Zwei Schwestern mischen die Zuger Politik auf

Gurbetelli und Ronahi Yener: In der Partei getrennt, in der Sache vereint

Gurbetelli (links) und Ronahi Yener sagen über sich gegenseitig: «Sie ist nicht nur meine Schwester, sondern auch eine meiner besten Freundinnen.» (Bild: sib)

Die Baarer Schwestern Gurbetelli und Ronahi Yener mögen politisch auf einer Wellenlänge liegen. Doch für dieselbe Partei konnten sie sich nicht erwärmen. Während es Ronahi zur Juso zog, entschied sich Gurbetelli für die Jungen Alternativen. Werden zuhause am Esstisch etwa Interna ausgetauscht?

In Luzern politisieren die Geschwister Christian und Letizia Ineichen genauso Seite an Seite für die CVP wie Jona und Irina Studhalter für die Jungen Grünen sowie David und Simon Roth für die SP. In Zug setzen sich Luzian und Konradin Franzini gemeinsam für die Anliegen der Jungen Alternativen ein.

Eine solche parteiliche Harmonie sucht man bei den Schwestern Gurbetelli und Ronahi Yener aus Baar vergeblich. Während Ronahi (19) seit März bei der Juso als Co-Präsidentin fungiert, hat Gurbetelli (21) dasselbe Amt bei den Jungen Alternativen seit zweieinhalb Jahren inne*. Sie wurden in der Schweiz geboren. Ihre Eltern kamen aus der Türkei in die Schweiz. Im Interview verraten die Zugerinnen, wie sie den Graben zwischen SP und Grünen in Zug erleben, weshalb sie exklusive Namen tragen und warum sie sogar parteiintern verwechselt werden.

*Gurbetelli Yener hat Mitte Dezember, und damit einige Wochen nach Aufzeichnung dieses Interviews, bekannt gegeben, ihr Amt als Co-Präsidentin bei den Jungen Alternativen abzulegen.

zentralplus: Ronahi, mit Manuela Weichelt wurde eine ALG-Politikerin in den Nationalrat gewählt. Blicken Sie mit einem gewissen Neid in Richtung der Partei Ihrer Schwester?

Ronahi Yener: Nein, gar nicht. Ich gönne es ihnen extrem. Zudem ist es grundsätzlich ein linker Sitz und für mich damit ein Sitz, der uns alle vertritt. Deswegen verspüre ich überhaupt keine Eifersucht. Ich ahnte bereits im Vorfeld, dass die ALG wohl einen Sitz holen wird, weswegen ich auch darauf gefasst war.

Gurbetelli Yener: Wir sind ein recht bürgerlicher Kanton. Deswegen müssen die zwei linken Parteien erst recht zusammenhalten und gemeinsam um einen Sitz kämpfen.

«Ich wollte aktiver werden, als ich es bei der SP war.»

Ronahi Yener

zentralplus: Es ist eine allzu leidige Geschichte, dass es zwischen der SP und der ALG in Zug immer wieder Grabenkämpfe gibt. Wie erleben Sie dies?

Ronahi Yener: Wir arbeiten gut zusammen und haben die gleichen Ziele, doch eine gewisse Konkurrenz ist trotzdem da. Wir spüren dies jedoch nicht wirklich. Ich glaube, es ist nicht mehr so intensiv, wie es dem Hörensagen nach früher mal war.

zentralplus: Und unter den Jungparteien ist es nochmals weniger ausgeprägt, nehme ich an.

Ronahi Yener: Ja, genau. Es ist überhaupt nicht ausgeprägt.

Gurbetelli Yener: Wir führen regelmässig gemeinsam Projekte durch. Beispielsweise die Wohnrauminitiative vor zwei Jahren. So konnten wir ein Zeichen setzen. Zwischen uns gibt es keine Kämpfe.

«Wenn wir beim Abendessen diskutieren, achten wir darauf, dass wir dies in einem gemässigten Ton tun.»

Gurbetelli Yener, Co-Präsidentin Junge Alternative Zug

zentralplus: Gurbetelli, warum hat es Sie zur ALG und nicht zur SP oder Juso gezogen?

Gurbetelli Yener: Mir waren ökologische und soziale Themen schon immer wichtig. Im Ausgang lernte ich dann ein Mitglied der Jungen Alternativen kennen und kam so schliesslich zur Partei. Fast gleichzeitig wechselte Ronahi zur Juso, nachdem sie zuerst bei der SP aktiv war.

