Zukunft eingeht».

Crypto Valley wird bewusst gefördert

Fairerweise muss man sagen, dass es in Zug eine lange Tradition von Private Public Partnerships gibt. Die Verzahnung von Blockchain-Industrie und Behörden ist man schon vor Jahren ganz bewusst eingegangen.

Dennoch bleibt es bemerkenswert, wenn ein rechtsbürgerlicher Politiker wie Heinz Tännler nun plötzlich einen Staatsfonds auflegen will. «Wir sind in der Corona-Krise», sagt der dazu. Vieles, was bisher undenkbar schien, sei plötzlich real. Wenn die Wirtschaft mit 40 Milliarden Franken gestützt werde, sei es nicht übertrieben, ein Kreditvolumen von rund 150 Millionen Franken nur für zukunftsfähige Start-ups vorzusehen, so Tännler.

Das sagen Zuger Kantonsräte

Im restlichen politischen Spektrum des Kantons Zug sind die Reaktionen auf die Idee eines Staatsfonds unterschiedlich, aber überwiegend positiv.

Bei der CVP steht Fraktionschef Thomas Meierhans dem Ansinnen wohlwollend gegenüber. «Fliesst Geld in die zukunftsträchtigen Cryptofirmen von Zug, muss eine Beteiligung des Kantons unbedingt geprüft werden.» Seit längerem werde dieser Cluster aufgebaut. Ihn jetzt in dieser Krise zu vernachlässigen, wäre falsch.

«Wenn etwas heikel ist an dieser Idee, dann ist es die Chancengleichheit», meint Meierhans. Doch wenn der Staat und Private Investments in die Zukunft tätigten, dürfe bei einem Erfolg auch Geld zurückfliessen. «An dieser Idee habe ich nichts auszusetzen.»

Nicht nur an Blockchain-Firmen denken

Barbara Gysel, Präsidentin der SP des Kantons Zug, möchte, dass die Steuern krisenbedingt erhöht werden, um diese Verpflichtung wahrnehmen zu können. «Zug ist ein innovativer Kanton und kann dann der Wirtschaft auch über solche Staatsfonds unter die Arme greifen», meint sie.

«Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, wenn Start-ups geholfen wird. Innovation gilt es zu unterstützen und mit geeigneten Mitteln zu fördern», sagt auch der grünalternative Kantonsrat Andreas Hürlimann. «Gerade auch jetzt in Krisenzeiten.»

Allerdings gehe es Heinz Tännler und weiteren Blockchain-Unterstützern wohl nicht primär um aussichtsreiche Jungunternehmen an sich, sondern spezifisch um Crypto-Valley Start-ups.

Grüne Vorbehalte gegen Stromfresser

Denen gegenüber hat Hürlimann Vorbehalte.  «Das Crypto Valley muss erst noch zeigen, ob hier wirklich gefragte Produkte entwickelt werden oder ob es einfach schnell verdientes Crypto-Geld mit viel heisser Luft war», so Hürlimann.

Auch habe es die Blockchain-Bewegung bisher verpasst aufzuzeigen, wie die Transaktionen effizienter werden könnten. Eine Bitcoin-Finanztransaktion verschlingt und verschwendet Unmengen an Strom. «Das geht in Zeiten der Klimakrise nicht», sagt Hürlimann.

Handelsfreiheit in Gefahr

Bei Tännlers Partei, der SVP, sind verschiedene Meinungen zu finden. Er sei sicher, dass Heinz Tännlers Idee «konstruktiv gemeint» ist, sagt Manuel Brandenberg, Fraktionschef im Kantonsrat. «Doch persönlich bin ich der Meinung, dass sich attraktive Ideen, für die ein Bedürfnis und eine Nachfrage bestehen, ohne staatliche Stiftungen durchsetzen», sagt er.

Andernfalls verdienten Unternehmungen keine Unterstützung, «schon gar nicht mit Steuergeldern». Wenn der Staat aber mit Steuergeldern in diesem Gebiet aktiv wird, ramponiere er die Handels- und Gewerbefreiheit der Bürger, so Brandenberg.

Unternehmerischer Ansatz «für Zug typisch»

Fundamental anders denkt SVP-Kantonsrat Adrian Risi. Tännlers Ansatz, die Krise einzudämmen, sei «höchst innovativ». Er zeige «einen für Zug typischen unternehmerischen Ansatz». Zwar findet Risi, dass der Staat sich im Normalfall aus der Wirtschaft heraushalten solle, doch erfordere die Krise spezielle Massnahmen.

Er sei selber an zwei Start-ups beteiligt, die allerdings nichts mit der Blockchain-Technologie zu tun hätten. Auch klassische Start-ups hätten eine grosse Bedeutung als künftige Arbeitgeber und Wertschöpfungsgeneratoren.

Die Start-up-Stiftung mit ihrem angegliederten Fonds soll nachträglich auch für Private geöffnet werden – was Risi ausdrücklich gutheisst. Es ermögliche eine pragmatische Vernetzung des Staates mit Unternehmern, Investoren und Start-ups.

Es geht wohl um knapp 500 Firmen

In diesem Zusammenhang ist interessant, mit wie vielen zukunftsfähigen Start-ups ungefähr gerechnet wird, die im Kanton Zug unterstützt werden könnten.

Im Rahmen der Recherchen wurden zentralplus die Zahl von rund 400 Firmen aus der Blockchain-Umgebung genannt sowie rund 150 Start-ups, die nichts mit dem Crypto Valley zu tun haben. Das Wandeldarlehen, das sie bekommen können, soll maximal eine Million Franken pro Jungunternehmen betragen.

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