Im Luzerner Neubad wird über Sex gesprochen

Sex mit einem Stück Silikon? Was Männer an Sexpuppen reizvoll finden

Wer eine Sexpuppe will, kann sie nach seinen Wünschen zusammenstellen: Fingernägel, Augenfarbe – Schambehaarung und Körbchengrösse. (Bild: ida)

Bereits jetzt bieten die ersten Bordelle in Luzern Sexpuppen an. Am Mittwochabend bekam man im Keller des Luzerner Neubads Antworten darauf, was an diesen sexy sein soll. Und dass eine Sexpuppe sogar zu einer Liebespuppe mutieren kann.

Sie heisst Gina, ist aus Silikon – und kostet pro Stunde nur 90 Franken. Wäre Gina aus Fleisch und Blut, wären es schnell einmal 200 Franken.

Sexpuppen sind auch in Luzern kein Mysterium mehr. Ein Krienser Bordell «beschäftigt» bereits mehr Sexpuppen als Prostituierte (zentralplus berichtete).

Eine Sexpuppe durfte man am Mittwochabend im Luzerner Neubad anfassen (viel weicher als gedacht). Im Rahmen der Veranstaltungsreihe «6 x Sex», die der angehende Psychotherapeut Matthias Boss moderiert, drehte sich alles ums Thema Sexpuppen und Sexroboter. Boss interessierte selbst, wie sich zwischenmenschliche Beziehungen und Sexualität durch Sexpuppen und -Roboter verändern. Im Keller zeigten sich überraschende Seiten am Sex mit dem Stück Silikon. Doch später kamen auch kritischere Fragen auf.

Sexpuppen: oral, vaginal und anal

Zu den Gästen gehörte Unternehmensberaterin Evelyn Banz. Sie betreibt im Muotathal einen Sexpuppen-Shop. Für ihren etwas spezielleren Laden schaltet sie übrigens Inserate in der «Tierwelt» – «ihr würdet staunen, wer alles die Tierwelt liest», so ihr Kommentar.

«Sexpuppen haben drei Funktionen: oral, vaginal und anal», erklärt sie erst. Wer bei ihr eine Sexpuppe kaufen will, kann sie individuell nach seinen Wünschen und Vorlieben zusammenstellen. Augenfarbe, Figur, Körbchengrösse – mit und ohne Schamhaare.

Während die Sexpuppe nur stöhnt, kann ein Sexroboter mehr, wie Wirtschaftsethiker Florian Krause, ebenfalls Gast an der Veranstaltung, erklärte. Krause forscht an der Universität St. Gallen in einem Projekt, in dem es auch um ethische Fragen rund um Sex-Roboter geht.

«Ein Sex-Roboter kann dich wecken, deine E-Mails lesen.»

Florian Krause, Wirtschaftsethiker

Sex-Roboter seien für den Spass im Bett schnell einmal «nicht mehr handelbar». Denn auch ein ganz schlanker Sex-Roboter könne 120 Kilo wiegen, so Krause. Sex-Roboter können die Augen und den Mund bewegen und haben – ähnlich wie Siri – eine Spracherkennung. So kann ein solcher Roboter alles, was ein Handy auch kann. «Ein Sex-Roboter kann dich wecken, deine E-Mails lesen», so Krause. Oder beim gemeinsamen Fernseh-Schauen das Programm vorlesen.

Witwer, einsame Bergbauern – sie alle wollen eine Sexpuppe

Doch wer will denn eigentlich so eine Sexpuppe? Bergbauern finden den Weg in den Muotathaler Sexpuppen-Shop, erzählt Evelyn Banz. Menschen, die sich einsam fühlen. «Witwer, die ihrer Frau am Sterbebett versprochen haben, dass nach ihr keine andere Frau mehr ins Haus kommt.» Manchmal kämen Männer sogar mit Fotos ihrer verstorbenen Frau: Die Sexpuppe soll ihr ähnlich sehen.

Oder ältere Männer, die auf jüngere Frauen reingefallen seien, «Kampfscheidungen» hinter sich haben. «Sie wünschen sich eine Frau, die keine Kreditkarte bedienen kann und sich keinen teuren Schmuck wünscht.» Aber auch Männer, die medizinisch eingeschränkt sind, zum Beispiel Probleme mit der Prostata haben, nicht selten jung. Querbeet alles.