Ronahi Yener: Ein halbes Jahr war ich bei der SP, bevor ich zur Juso wechselte. Ich wollte aktiver werden, als ich es bei der Mutterpartei war. Ich wollte auf die Strasse gehen und Aktivismus betreiben. Ich ging an eine Infoveranstaltung der Juso und entschied mich, auch Mitglied der Juso zu werden. Der SP trat ich im Januar 2016 bei, kurz nach meinem 16. Geburtstag.

zentralplus: Sind Sie bereits von Ihren Eltern politisiert worden?

Ronahi Yener: Politik war immer mal wieder ein Thema am Esstisch. Unser Vater wollte, dass wir uns damit befassen, was auf der Welt abgeht. Mir wurde früh bewusst, wie viel Ungerechtigkeit herrscht. Ein Beispiel dafür ist, dass unsere Mutter aufgrund ihres Geschlechts nicht zur Schule gehen durfte. Oder dass unser Vater flüchten musste – unsere Eltern sind gebürtige Kurden aus der Türkei. So wurde ich sensibilisiert. Ausserdem habe ich eine Lehre bei der Stadtverwaltung gemacht. Das war ein weiterer Grund, weshalb ich mich mit dem politischen Geschehen auseinanderzusetzen begann. Dadurch habe ich Gurbetelli auch ein Stück weit angesteckt.

«Ich mag es, dass wir in unterschiedlichen Parteien sind. Dies zeigt, dass dies nicht bereits von der Familie vorgegeben ist.»

Ronahi Yener

zentralplus: Sie haben noch eine ältere und eine jüngere Schwester. Haben Sie diese auch bereits angesteckt?

Gurbetelli Yener: Unsere ältere Schwester Islim (28) hat sich schon immer mit Politik befasst. Nun durch ihre jüngeren Geschwister noch mehr als früher, da wir uns am Esstisch meist über politische Themen unterhalten. Hazal (14) habe ich ein Stück weit mitgezogen. Sie hat mir öfters geholfen, Flyer über Abstimmungen und Wahlen in die Briefkästen zu verteilen und zudem befand sie sich schon einige Male an Mitgliederversammlungen. An solchen Anlässen schnappt man viel auf und erfährt, was läuft.

Ronahi Yener: Es ist jedoch ihr Entscheid, ob sie sich mal engagieren möchte. Ich sehe es aktuell noch nicht so, aber man weiss nie. Bei Gurbetelli hätte ich es zu Beginn auch nicht gedacht, und plötzlich wurde das Feuer entfacht (lacht).

zentralplus: Gibt es überhaupt Meinungsverschiedenheiten, wenn Sie miteinander diskutieren?

Gurbetelli Yener: Unsere Meinungen gehen sicherlich nicht diametral auseinander. Wenn wir beim Abendessen diskutieren, achten wir darauf, dass wir dies in einem gemässigten Ton tun. Uns richtig in die Haare geraten sind wir noch nie.

Ronahi Yener: Unsere Mutter muss uns teilweise jedoch schon mahnen, etwas runterzufahren. Da ich nicht gerne klein beigebe, ist das manchmal gar nicht so schlecht. (lacht)

zentralplus: Wo gehen Ihre Meinungen denn auseinander?

Ronahi Yener: Bei gewissen Themen habe ich einen stärker nach links tendierenden Standpunkt. Der Unterschied liegt vor allem darin, dass es Themen gibt, mit denen ich mich mehr auseinandersetze und solche, mit denen sich Gurbetelli intensiver befasst.

Gurbetelli Yener: Junge Alternative und Juso politisieren natürlich schon in eine sehr ähnliche Richtung. Doch es sind trotzdem unterschiedliche Parteien.

Ronahi Yener: Ich mag es eigentlich, dass wir in unterschiedlichen Parteien sind. Dies zeigt unter anderem, dass es nicht bereits von der Familie vorgegeben ist, welcher Partei wir beitreten müssen.

«Wir sind nach kurdischen Freiheitskämpferinnen benannt.»

Gurbetelli Yener

zentralplus: Für welche Themen ist wer von Ihnen sensibilisierter?

Ronahi Yener: Ich habe das Gefühl, ich bin sensibilisierter, wenn es um Gleichberechtigung geht.

Gurbetelli Yener: Du diskutierst mehr darüber. Ich habe eigentlich die gleiche Meinung dazu.

Ronahi Yener: Genau, ich befasse mich mehr damit. Beispielsweise, was den gendergerechten Sprachgebrauch anbelangt.

zentralplus: War es bei Ihrer Partei jemals ein Thema, dass die Schwester in einer anderen Partei ist?

Ronahi Yener: Obwohl wir viel miteinander diskutieren, sind wir diskret, wenn es um Parteiinternes geht. Wir fragen einander auch gar nicht erst dazu. Und sonst würde uns spätestens unsere Mutter einen Riegel schieben. Wir werden jedoch nicht selten verwechselt. Als ich ins Co-Präsidium gewählt wurde, gratulierten manche beispielsweise Gurbetelli.

