Gianni Bomio arbeitete 34 Jahre als Volkswirtschaftler

Zug ist ein Wirtschaftsmagnet: «Weil wir klein und agil sind, sind wir so gut»

Kaum jemand weiss so gut über die Zuger Wirtschft Bescheid wie der langjährige Chefbeamte Gianni Bomio. (Bild: zvg)

Über 30 Jahre hat ein Mann namens Gianni Bomio den Wirtschaftsboom im Kanton Zug mitgeprägt. Nun nennt er zentralplus jeweils drei Sachen, die sich in dieser Zeit geändert haben, warum Zug so erfolgreich war und was der Kanton unbedingt beachten muss, damit sich das nicht ändert.

Der schöne Sonnenuntergang über dem Lindenberg, die Kirschtorten und der Eissportverein Zug: Macht dies Zug aus?

Gewiss, aber das alles macht den Kanton nicht einzigartig. Gegenüber anderen Schweizer Gegenden mit hübscher Landschaft und erfolgreichen Sportvereinen gibts eigentlich nur etwas, was Zug speziell auszeichnet: seine Wirtschaft.

Ein Vierteljahrhundert mit am Schalthebel

Deshalb will zentralplus im Gespräch mit einem Experten herausfinden, warum der Kanton ökonomisch so erfolgreich ist, welche Probleme daraus entstehen und was es braucht, damit es gut weitergeht.

«Bomio ist die Verkörperung des ‹Spirit of Zug›».

Matthias Michel, Ex-Volkswirtschaftsdirektor des Kantons Zug

Dazu hat wohl kaum einer so viel Hintergrundwissen wie Gianni Bomio (63), Rechtsanwalt aus Zug. 34 Jahre lang hat er bei der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zug gearbeitet, 24 Jahre davon als Generalsekretär.

«Meister des Netzwerkens»

Als Chefbeamter hat er die Geschäfte für vier Regierungsräte und eine Regierungsrätin koordiniert. Er hat in jungen Jahren den Plan fürs Zuger Busnetz mitentworfen, zahlreiche Gesetzestexte verfasst, sich im sozialen Bereich engagiert und als erster und später zweiter stellvertretender Landschreiber ausgeholfen. Er weiss fast alles zur Berufsbildung und sehr viel über den Geschäftsgang der wichtigsten Unternehmen im Kanton Zug.

«Zug ist nach wie vor kein Finanzplatz.»

Gianni Bomio

Matthias Michel, als FDP-Regierungsrat 12 Jahre lang der Vorgesetzte von Gianni Bomio, spart nicht an Lob. Es sei der «Meister des Netzwerkens»  und mit seinem «Drang zu Effizienz und seiner innovativen Lust geradezu die Verkörperung des Spirit of Zug». Darunter vertsteht Michel eine offene, kundenorientierte und unbürokratische Vorgehensweise.

Das hat sich geändert

Wer also könnte besser Auskunft geben über die Veränderungen, die der Kanton seit den 1980er-Jahren durchgemacht hat?

Erstens: «Zug ist nicht mehr ländlich», sagt Gianni Bomio im Gespräch. Zwar werde immer noch über die Hälfte des Kantonsgebiets landwirtschaftlich genutzt, doch die Agrarwirtschaft präge nicht länger das Gesichts des Kantons.

Als Bomio seine Tätigkeit beim Kanton aufnahm, war das Landwirtschaftsamt das gefühlt wichtigste Amt der Volkswirtschaftsdirektion. «Zug ist zum Wirtschaftsstandort mit starkem Dienstleistungssektor und erheblichem Grosshandelsanteil geworden», so Bomio. «Doch Zug ist nach wie vor kein Finanzplatz», sagt er. Das werde oft verwechselt.

Zweitens: In den vergangenen Jahren sei Zug auch stetig internationaler geworden. Immer mehr Ausländer tummeln sich hier – was Folgen hat, wie wir noch sehen werden.

«Wir haben Glück mit der Geografie.»

Gianni Bomio

Drittens ist Zug seit der Jahrtausendwende zum Hochschulkanton geworden. «Das ist neu – und das haben wir bewusst angestrebt», so Bomio. Mit dem Institut für Finanzdienstleistungen (IFZ) sei eine erste Hochschulinstitution angesiedelt worden, dann kamen das zur Hochschule Rapperswil gehörende Institut Werz (Wissen, Energie und Rohstoffe Zug) und die pädagogische Hochschule dazu. Jüngst hat auf dem Campus Rotkreuz der Hochschule Luzern das Departement Informatik seinen Betrieb aufgenommen.

