Bio-Metzgerei Ueli-Hof stellt Schwangere ein

Diese Luzerner Unternehmen machen Mütter und Väter glücklich

Geschäftsleiter Martin Schmitz von der Ueli-Hof Bio-Metzgerei und Marketingfachfrau Gabrielle Rütti. (Bild: ida)

Die Luzerner Bio-Metzgerei Ueli-Hof stellt eine schwangere Marketingspezialistin ein und auch grössere Unternehmen preschen in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf voran. Familienfreundlichkeit – ein Must-have statt ein Nice-to-have? Wir haben nachgefragt.

Dass sie schwanger war, liess sich nicht verstecken: Im fünften Monat und mit einem offensichtlich runden Bauch tauchte Gabrielle Rütti beim Vorstellungsgespräch auf. Der Geschäftsleiter der Ueli-Hof Bio-Metzgerei, Martin Schmitz, war aber nicht überrascht, denn er wusste es schon vorher. Rütti hat schon bei ihrer Bewerbung keinen Hehl aus ihrer Schwangerschaft gemacht.

«Ich hätte nie damit gerechnet, dass ich einmal schwanger zu einem Bewerbungsgespräch gehe», sagt Gabrielle Rütti. Geschweige denn, dass sie im siebten Schwangerschaftsmonat einen neuen Job beginnt. Weshalb hat die Ueli-Hof-Metzgerei den Aufwand auf sich genommen, mag man sich nun fragen. «In den sauren Apfel beissen musste mein Chef», sagt Rütti.

Der Betrieb gleiste gerade eine neue Marketing-Strategie auf. Zuvor hat sich Martin Schmitz als Geschäftsleiter um das Marketing gekümmert. Nachdem Rütti zu 100 Prozent krankgeschrieben wurde, musste er die Arbeit übergangsweise wieder übernehmen. «Es war zwar stressig – aber absehbar.» Für ihn sei es wichtig gewesen, jemanden zu finden, der die Philosophie mitträgt. Jemand, der ins Team passe. «Und wenn die Person qualifiziert ist, nehme ich auch einen Ausfall in Kauf. Das ist es mir wert», sagt Schmitz.

Mit offenen Karten ans Gespräch

Er rechnete von Beginn an damit, dass die neue Teilzeit-Marketingstelle eine junge Mutter besetzen würde. «Zu 90- bis 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit», wie er uns erzählt.

Schwanger am Bewerbungsgespräch: «Ganz ehrlich, ich fühlte mich komisch», sagt Gabrielle Rütti. «Das war auch neu für mich.» Sie wollte von Anfang an mit offenen Karten spielen. Es sei für Arbeitgeber wie -nehmer eine Win-win-Situation, wenn man von Beginn an ehrlich zueinander sei. Schon bei ihrem alten Arbeitgeber habe sie gesagt, dass sie mit ihrem Mann bald an die Planung ihres zweiten Kindes gehen werde.

Post auf sozialem Netzwerk schlug ein

Die Geschichte des Ueli-Hof hat Seltenheitscharakter. Viel häufiger hört man von Frauen, denen nach dem Mutterschaftsurlaub gekündet wird. Auch Gabrielle Rütti kennt eine Kollegin, der so gekündet wurde.

«Arbeitgeber sind aber nicht nur gegen Mütter diskriminierend – sondern gegen alle, die Teilzeit arbeiten wollen», sagt Rütti. Sie kenne auch viele Männer, die gerne Teilzeit arbeiten würden, der Chef oder der Job es aber nicht erlaube, weil sonst eine Abstufung erfolge. «Viele Stellen sind schlichtweg zu unflexibel gestaltet.»

Nach ihrem ersten Arbeitstag schrieb Rütti einen Post auf dem sozialen Netzwerk LinkedIn. Bald erreicht der Beitrag 7000 Likes:

Nach wie vor erhalte sie viele Likes und Kommentare auf den Beitrag. «Damit will ich meinem Arbeitgeber danke sagen und den Leuten mitteilen, dass es auch anders geht.»

Guetzlihersteller: Teilzeit auf Führungsebene

Auch der Luzerner Guetzlihersteller Hug setzt auf Familienfreundlichkeit. Seit diesem Jahr führen Anna und Andreas Hug das Unternehmen gemeinsam unter einer Co-Leitung.

Anna Hug wollte in der Führung mitwirken und zugleich Teilzeit arbeiten, um Zeit für ihre Familie zu haben. Auch für ihren Onkel Andreas war das Teilzeit-Pensum eine Option. Nach einigen Diskussionen habe man sich deswegen auf das Co-Leitungsmodell geeinigt.

