Aktivisten wollen Villen-Besitzer enteignen

«Viele Leute finden Bodums Verhalten skandalös»

Eugen Scheuch übergibt die Unterschriften des Bevölkerungsantrags an Brigitte Koller, Leiterin Sekretariat Grosser Stadtrat. (Bild: jwy)

Die Aktivisten lassen nicht locker: Mit einem politischen Vorstoss fordern sie die Enteignung von Villen-Besitzer Jørgen Bodum. Das öffentliche Interesse an den Häusern an der Obergrundstrasse rechtfertige den extremen Schritt, begründet einer der Köpfe hinter dem Bevölkerungsantrag.

Sie wollen dem Zerfall der beiden einst prächtigen Villen an der Obergrundstrasse nicht mehr weiter zusehen: Der Stadtrat müsse endlich durchgreifen, nachdem die Gespräche ergebnislos blieben, fordern die Aktivisten von Resolut. Die Gruppe sympathisiert mit den Hausbesetzern von Gundula und hat am Wochenende die Anti-WEF-Demo in Luzern organisiert.

Sie haben am Dienstag einen Bevölkerungsantrag mit 248 Unterschriften eingereicht und zielen auf die Rettung der beiden leerstehenden und geschützten Villen, die im Besitz von Jørgen Bodum sind. Dieser lässt die Objekte seit Jahren verlottern (zentralplus berichtete). Sollte für die Enteignung die rechtliche Grundlage fehlen, müsse der Stadtrat die Basis schaffen, um eine Vergesellschaftung zu ermöglichen.

Verhandlungen führten zu keinem Ergebnis

Für die Liegenschaft an der Nummer 101 liegt schon länger eine Baubewilligung für Renovation und Umbau vor. Jedoch gab's über den Abriss und Neubau der Villa an der Nummer 99 bisher trotz langen Verhandlungen zwischen Bodum und der Stadt keine Einigkeit.

Zugebrettert und umwuchert wartet die Bodum-Villa an der Obergrundstrasse 99 auf ihr Schicksal. (Bild: jwy)

Wir haben mit einem der Köpfe hinter dem Bevölkerungsantrag gesprochen. Eugen Scheuch kennt die Villen bestens, wurde er doch im Zusammenhang mit der Hausbesetzung wegen Hausfriedensbruchs verurteilt.

zentralplus: Was rechtfertigt die extreme Forderung einer Enteignung?

Eugen Scheuch: Herr Bodum besitzt die Villen seit sieben Jahren, sie stehen leer und alle Verhandlungen mit der Stadt sind gescheitert. Er hat die Häuser nachweislich als Spekulationsobjekte gekauft, nur um sie abzureissen. Jetzt müssen wir den Druck erhöhen, der Bevölkerungsantrag ist ein gutes Mittel dafür. Ich behaupte, dass die Mehrheit der Luzerner Bevölkerung hinter unserem Anliegen steht. Viele Leute finden Bodums Verhalten skandalös.

zentralplus: Sie sagen, Bodum handle «in krasser Weise gegen das öffentliche Interesse»: Woher wissen Sie, dass das öffentliche Interesse auf Ihrer Seite ist?

Scheuch: Die Wenigsten sympathisieren mit Herrn Bodum und der Unmut ist gross, nicht nur bei ein paar Jugendlichen, sondern auch bei älteren Leuten. Wenn man etwa im Einer-Bus an den Villen vorbeifährt, ist das immer wieder ein Thema. Wir haben die nötigen Unterschriften innert kürzester Zeit zusammenbekommen, wir hätten viel mehr sammeln können.

zentralplus: Rechtfertigt das öffentliche Interesse, dass man Privateigentum antastet?

Scheuch: Ich denke ja, es besteht seitens Herrn Bodum kein Goodwill, er ist nicht an ernsthaften Verhandlungen interessiert und hat nichts vor mit den Häusern, ausser sie abzureissen. Er vergisst, dass es bei Eigentum nicht nur Rechte gibt, sondern auch Pflichten. Er nimmt seine Verantwortung nicht wahr.

«Wir wollen für die Zukunft ein Zeichen setzen, dass man dieses Verhalten nicht toleriert.»

zentralplus: Macht der Stadtrat aus Ihrer Sicht zu wenig?

Scheuch: Es gab Verhandlungen, aber in letzter Zeit wüsste ich nichts von aktuellen Gesprächen, diese sind mehr oder weniger gescheitert. Es herrscht immer noch der Status quo – bis die Häuser komplett zerfallen sind.

zentralplus: Kommt der Antrag nicht zu spät? Die Villa an der Nummer 99 ist in desolatem Zustand und dürfte kaum mehr zu retten sein.

Scheuch: Ich kann persönlich nicht beurteilen, ob das Haus zu retten ist. Aber wir wollen für die Zukunft ein Zeichen setzen, dass man dieses Verhalten nicht toleriert. Die Stadt hätte viel früher eingreifen müssen, nicht wir. Die mediale Aufmerksamkeit rund um die Villen kam erst mit den Besetzungen 2016 und 2017 auf.

zentralplus: Was soll die Stadt mit den Villen nach einer Enteignung denn machen?

Scheuch: Da sind wir offen und stellen keine Forderungen. Es gibt sicher genügend interessante öffentliche Projekte. Es könnte eine Kita sein, eine Bildungsinstitution oder eine kulturelle Nutzung.

