Luzernerin Monic Mathys steht seit 17 Jahren am Bass

«Patent Ochsner sind eben nicht nur Manne»

«Es fägt extrem mit Patent Ochsner.» Monic Mathys bei einem erneuten Treffen im Restaurant Helvetia.

Früher in ihrer Musikkarriere fragte man die Luzernerin immer wieder, wessen Freundin sie sei. Nun ist Monic Mathys seit 17 Jahren fester Teil der Berner Mundart-Band Patent Ochsner. Wir treffen die Bassistin auf einen Rundgang durch die Luzerner Neustadt.

«Ich werde eine weisse Nelke tragen», meinte Monic Mathys zuvor noch scherzend am Telefon. Das braucht sie nicht zu tun – denn auch wenn sie bei Patent Ochsner seit 17 Jahren hinter Frontmann Büne Huber steht, erkennen wir die Bassistin auf Anhieb.

Es ist ein warmer Dezembertag, die Sonne scheint, als ich Monic Mathys im Café Salü am Helvetiaplatz treffe. Wir setzen uns in den hinteren Teil des Cafés, bestellen uns eine Salat-Bowle mit Ingwertee. Nicht nur die Autorin fragt, denn Monic Mathys interessiert sich fürs Gegenüber. Was einen so umtreibt, ob man oft im «Salü» anzutreffen sei, wie man als junge Frau den Privat- und Berufsalltag wahrnehme und wie die eigene Mutter einen dabei geprägt habe.

In der Neustadt kennt sich Monic Mathys aus. Jahrelang wohnte sie um die Ecke des «Salü», mitten in der Luzerner Neustadt. In jungen Jahren besuchte sie das Kulturzentrum Boa, rockte mit ihrem rosaroten Bass auf den Bühnen des Sedels, drehte jeden Freitag im Hallenbad Biregg ihre Runden.

«Ich tauche in meine Welt ab»

Derzeit ist sie wieder mit Patent Ochsner auf Tour. Bis auf wenige Konzerte sind alle ausverkauft. Monic Mathys' Haare sind an diesem Freitag ein wenig zerzaust, tags zuvor hatten sie einen Auftritt in Hochdorf. «Magisch» sei es gewesen, in der Braui Hochdorf. Am Wochenende stehen zwei Auftritte in der Luzerner Schüür an.

Wenn Monic Mathys Bass spielt, ist es, als ob sie die Musik jede Sekunde mitfühlt. Sie bewegt sich – andauernd. Auch in den Momenten, in denen sie nicht die Saiten spielt. Sie schwingt ihre Haare, von links nach rechts. Sie lacht, bis ihre Silhouette im Licht der Scheinwerfer verschwindet. «Wenn ich spiele, kann ich bei mir sein. Ich tauche in meine Welt ab, vergesse alles rundum», sagt Monic Mathys. Es ist diese Kraft der Musik – mit ein Grund, weswegen sie heute als Musiktherapeutin Menschen nach einem Schlaganfall betreut.

Wenn nur von den «Mannen» gesprochen wird

Doch wie ist es, in einer Männerband zu spielen? Für sie völlig normal. «Ehrenwort», fügt sie noch an, nimmt einen Schluck ihres Ingwertees. Sie ist ein Teil der Band. Und fühle sich vollkommen akzeptiert.

«Da hiess es im Radio doch tatsächlich: ‹D'Manne vo de Patent Ochsner send super gsi!› Und was ist mit mir?»

Anders sei teilweise die Wahrnehmung von aussen. Monic Mathys erzählt, wie sie vor Jahren nach dem Gurten-Festival zu Hause war, sie kochte gerade. «Da hiess es im Radio doch tatsächlich: ‹D'Manne vo de Patent Ochsner send super gsi!› Und ich dachte: ‹Was ist mit mir? Habe ich nichts gemacht, schlecht gespielt?›»

«Du bist die Freundin von wem?»

«Das ist ein Punkt der ganzen Genderdebatte», sagt Monic Mathys. «Du wirst als Frau nicht erwähnt.» Früher sei sie gar gefragt worden, wessen Freundin sie sei. «Viele können sich gar nicht vorstellen, dass du als Frau da bist, weil du in der Band spielst. Und du dir das hart erarbeitet hast.»

Denn es war ein langer Weg, bis Monic Mathys zu Patent Ochsner fand. Als junge Frau war sie Teil von verschiedenen Männerbands, tourte mit ihnen von Club zu Club. Mit 37 Jahren wagte sie einen Neuanfang, trat aus allen Bands aus. Sie wollte sich zur Korrektorin ausbilden lassen. Unerwartet erhielt sie einen Anruf vom Management von Michael von der Heide. Sie ging mit ihm auf Tournee, lernte in der Zeit Büne Huber kennen. Erst noch in seinem Soloprogramm gespielt, ist Monic Mathys seit 2002 Teil der Berner Mundart-Band Patent Ochsner.

Sie kontert schlagfertig

Auch heute kommt es immer wieder zu Situationen, in denen sie als Musikerin zu wenig wahrgenommen wird. Sie erzählt von Situationen, in denen jemand nach gespieltem Konzert in den Backstage-Bereich stürzt und sagt: «Jungs, hammer Gig!»

Monic Mathys schüttelt den Kopf: «Zu Beginn war ich oft beleidigt.» Aber es sei ja nie böse gemeint. Fällt heute eine solche Aussage, versucht sie schlagfertig und humorvoll zu reagieren.

Denn es sei schlicht unsorgfältig und falsch. «Es muss einfach selbstverständlich werden, ins Bewusstsein von allen gelangen.» Und das geschehe mit der Sprache. «Patent Ochsner sind eben nicht nur Manne, sondern Manne und Fraue.»