Damit ist ein grösserer Aufwand verbunden. Die Verantwortungsbereiche haben sie getrennt. «Wir müssen uns eng absprechen und gegenseitig informiert halten», sagt Anna Hug.

Doch das neue Führungsmodell bringt Vorteile mit sich. «Verschiedene Ansichten zu einem Thema können zu einer besseren Lösung führen als wenn nur einer entscheidet», sagt Anna Hug. Zudem lastet die Verantwortung auf mehreren Schultern.

Generationenwechsel in der Hug-Familie: Anna Hug leitet seit dem 1. Januar das Unternehmen zusammen mit Andreas Hug. (Bild: Thomi Studhalter/Hug) (Bild: Thomi Studhalter/HUG)

Hug schenkt eine «Hug-Familienzulage» von 50 Franken

Seit Jahren unterstützt Hug Entwicklungen wie Home Office. Vier der neun Mitglieder der Geschäftsleitung arbeiten Teilzeit sowie 27 Prozent der Mitarbeitenden, die im Management arbeiten.

Bald gibt es eine «Hug-Familienzulage» von 50 Franken pro Kind und Monat. Das, weil in der Schweiz die Betreuungskosten «sehr hoch» sind, sagt Anna Hug. Auch gibt's mehr Papi-Tage. Das Unternehmen bietet zehn zusätzliche bezahlte Vaterschaftstage bei der Geburt des Kindes an. Gesetzlich vorgeschrieben ist gerade mal ein Tag.

Damit wolle das Unternehmen zu Zeiten des Fachkräftemangels attraktiv bleiben, um «möglicherweise mehr Talente aus dem Arbeitsmarkt» zu gewinnen. «Es gelingt uns nicht immer, alle Stellen zu besetzen.»

Mehr Babypause bei Viva Luzern

In der Gesundheitsbranche sieht's ähnlich aus. Qualifizierte Pflegekräfte zu rekrutieren, ist anspruchsvoll. «Eine gute Pflegefachperson kann sich ihren Arbeitgeber aussuchen», sagt Ramona Helfenberger.

Sie ist Mediensprecherin bei Viva Luzern, zu der fünf Betagtenzentren in Luzern gehören. Auch sie setzt auf Familienfreundlichkeit: Deswegen ist der Betrieb flexibel im Beschäftigungsgrad. Insbesondere in der Pflege habe man mit über 50 Prozent einen hohen Anteil Teilzeitstellen – auch in kleinen Pensen von 20 Prozent.

Dabei müssten Teilzeit- genauso wie Vollzeitstellen gut gestaltbar bleiben, betont Helfenberger: «Angestellte sollen auch im Teilzeitpensum Verantwortung übernehmen können und anspruchsvolle Arbeiten erledigen – wie beispielsweise als Pflegefachperson auf einer der Abteilungen für spezialisierte Demenzpflege.»

Neben der ordentlichen Kinderzulage gibt's bei Viva Luzern zudem eine 300-fränkige Familienzulage. Und mehr Babypause als das Gesetz verlangt: 16 statt der gesetzlich vorgeschriebenen 14 Wochen Mutterschaftsurlaub. Väter erhalten wie bei Hug einen zehntägigen bezahlten Vaterschaftsurlaub.

Grundsätzlich verfolge man damit zwei Ziele. «Damit können wir werdende Mütter und Väter im Unternehmen halten. So geht das wertvolle Know-how nicht verloren.» Zugleich positioniere man sich damit als «zeitgemässe Arbeitgeberin».

«Familienfeindlich» – ein Grund zum Künden

Sowohl für Frauen als auch für Männer ist es wichtig, dass ihr Arbeitgeber familienfreundlich ist. Eine deutsche Studie kam 2007 zum Schluss, dass für 92 Prozent aller Beschäftigten mit Kindern die Vereinbarkeit genauso wichtig ist wie das Gehalt. Bei den Beschäftigten ohne Kinder sind es noch 65 Prozent.

Ist ein Arbeitgeber nur wenig familienfreundlich, kann das ein Grund für die Kündigung sein. 78 Prozent aller Befragten gaben an, dass sie sich vorstellen könnten, für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf den Arbeitgeber zu wechseln.

Auch der Kanton Luzern hilft in Sachen Familienfreundlichkeit nach. 2012 bis 2019 bot der Kanton zweimal den «Familienfreundlichkeits-Check» an. 29 Unternehmen beteiligten sich daran. Dabei wurde eine Standortbestimmung durchgeführt, in der geklärt wurde, wie flexibel Arbeitszeiten im Betrieb gestaltet werden können und ob auf Betreuungs- und Pflegepflichten der Mitarbeitenden Rücksicht genommen wird.

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