Für die Zuger Polizei «nicht zielführend»

Diese App begleitet euch nach Hause – doch die Polizei findet’s nicht gerade cool

Laut einer Umfrage der Axa-Versicherung war rund 90 Prozent der Frauen schon mulmig zu Mute, wenn sie alleine in der Nacht unterwegs waren. (Symbolbild: Adobe Stock)

Eine neue App soll dabei helfen, Menschen sicher nach Hause zu bringen. Die App ortet per GPS in Echtzeit den Standort des Nutzers. In einem Ernstfall kann ein Notruf ausgelöst werden. Die hiesige Polizei aber hat Bedenken.

Montagabend, 1.02 Uhr, ein Glas Wein zu viel. Die Beizen haben geschlossen, die Strassen sind menschenleer. Es war ein langer Tag, die Füsse schmerzen. Gemächlich spaziert die junge Frau durch die Gassen, wippt ihren Kopf zum Takt der Musik, der sie durch ihre Kopfhörer lauscht.

Bis die junge Frau einen Schatten hinter sich wahrnimmt. Sie wirft einen Blick über die Schultern, läuft schneller. Verfolgt sie jemand? Ein Griff zur Jackentasche, instinktiv klammert sie sich an ihren Schlüssel. Schweissnasse Hände, erneuter Blick über die Schultern.

Nicht selten fühlen sich Frauen, aber auch Männer unwohl, wenn sie nachts alleine nach Hause laufen. Eine App soll nun helfen, Menschen sicher nach Hause zu begleiten: die «WayGuard» von der Axa-Versicherung.

So funktioniert die App

Wer die App startet, kann sich von einer Person aus dem eigenen Freundes- oder Familienkreis oder vom «WayGuard»-Team nach Hause begleiten lassen. Die App trackt über GPS in Echtzeit, wo sich der User befindet. Per Chat- und Telefonfunktion bleibt man in Kontakt.

Wer sicher zu Hause angekommen ist, kann mit einem Klick auf den Button «Bin angekommen» die Begleitperson benachrichtigen, dass alles in Ordnung ist.

Für den Ernstfall gibt’s einen Notfallknopf, der User wird mit einer Zentrale in Deutschland verbunden. Diese alarmiert die örtliche Polizei und bleibt am Telefon, bis die Einsatzkräfte vor Ort sind. Auch private Begleiter aus dem Freundes- oder Familienkreis können einen Notruf auslösen, wenn sie merken, dass etwas nicht stimmt.

Nachdem ein Notruf ausgelöst wird, versucht die Leitzentrale den User telefonisch zu erreichen, falls sie noch nicht in Kontakt sind. Ist das nach fünf aufeinanderfolgenden Anrufversuchen nicht möglich, alarmieren sie die Polizei. Die App ist kostenlos und kann für iOS im App Store von Apple oder für Andoid im Google Play Store gedownloadet werden.

Die Zuger Polizei findet’s wenig sinnvoll

Doch was sagt die Polizei zu dieser Begleit-App? Die Zuger Polizei schreibt, dass sie eine solche App «nicht als zielführend» erachtet. Es bestehe gar die Gefahr, dass man sich durch die App in falscher Sicherheit wähne.

«In einer Gefahrensituation kann und soll man immer möglichst rasch die Notrufnummer 117 wählen», schreibt Polizeisprecherin Judith Aklin. Es sei wichtig, die Polizei direkt zu informieren. Nur so könne sie umgehend reagieren. «Nicht selten müssen Mitarbeitende der Einsatzleitzentrale auch Fragen stellen.»

… und die Luzerner Polizei sieht Bedenken bezüglich Ortskenntnis

Ähnlich sieht es die Luzerner Polizei. Mediensprecher Urs Wigger ergänzt, dass durch den direkten Kontakt mit der Einsatzleitzentrale der örtlichen Polizei Missverständnisse vermieden werden können. Wie etwa durch mangelnde Ortskenntnis.

Eine hundertprozentige Sicherheit habe man nie, «auch nicht als Benutzer einer solchen App», sagt Wigger. Und Aklin fügt an, «lieber einmal zu viel als zu wenig» die Notrufnummer zu wählen. Die Polizeipatrouillen seien «innert weniger Minuten» vor Ort.