Wenn Erektionsstörungen auftreten

An der Veranstaltung im Neubad zeigten sich die positiven Seiten der Sexpuppen. «Wenn Männer Probleme mit der Erektion haben und eine Frau vor ihnen ist, die dann noch genervt die Augen verdreht, geht gar nichts mehr», sagt Evelyn Banz. «Bei einer Sexpuppe können sich die Männer stundenlang Zeit lassen. Und die Sexpuppe vor ihnen lächelt immer noch geduldig.»

«Zu Beginn kaufen sich die Männer einen grossen Masturbator. Bis sie merken, dass man mit dem kuscheln kann.»

Evelyn Banz, Betreiberin eines Sexpuppen-Shops

Florian Krause ergänzt, dass einige Männer Angst vor dem Versagen haben. «Durch eine Sexpuppe kann man durchaus wieder Selbstvertrauen gewinnen.» In einer Studie fand er heraus, dass manche Menschen, die unter Druck stehen, einen Partner zu finden, gelassener sind, wenn sie zu Hause eine Puppe haben.

In Japan gehen Männer mit der Sexpuppe spazieren

Eine Sexpuppe sei aber nicht nur für den Sex da. Mit der Zeit könne gar eine emotionale Bindung entstehen. «Zu Beginn kaufen sich die Männer die Puppe als grossen Masturbator», so Evelyn Banz. «Bis sie merken, dass man mit dem ja auch noch fernsehen und kuscheln kann.» Mit der Zeit mutiert die Sexpuppe quasi zu einer richtigen «Liebespuppe». Männer würden dann für ihre Puppe zu Hause sogar Kleider und Schuhe einkaufen.

Das mag alles schräg erscheinen. Ganz anders sieht es im asiatischen Raum aus: In Japan und China hat laut Evelyn Banz jeder dritte Mensch eine Sexpuppe. Die Männer würden diese in einen Rollstuhl setzen, mit ihnen im Park spazieren, einen Kaffee trinken. Da sei das alles «ganz normal».

Doch wer sich einsam fühlt und auf eine Sexpuppe zurückgreift: Ist das nicht reine Symptombekämpfung statt Problemlösung?

Krause verneint nicht. Doch er betont auch: «Häufig gehen wir davon aus, dass jeder die Möglichkeit hat, Sex mit jemandem zu haben – das stimmt aber nicht.» So zum Beispiel Menschen, die geistig oder körperlich behindert sind. Oder Menschen in einem Altersheim, denen nicht selten Intimität fehlt.

Verändern Sexpuppen das Frauenbild?

Immer wieder wird kritisiert, dass Sexpuppen oder -roboter pädophile Neigungen und Vergewaltigungs-Phantasien fördern könnten.

Krause betont, dass solche Bedenken und eine gewisse Vorsicht bei Sexpuppen absolut berechtigt seien. Studien dazu würden aber fehlen. Ob Silikon-Puppen den normalen Sex beeinflussten, sei schwierig, pauschal zu beantworten und müsse beobachtet werden. Laut Florian Krause können Sexpuppen aber auch einen therapeutischen Nutzen haben. Beispielsweise für Menschen mit krankhaften Neigungen wie etwa pädosexuellen Neigungen, die sie in einer Therapie besser an der Puppe als in der Realität ausleben würden.

«Es ist ja keine Frau. Es ist eine Figur, ein Stück Silikon.»

Florian Krause

Im Neubad kam auch Kritik bezüglich des Einflusses auf das Frauenbild auf: Handelt es sich bei einer Sexpuppe – perfekte Haut, aalglatte Vulva und perfekt grosse Brüste – nicht um eine überstilisierte Frau, «was moralisch total verwerflich» sei?

Florian Krause: «Es ist ja keine Frau. Es ist eine Figur, ein Stück Silikon.» Es sei aber stark davon abhängig, was man in die Sexpuppe hineinprojiziere. Und inwiefern man die Sexpuppe als Frau betrachte – oder eben als ein Stück Silikon, mit dem man Sex habe.

Matthias Boss (links) führte durch die Veranstaltung «6 x Sex». Anwesend waren ebenfalls Wirtschaftsethiker Florian Krause (Mitte) und Evelyn Banz, Betreiberin eines Sexpuppen-Shops. (Bild: ida)
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Siegbert Ka.
    Siegbert Ka., 19.07.2020, 21:36 Uhr

    Ich bin 80 Jahre und lebe allein . Warum werde ich verachtet dass ich eine Puppe habe . Meine Kinder sprechen deshalb nicht mehr mit mir .

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    • Profilfoto von DW190
      DW190, 11.09.2022, 16:21 Uhr

      Daran ist nichts verwerflich und falls ihre Kinder immer noch nicht mit ihnen reden, würde ich sie enterben und alles der Puppe vermachen.

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