Kampf gegen Megaprojekt

Luzerner Stadtrat will sich gegen die Reussportbrücke wehren

Die Stadt sieht kaum Vorteile in der geplanten Reussportbrücke. (Bild: Visualisierung Swiss Interactive AG)

Jetzt ist es offiziell: Der Stadtrat geht mit den Gegnern des Spange-Nord-Projekts einig und will auch das Folgeprojekt des Kantons bekämpfen. Gefordert wird ein kompletter Neustart.

Die ungeliebte Spange Nord, mit einem Autobahnzubringer mitten durch das Maihof-Quartier, ist seit Oktober vom Tisch (zentralplus berichtete). Das abgespeckte Nachfolgeprojekt – ein Autobahnanschluss Luzern-Lochhof mit einer Brücke über die Reuss – ist aber nicht minder umstritten.

Der Kanton hat die Vernehmlassung für das Strassenbauprojekt bis September verlängert. Die Stadt Luzern bekennt bereits Farbe. Ihre Haltung ist klar: Sie lehnt die Variante mit dem Autobahnanschluss Lochhof und der Reussportbrücke ab. Die baulichen Eingriffe ins Quartier und den Naherholungsraum Reuss und Rotsee sind nicht stadtverträglich, so der Stadtrat.

Spange-Nord-Initiative geniesst die Sympathie des Stadtrats

Der Stadtrat schreibt in einem Bericht, dass er die Initiative «Spange Nord stoppen – lebenswerte Quartiere statt Stadtautobahn» annehmen will. Diese kam im April 2019 mit über 3500 Unterschriften zustande. Nötig gewesen wären 800. Die Initianten fordern, das sich die Stadt Luzern «mit allen möglichen Mitteln» für den Verzicht der Spange Nord einsetzt.

Der Stadtrat gedenkt genau dies zu tun. Er empfiehlt dem Grossen Stadtrat die Annahme der Initiative. Zudem unterstützt der Stadtrat die Anliegen aus dem Bevölkerungsantrag «SpangeNo – Nein zur Reussportbrücke und zum Basisausbau». Dieser wurde im Dezember 2019 eingereicht (zentralplus berichtete).

Der Stau in der Innenstadt bleibt

Dass die Stadt von den Plänen des Kantons nicht angetan ist, kommt alles andere als überraschend. Im Bericht nennt der Stadtrat beim Namen, was ihn am kantonalen Projekten stört. Zu den schweren Eingriffen ins Quartier kommt ein weiterer Punkt: Die Innenstadt wird damit nicht entlastet.

Das ursprüngliche Projekt sah eine durchgehende Busspur von Kriens-Kupferhammer bis zum Luzernerhof vor. Dies ist jetzt nicht mehr der Fall. Der Stadtrat bewertet die Entlastung der Innenstadt vom motorisierten Individualverkehrs (MIV) als ungenügend. «Im Gegenteil, über das ganze Stadtgebiet gesehen wird die Strassenkapazität für den MIV ausgebaut, was dem Reglement für eine nachhaltige Mobilität widerspricht», heisst es im Bericht.

«Das Projekt ist nachfragebasiert und steht somit im Widerspruch zu unserer Mobilitätsstrategie», sagt Verkehrsdirektor Adrian Borgula auf Anfrage. «Die Verkehrsentwicklung in der Stadt zeigt, dass der Autoverkehr in der Innenstadt leicht abnimmt – obwohl die Bevölkerung der Stadt und die Arbeitsplätze in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen ist. Die bisher getätigten Investitionen in den öffentlichen Verkehr, den Fuss- und Veloverkehr funktionieren also»,  ist Borgula überzeugt. «Bei der Entlastung der Innenstadt geht es zudem nicht nur um eine Entlastung des Verkehrs, sondern auch um die Förderung der Lebensqualität in der Stadt.»

«Bestvariante» ist nicht gut genug

Die eingereichte Initiative bezog sich auf das ursprüngliche Spange-Nord-Projekt. Der Stadtrat versteht die Initiative aber auch als Opposition gegen das Alternativprojekt. Dieses sieht eine Reussportbrücke mit Anschluss Lochhof als «Bestvariante» vor. Und einen Ausbau im Bereich Schlossberg als separates Projekt.