Gurbetelli Yener: Letztes Jahr gab es anlässlich der Kantonsratswahlen ein Fotoshooting bei der Frauenzentrale. Ronahi gesellte sich logischerweise zu den SP-Frauen ...

Ronahi Yener: ... und eine ALG-Politikerin fragte mich, ob ich nicht zu ihnen hinstehen wolle fürs Foto. Ich musste dann kurz erklären, dass ich Gurbetellis Schwester bin. Eine Zeit lang kam es regelmässig zu Verwechslungen. Ich habe zur Klärung einen Facebook-Post dazu verfasst (siehe unten). Aber wir nehmen es auf jeden Fall mit Humor.

zentralplus: Ihre Namen sind nicht gerade alltäglich. Was hat es damit auf sich?

Gurbetelli Yener: Wir sind nach kurdischen Freiheitskämpferinnen benannt. In meinem Fall ist es Gurbetelli Ersöz, welche Ende 1997 gestorben ist. Im Januar 1998 kam ich auf die Welt. Vor allem meine Mutter wollte mich nach ihr benennen. Wenn man unseren gemeinsamen Vornamen googelt, tauchen nur sie und ich auf, was mich sehr ehrt. Ich kenne abgesehen von uns zwei niemanden, der so heisst.

Ronahi Yener: In meinem Fall ist es eine Freiheitskämpferin, die den Codenamen Ronahi trug und ebenfalls kurz vor meiner Geburt starb. Übersetzt heisst der Name Sonnenlicht oder Sonnenaufgang. Ich finde es sehr cool, dass wir nach ihnen benannt wurden, auch wenn es Leute in meinem Bekanntenkreis gibt, die bis heute Probleme mit meinem Namen haben, obwohl er einfach auszusprechen ist.

Gurbetelli Yener: Ich werde dafür bei der Arbeit nicht selten mit Herr Gurbetelli anstatt mit Frau Yener angesprochen. Ich habe meine Ausbildung als Konstrukteurin bei einem Pharmaunternehmen gemacht – ein Beruf mit einem Männeranteil von 90 Prozent.

Ronahi Yener stand auch schon für die Juso Schweiz vor der Kamera:

zentralplus: Nächstes Jahr stehen in Zug keine Wahlen an. Worauf werden Sie 2020 den Schwerpunkt legen?

Gurbetelli Yener: Auf die Transparenzinitiative, bei der die Unterschriftensammlung ansteht.

Ronahi Yener: Wir werden beim Klima- und Frauenstreik anknüpfen und dort nicht lockerlassen. Die ganze Klima- und Gleichberechtigungsdiskussion muss im Kanton Zug weiter vorangetrieben werden.

Gurbetelli Yener bildet zusammen mit Konradin Franzini das Co-Präsidium der Jungen Alternativen. (Bild: zvg)

zentralplus: Ronahi, Sie haben dieses Jahr für den Nationalrat kandidiert, Sie beide 2018 für den Kantonsrat. Was verfolgen Sie für Pläne, was Ihre persönliche politische Zukunft anbelangt? Wie sehr würde Sie die nationale Bühne reizen?

Ronahi Yener: Vorerst lege ich meinen Schwerpunkt kantonal. Ich kann mir jedoch gut vorstellen, später national aktiver zu werden. Aktuell sitze ich bereits in der Co-Leitung der Arbeitsgruppe Internationales der Juso Schweiz.

Gurbetelli Yener: Es ist halt auch eine Zeitfrage. Ronahi macht aktuell die Passerelle und ich habe frisch mein Studium in Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule Rapperswil begonnen – beides ist recht zeitintensiv. Konkrete Gedanken werde ich mir erst in ein paar Jahren machen.

zentralplus: Ronahi, welches Studium schwebt Ihnen nach der Passerelle vor?

Ronahi Yener: Höchstwahrscheinlich Volkswirtschaftslehre. Ich will unser Wirtschaftssystem so gut wie möglich verstehen, damit ich mich kritisch damit auseinandersetzen kann. Nebenbei arbeite ich seit Mai bei einer Softwarefirma in Rotkreuz, nachdem ich von meinem Sprachaufenthalt in Lausanne zurückgekehrt bin. Ab Dezember werde ich mich jedoch vollständig auf die Passerelle fokussieren.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Landolt, Brigitte
    Landolt, Brigitte, 15.12.2019, 13:25 Uhr

    Grüezi mitenand
    das sind zwei sehr interessante Schwestern – beide.
    Ich wünsche beiden alles Gute und weiterhin viel Kraft.
    herzliche Grüsse
    Brigitte Landolt

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