Die «Manne» und die Frau von Patent Ochsner. (Bild: zvg)

In Luzern fühlt sie sich zu Hause

Der Ingwertee ist ausgetrunken, der Teller leer. Wir brechen vom «Salü» auf, raus an die Sonne, laufen durch die Neustadt, kommen an einem Möbelgeschäft vorbei. Monic Mathys bleibt vor einem Kerzenständer stehen. Wir sehen silberne Teilchen, Kreise, die mit feinen Linien miteinander verbunden sind. An was sie das erinnert? An Moleküle, sagt sie.

Monic Mathys kennt sich aus in den Gassen Luzerns. Heute wohnt sie mit ihrem Partner im aargauischen Birrwil, tags zuvor hat sie in Luzern eine Freundin aus frühen Tagen angetroffen. Seit 20 Jahren haben sie keinen Kontakt mehr – bis sie sich per Zufall auf der Strasse mitten in der Stadt sahen. Schwingt da etwa ein bisschen Nostalgie in ihrer Stimme mit?

«Wenn das Gefühl von nach Hause kommen nostalgisch ist, dann ja», sagt Monic Mathys. «Wenn es Wehmut nach der Vergangenheit bedeutet, dann nicht. Aber das Gefühl von sich auskennen und landen.»

Weshalb sie lange Zeit keine Röcke mehr trug

Unser Ziel ist der Coiffeur-Salon «No.7» an der Dornacherstrasse. Hier lässt sich Monic Mathys seit 1995 bei einer guten Freundin die Haare machen. Früher hat sie diese immer selbst geschnitten. Bis sie Karin traf, erzählt Monic Mathys und winkt durchs Fenster ihrer Freundin zu.

«Und da kam doch tatsächlich jemand zu mir und sagte: ‹Jetzt hast du das Privileg, auf dieser Bühne zu stehen, und ziehst dich noch dermassen an›.»

Nach einem kurzen Abstecher im Secondhand-Laden nebenan – Monic Mathys trägt oft und gerne Secondhand – sitzt sie bei einem Espresso auf dem Stuhl bei ihrer Stylistin. Sie schüttet die ganze Tüte Zucker in die schwarze Brühe. «Man fragte mich auch schon, ob ich Kaffee zum Zucker nehme», sagt Monic Mathys. Während ihre Freundin Karin ihr Haar zu grossen Wellen lockt, erzählt sie von einem ihrer Auftritte im Luzerner Sedel.

Sie hat noch ein Foto, auf dem sie ein Minikleid aus Samt trägt. Mit ihrem knallrosafarbenen Bass steht sie auf der Bühne, spielt Punk. «Und da kam doch tatsächlich jemand zu mir und sagte: ‹Jetzt hast du das Privileg, auf dieser Bühne zu stehen, und ziehst dich noch dermassen an›.» Das hat gesessen. «Ich trug lange Zeit keine Röcke mehr.»

Als Kind war sie Bandenchefin

Schon als Kind hat Monic Mathys lieber mit den Buben gespielt als mit den Mädchen. Das war wohl einfach spannender. Sie bauten Iglus im Winter, Waldhütten im Sommer. Aufgewachsen ist sie in Emmenbrücke, wo die Kinder von der von Moos – dazu gehörte auch Monic Mathys – diejenigen von der Viscose angegriffen haben.

«Ich bin ganz die Tochter meiner Mutter.»

«Wir hatten richtige Banden und ich wurde sogar Bandenchefin», erzählt Monic Mathys. Als Mädchen einer reinen Jungenbande. «Nachdem wir aber dreimal verloren haben, wurde ich gleich wieder abgesetzt – das war eine Lektion fürs Leben», meint sie und lacht.

Die Mutter hat sie geprägt

Zu ihrer Mutter hat sie eine enge Beziehung. In jüngeren Jahren von der Familienbande emanzipiert, werde das Band mit den Jahren wieder enger, so Monic Mathys. Und sie sagt: «Ich bin ganz die Tochter meiner Mutter.»

Ihre Mutter, das war die Generation, als Journalistin und Feministin Alice Schwarzer in den 70er-Jahren die feministische Zeitschrift «Emma» gründete. «Damals hiess es, auch Frauen müssen Militärdienst machen», erzählt Monic Mathys, während sie ihre Espresso-Tasse in beiden Händen vor ihrer Brust hält. «Und meine Mutter erwiderte: ‹Emanzipation heisst Gleichstellung und nicht jeden Blödsinn mitmachen.›» Wir lachen alle.

«Es fägt extrem»

Die Haare – vorher noch zerzaust oder «Bed Hair», wie sie meinte – fallen nun in grossen Wellen über die Schultern Mathys'. «Ich mache jetzt nichts, fuchtle nicht in meinen Haaren rum, gäll», sagt Monic Mathys zu ihrer Freundin Karin. «Easy, oder?», erwidert diese. Und sagt dann noch: «Sie ist wie ein kleines Kind, spielt dauernd daran um.» 

Einen Tag nach dem Treffen mit Monic Mathys besuchen wir das Konzert in der Luzerner Schüür. Bei den Auftritten in Luzern sei sie schon ein wenig nervöser, weil viele kommen, die sie kennt, sagte Monic Mathys noch zuvor. Und da steht sie auf der Bühne – kein rosafarbener Bass mehr wie zu Sedel-Zeiten, sondern weiss. Sie spielt, sie lacht und sie bewegt sich – nonstop. «Es fägt extrem mit dieser Band», sagt Monic Mathys, als wir sie nach dem Konzert bei einem Glas Wein antreffen.

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