90 Prozent der Frauen fühlten sich schon unwohl alleine

Anders sieht es die Axa, welche die App ins Leben gerufen hat. Eine Umfrage der Versicherung zeigte, dass rund 90 Prozent der Frauen schon einmal mulmig zu Mute war, wenn sie spätabends alleine auf dem Heimweg waren, durch eine Unterführung mussten oder alleine im Wald unterwegs waren:

Die Axa schreibt auf Anfrage, dass es in der Schweiz «offensichtlich» einen Bedarf für eine solche Begleit-App gibt. Vor vier Jahren lancierte die Axa in Kooperation mit der Polizei Köln die «WayGuard»-App in Deutschland. Unterdessen habe diese über 315’000 Nutzerinnen und Nutzer. Deswegen sei die App auch in der Schweiz im letzten Herbst lanciert worden.

«Viele Personen fühlen sich unwohl auf dem Weg nach Hause, ohne dass sie bereits einen Grund hätten, die Polizei anzurufen.»

Nicole Horbelt, Mediensprecherin Axa Winterthur

Und auch hier kommt die App zum Einsatz. In den drei Monaten, seit die App in Betrieb ist, registrierten sich fast 20’000 Nutzerinnen und Nutzer. 22’000 Mal liessen sich Menschen damit nach Hause begleiten.

Durch die App ist der genaue Standort bekannt, kontert die Axa

«Viele Personen fühlen sich unwohl auf dem Weg nach Hause, ohne dass sie bereits einen Grund hätten, die Polizei anzurufen», schreibt Nicole Horbelt, Mediensprecherin der Axa.

Den Vorwurf der Polizei, dass es Missverständnisse aufgrund mangelnder Ortskenntnisse geben könnte, weil die Leitzentrale in Deutschland ist, weist die Versicherung zurück. Durch das Nutzen der App sei der genaue Standort des Nutzers bekannt. Und das sei ein Vorteil. «Menschen in einer Notsituation können oftmals nicht klar sagen, in welcher Strasse oder an welchem Ort sie sich befinden», so Nicole Horbelt.

Das rät die Polizei

Durch die «Me too»-Bewegung hat sich gezeigt, wie viele Frauen schon Opfer von sexuellen Übergriffen geworden sind. Deswegen haben wir vor einiger Zeit mit Roland Jost, der bei der Luzerner Polizei für Prävention zuständig ist, gesprochen (zentralplus berichtete).

Auch Urs Wigger hat verschiedene Tipps, was man tun kann, wenn man sich abends alleine auf dem Nachhauseweg nicht wohl fühlt:

  • Mach dich, wenn möglich, immer zu zweit oder in einer Gruppe auf den Nachhauseweg. Falls das nicht möglich ist, rät die Luzerner Polizei, einen Weg zu wählen, der beleuchtet und nicht menschenleer ist.
  • Mach mit Bekannten Treffpunkte und Zeiten ab, die du auch einhältst. Melde dich telefonisch oder per SMS bei deinen Bekannten, nachdem du dein Ziel erreicht hast. Du kannst auch mit jemandem während des Nachhauseweges telefonieren, damit du dich nicht alleine fühlst.
  • Alternativ bietet es sich an, sich jemandem anzuschliessen, der in dieselbe Richtung muss. Frag dazu ruhig andere Frauen oder Paare an, ob du mit ihnen mitgehen darfst, weil es dir alleine nicht wohl ist.
  • Wenn du die Wahl hast: Nimm ein Taxi und geh nicht zu Fuss. Falls es dir unangenehm ist, bei einem Taxifahrer einzusteigen, verlange bereits am Telefon eine Taxifahrerin.
  • Wenn du mit dem Bus nach Hause fährst, setz dich ganz vorne in die Nähe des Busfahrers.
  • Um die Fahrmöglichkeit nach Hause zu garantieren, habe immer ein wenig Bargeld bei dir, in der Jackentasche beispielsweise. So musst du auch dann nicht zu Fuss gehen, falls dir das Portemonnaie geklaut wurde.

Mehr Tipps in einer Notsituation findest du hier von einer Selbstverteidigungstrainerin:

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon