Ganz andere Seuchen wüteten damals in Zug

Als man in Zug zum Bier als Anti-Cholera-Mittel riet

Mit Mundmasken schützte man sich schon vor 100 Jahren vor der Spanischen Grippe. (Archivbild: zvg)

Für uns ist das Coronavirus eine völlig neue Erfahrung. Unsere Vorfahren aber waren schon vor Jahrhunderten von weitaus schlimmeren Seuchen und Grippen betroffen. Ein Veranstaltungs- und Tanzverbot wurde in Zug bereits vor hundert Jahren ausgesprochen.

Vor 100 Jahren, gegen Ende des Ersten Weltkrieges, wütete eine ungewöhnliche Grippeepidemie in der Schweiz: die Spanische Grippe. Rund 25’000 Menschen verloren deswegen zwischen Juli 1918 und Mai 1919 ihr Leben.

Die «Zuger Nachrichten» berichteten laut einem Artikel in der wissenschaftlichen Jahresschrift «Tugium» das erste Mal am 1. Juni 1918 über die «mysteriöse Epidemie», die seit etlichen Tagen in Madrid herrsche. Von einer «rätselhaften Krankheit» war die Rede. Ein Grossteil der Bevölkerung sei davon befallen. «Man befürchtet, dass auch der König angesteckt wurde, als er am vergangenen Sonntag dem Gottesdienst in der Schlosskapelle beiwohnte.»

«Und ein Spassvogel glaubt, die Spanische Grippe greife daher um sich, weil das beste Mittel und Gegengift, der Wein, zu teuer geworden ist.»

«Zuger Nachrichten», 9. Juli 1918

Am 9. Juli 1918 schrieben die «Zuger Nachrichten» erstmals von der «spanischen Krankheit», oder «besser gesagt der Influenza». In vereinzelten Fällen sei diese auch in Zug nachgewiesen worden. Über den Krankheitserreger wusste man damals zwar noch nichts Genaues. Doch Phantasien gab es zur Genüge: «Der Volksmund hat natürlich allerlei naive Deutungen und Märchen bereit. Es soll eine Kriegskrankheit sein», hiess es im Zeitungsbericht. Andere suchten die Ursache in der mangelnden Ernährung. «Und ein Spassvogel glaubt, sie greife daher um sich, weil das beste Mittel und Gegengift, der Wein, zu teuer geworden ist.»

Von Sauerkraut und Trauerkränzen

Vielsagend ist auch ein Blick in die damaligen Zeitungsinserate. Beispielsweise findet man im «Zuger Volksblatt», in der Ausgabe vom 17. Oktober 1918, Todesannoncen neben Inseraten, in denen für das Hospital Zug Krankenwärter und Laufburschen gesucht werden. Ein neues Sauerkraut wird neben Halb-Zuckerrüben und Trauer-Kränzen angeboten.

«Die Kranken liess man ohne Hilfe und sehr oft blieben die Toten im Freien liegen.»

Zuger Neujahrsblatt 1919

Nicht zu übersehen ist aber auf derselben Seite der bundesrätliche Beschluss zur Grippe sowie zu den Massnahmen des Regierungsrates zur «Verhütung der Grippe». Selbstverständlich galt auch damals: Veranstaltungen und Festlichkeiten aller Art sind verboten, «Tanzbelustigungen» von der Agenda gestrichen. Im ganzen Kanton fanden nur stille Beerdigungen statt. Die Leichen derer, die an der Grippe verstorben sind, mussten «sofort nach der Einsargung aus dem Hause entfernt, in einen Totenraum verbreitet und innert 24 Stunden beerdigt werden».

Wie mit Leichen umzugehen war, wusste man damals: Zug blickte am Ende der Spanischen Grippe auf 197 Tote zurück (zentralplus berichtete).

Bier als Anti-Cholera-Mittel? Na dann, Prost!

Auch Erkrankungen wie die Cholera, der Schwarze Tod und der Englische Schweiss erreichten die Schweiz. «In vielen Gegenden war man früher gegen derartige Krankheiten machtlos; keine oder nur wenige Vorsichtsmassnahmen wurden getroffen; die Kranken liess man ohne Hilfe und sehr oft blieben die Toten im Freien liegen», heisst es im Zuger Neujahrsblatt 1919. Erst nach und nach hätten Seuchen die Zuger Bevölkerung nicht mehr so stark getroffen, weil die Behörden «möglichst wirksame Vorsichtsmassnahmeregeln» verordneten.

Die Cholera rollte in mehreren Epidemiewellen über die Schweiz. Während das Land von der ersten Epidemie mit Ausnahme einzelner Fälle im Jahr 1836 verschont blieb, rollte der dritte Seuchenzug 1867, der von Italien eingeschleppt wurde, unter anderem auch über Zürich.

«Immerhin starb die Frau innerhalb zirka 12 Stunden, ohne dass ein Arzt sie gesehen hatte.»

«Neue Zuger Zeitung», 16. August 1884

So schrieb die «Neue Zuger Zeitung» am 16. August 1884: «In der Schweiz kündet sich der grausame Gast sachte an.» Weiter ist von einer Frau die Rede, die bei Gampeln im Berner-Moos an Cholera gestorben sei. Herr Regierungsrat Steiger habe aber in einem Circular belehrt, dass es sich nicht um die Asiatische Cholera handle. «Immerhin starb die Frau innerhalb zirka 12 Stunden, ohne dass ein Arzt sie gesehen hatte.»

Schon früher wurde dem Alkohol scheinbar gerne eine heilende Wirkung zugesprochen. So wird gar zum Bier geraten, um sich vor der Cholera zu schützen. Gefunden in der «Neuen Zuger Zeitung» am 3. November 1886, in der Rubrik «Vermischtes»: Bier ist ein Anti-Cholera-Mittel. «Zur Cholerazeit sei das Bier nicht nur nicht schädlich, sondern sogar sehr vorteilhaft […].»

Nach «heftigem Niesen und Gähnen» das Zeitliche gesegnet

Die Pest suchte vom 14. bis ins 17. Jahrhundert in periodisch wiederkehrenden Seuchenzügen die Schweiz heim. Im Kanton Zug gab es Tausende von Pesttoten. «Meist erfolgte der Tod nach einem heftigen Niesen und Gähnen», heisst es in«1352/1952», einer Publikation über die 600-jährige Zugehörigkeit Zugs zur Eidgenossenschaft (zentralplus berichtete).

In den 1890er-Jahren kam es in Asien erneut zu einem grossen Ausbruch. In der Ausgabe der «Zuger Nachrichten» am 21. Juni 1898 ist ein Privatbrief von Pater Aloys Hegglin abgedruckt. Hegglin weilte zu jener Zeit in Mumbai – damals noch Bombay genannt. Geradezu poetisch vermeldete er: «Der Himmel ist am Aufheitern; die Pest geht langsam bergab.»

Die Pest mit dem Coronavirus vergleichen zu wollen, funktioniert aber aus mehreren Gründen nicht, wie ein Professor für Medizingeschichte kürzlich in einem Bericht von «SRF» sagte. Denn ungefähr ein Drittel bis die Hälfte der Bevölkerung Europas soll damals Opfer der Pest geworden sein. Das ist weitaus fataler als die schlimmsten Szenarien für das Coronavirus.

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