Eugen Scheuch (Gruppe Resolut) und Brigitte Koller (Leiterin Sekretariat Grosser Stadtrat). (Bild: jwy)

zentralplus: Ist das eine Lösung für die Zukunft? Die Stadt kauft Häuser, um sie zu erhalten?

Scheuch: Das ist ein wichtiger Ansatz, gerade in Zeiten von Airbnb etc. Der öffentliche Raum wird immer stärker kommerzialisiert, und nur wenn dieser im Eigentum der Allgemeinheit bleibt, hat man überhaupt die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Wenn alles privatisiert wird, verkommt Luzern zum Disneyland.

zentralplus: Wieso haben Sie keine Initiative gestartet?

Scheuch: Der Bevölkerungsantrag ist ein erster Schritt und rechtlich viel einfacher als eine Initiative. Für später wäre das aber immer noch ein Mittel, das ist nicht ausgeschlossen. Wir warten jetzt mal ab, was der Stadtrat dazu meint.

zentralplus: Wer steht hinter dem Antrag neben der Gruppe Resolut? Auch Parteien?

Scheuch: Mehr oder weniger alles Privatleute. Wir haben noch gar keine Parteien kontaktiert. Aber ich denke, der eine oder andere Politiker sympathisiert sicher mit dem Anliegen.

Wie es jetzt weitergeht

Einzelne Politiker haben sich bereits zu Wort gemeldet: «Hier geht es nicht darum, jemandem das Elternhaus (…) oder sonst etwas, zu dem man eine emotionale Bindung hat, wegzunehmen. Hier lässt jemand einen schützenswerten Teil unserer Stadt zerstören!», kommentiert Jona Studhalter, Stadtratskandidat der Jungen Grünen den Vorstoss auf Facebook. Auch die Juso fordert die Stadt zum Handeln auf, um den Erhalt der Gebäude zu sichern.

GLP-Politiker Louis von Mandach schreibt: «Das Problem ist, dass in Luzern keine griffigen Gesetze für solche Fälle bestehen – offensichtlich war der Bedarf bis jetzt nicht gegeben. Meines Erachtens sollten die Aktivisten über eine nationale oder kantonale Gesetzesinitiative Klarheit schaffen und sich damit konstruktiv an einer Lösungsfindung beteiligen.»

Ein halbes Jahr Zeit für Antwort

Die Stadt Luzern nimmt wie üblich bei hängigen Vorstössen noch keine Stellung zur Forderung. Der Bevölkerungsantrag wird wie ein Postulat aus dem Parlament behandelt. Der Stadtrat hat nun ein halbes Jahr Zeit für die Beantwortung. Die Aktivisten können in der Zwischenzeit mit ihren Forderungen bei der Baukommission vorsprechen.

Eine Anfrage von zentralplus zum Enteignungsantrag an Bodums Anwalt blieb bis am Dienstagabend unbeantwortet. «Ein Verkauf der Häuser ist kein Thema», teilte vergangenen Herbst Jørgen Bodum dem Regionaljournal von SRF mit.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Ram Dass
    Ram Dass, 15.01.2020, 10:58 Uhr

    In der Weltanschauung von Resolut resp. Eugen Scheuch werden die Bodum-Villen zwar der Spekulation entzogen, dafür wohnen dann später die sozialistischen Parteibonzen oder hohe Funktionäre der Nomenklatur darin. Was ändert sich also für das Fussvolk? Nichts! Warum also sollten sie dies unterstützen?

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  • Profilfoto von David Müller
    David Müller, 15.01.2020, 02:17 Uhr

    Was für Widersprüche einigen sich denn hier in diesem linken Gedankengut?
    Einerseits werden ‹Villen› und ‹Bonzen› in solchen Kreisen verteufelt, nun sollen sie erhalten bleiben…
    Kann es sein, dass diese Aktion aus Resentiments von der Zeit der Besetzung getrieben ist?

    Eugen Scheuch geht von der Mehrheit der Bevölkerung aus, stützt sich dabei auf Meinungen der Menschen im Bus, beim Vorbeifahren…

    Vielmehr geht es doch zu hinterfragen, wie es um die Auflagen von Heimatschutz/Denkmalschutz steht.
    Wer Forderungen stellt, soll sich bitte auch finanziell daran beteiligen und zwar in angemessener Form, nicht mit symbolischen Beträgen.

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    • Profilfoto von CScherrer
      CScherrer, 15.01.2020, 09:18 Uhr

      Richtig Herr David Müller. Es gilt tatsächlich zu analysieren, wie es um die Auflagen von Heimatschutz/Denkmalschutz steht. Zurzeit sieht es danach aus, als wolle die Regierung/Verwaltung aus der Stadt ein Museum auf Kosten der Hauseigentümer machen. Sanierungen etc. werden unter dem Deckmantel «Heimatschutz/Ortsbildschutz/Denkmalschutz» praktisch verunmöglicht oder können nur mit hohen finanziellen Mittel realisiert werden. Es kann nicht sein, dass Hauseigentümer für frühere Bausünden, bewilligt durch die Stadt, praktisch zu Verantwortung gezogen resp. dafür benachteiligt werden. Wie ich schon mal erwähnte, bestehen mit grösster Wahrscheinlichkeit auch Befindlichkeiten von Seiten Stadtarchitekt. Auch hier mangelt es an guter Kommunikation.

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