Der Stadtrat beschäftigte sich «intensiv mit der Frage, ob er auf das Entgegenkommen des Kantons mit dem neuen Lösungsansatz eintreten soll», heisst es im Bericht. Er kommt zum Schluss, dass er es nicht kann: «Ein Projekt in der vorgesehenen Dimension unterstützt das Nachfragewachstum im motorisierten Individualverkehr, anstatt eine Verlagerung auf flächeneffiziente Verkehrsmittel zu erreichen.»

Wie die Luzerner Regierung auf das Votum aus der Stadt reagiert, ist offen. «Erst nach Ablauf der Vernehmlassungsfrist wird der Regierungsrat unter Berücksichtigung aller Anworten eine Entscheidung treffen, wie es weitergehen soll», heisst es seitens des Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartements auf Anfrage.

Kompletter Neuanfang gefordert

Bleibt die Frage, wie der Stadtrat die Initiative konkret umsetzen und sich gegen das Bauvorhaben des Kantons wehren will. Eine blosse Stellungnahme gegenüber dem Kanton erfüllt die Forderung wohl kaum.

Was der Stadtrat dem Kanton daher vorschlägt, ist ein kompletter Neuanfang. «Die Zeit ist reif für eine neue gemeinsame verkehrspolitische Strategie, die die Anforderungen und Herausforderungen der verschiedenen Räume angemessen berücksichtigt», schreibt der Stadtrat dazu.  

Das Nein der Stadt zur neuen Zubringervariante sieht Adrian Borgula nicht als Kampfansage gegen Kanton, Agglo und Landschaft. Im Gegenteil: «Es ist eine Chance, eine bessere gemeinsame Basis und einen besseren Dialog zu finden», so Borgula. »Wir wollen keinen Stadt-Agglo/Land-Graben aufreissen. Deshalb findet auch bereits heute ein verstärkter Austausch mit den Vertretern von Kanton und Agglo statt.»

Kanton arbeitet an Mobilitätskonzept

Tatsächlich erarbeitet der Kanton derzeit ein Mobilitätskonzept, das für den gesamten Kanton gelten soll. In dieses will sich der Stadtrat nun verstärkt einbringen. «Diese Strategie soll aus Sicht des Stadtrates ein gemeinsames Verständnis über Vernetzung der Verkehrsträger beinhalten und aufzeigen.»

Beim Kanton geht man davon aus, dass das geplante Mobilitätskonzept solchen Ansprüchen gerecht werden wird: «Das Ziel des Projektes Zukunft Mobilität Kanton Luzern ist es, mit verschiedenen Interessensgruppen wie der Stadt, der Agglomeration, der Wirtschaft und weiteren eine gemeinsame Grundlage für die künftige Mobilität im ganzen Kanton Luzern zu schaffen», heisst es auf Anfrage. «Es soll auch Aspekte wie den technologischen Wandel und die Klimapolitik berücksichtigen.» Der strategische Teil des Konzeptes soll Mitte 2021 vorliegen.

Einsprachen beim Bund zeichnen sich ab

Doch ist es überhaupt möglich, im jetzigen Stadium der Planung einen solchen Schritt zurück zu machen? «Das Nein zum vorgeschlagenen Projekt muss nicht als Schritt zurück verstanden werden, es wäre langfristig ein gewaltiger Schritt nach vorne.»

Borgula betont zudem nochmals, dass der Bau des Bypasses nicht von dem geplanten Zubringer abhängig ist. «Es besteht diesbezüglich kein echter Zeitdruck. In den nächsten 2 bis 4 Jahren sollte definiert werden, ob ein Zubringer realisiert werden soll und wie dieser aussehen könnte.

Was das Bypass-Projekt selbst angeht, ist der Stadtrat bereit, sich mit Einsprachen gegen übermässige Eingriffe in die Siedlungs- und Quartierstrukturen zu wehren und für eine Entlastung der Innenstadt beim Bund zu kämpfen.

Als Beispiel für eine solche «Kampfzone» wird das Dammgärtli genannt. Der Spielplatz im Quartier Basel-Bernstrasse soll einem Zugangsschacht für den Bypass weichen (zentralplus berichtete).

Bericht soll im Juni behandelt werden

Nach aktueller Planung soll der Bericht des Stadtrates an der Sitzung des Grossen Stadtrates vom 4. Juni behandelt werden. Die Diskussionen daraus könnten in die finale Stellungnahme des Stadtrates zur kantonalen Vernehmlassung einfliessen.

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