Rezept für den Erfolg

Fragt sich, was den anhaltenden Boom des Wirtschaftsstandortes Zug ausgelöst hat. Erstens: «Wir haben Glück mit der Geografie», meint Bomio. Mit der Lage zwischen den urbanen Zentren Luzern und Zürich und den guten Verkehrsverbindungen.

Mit einem internationalen Flughafen, der Interkontinentalverbindungen anbietet und weniger als eine Reisestunde entfernt liegt. Mit all den kulturellen Institutionen und den Bildungseinrichtungen, die man in den Nachbarstädten mitbenützen kann.

Zweitens: Es seien immer die gleichen vier Faktoren, welche Unternehmen bei einer Niederlassung berücksichtigten, sagt Bomio: Die Höhe der Firmensteuern, die Höhe der Steuern für die Mitarbeiter, die Erreichbarkeit und das Vorhandensein von qualifiziertem Personal. «In allen vier Bereichen sind wir gut bis sehr gut», sagt Bomio.

Das sei kein Zufall. Darauf hätten die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung gezielt hingearbeitet. «Bei den Steuern begann das bereits nach dem Zweiten Weltkrieg. Bei den Verkehrsanbindungen in den 1980er-Jahren und bei der Einrichtung von höheren Schulen vor zwanzig Jahren.»

Die Kleinheit des Kantons mit den kurzen Wegen zu den Entscheidungsträgern wirke sich ebenfalls oft positiv aus. Eigentliches Geheimrezept für vieles, was im Kanton Zug gelingt, ist für den Experten das Zusammenspannen mit Privaten.

«Wenn die Qualität der Verwaltung nachlässt, wird das von der Wirtschaft und der Bevölkerung sehr schnell registriert.»

Gianni Bomio, einer der Baumeister des Zuger Wirtschaftswunders

Also drittens: Die Private Public Partnerships, die der Kanton mit Privaten eingeht und die oft über private Vereine laufen, an denen sich der Kanton beteiligt. «Diese PPPs gibt es in vielen Bereichen: im Sozialwesen mit dem Verein für Arbeitsmarktmassnahmen (VAM) ebenso wie im öffentlichen Verkehr oder im Bildungsbereich», sagt Bomio. Er habe mindestens 20 solche Einrichtungen mitbegründet. Die meisten bestehen immer noch und arbeiten laut Bomio erfolgreich.

Vorzeigeobjekt ist für Bomio das aus dem Verein Vinto hervorgegangene OYM-College. Dort wird jungen Spitzensportlern die Möglichkeit für eine kaufmännische Ausbildung geboten. Diese wurde laufend optimiert und modifizert. Jüngst hat man die Bildungsangebote aus den Betrieben in eine schulische Umgebung zurückgenommen.

Solche Anpassungen seien in einem flexiblen Rahmen möglich, sagt Bomio. Sie bewirkten aber, dass sich das Berufsbildungsangebot auch wirklich etabliert habe. «Im Gegensatz zur Sportlerlehre, die der Bund zur gleichen Zeit lancierte wie die Zuger die Vinto-Ausbildungen, besteht das Zuger Angebot immer noch», sagt Bomio. Die eidgenössische Sportlerlehre hingegen sei gescheitert.

Darauf muss Zug achten

Erstens: Die Integration der wachsenden Zahl von Expats und Ausländern sei eine Herausforderung. Zumal es in einigen Fällen nicht viel zu integrieren gibt. «Nach kurzer Zeit sind wegen der dynamischen Beschäftigungssituation viele wieder weg», so Bomio. Der Kanton Zug hat insofern reagiert, als die Fachstelle Migration – auch sie ein Private Public Partnership – ihre Ausrichtung in kurzer Zeit total gewandelt hat.

Früher auf das herkömmliche Klientel von Arbeitsmigranten aus dem Mittelmeerraum und aus Südosteuropa ausgerichtet, geht sie nun verstärkt auf die Bedürfnisse von Expats ein und versucht neue Wege zu beschreiten – etwa mit einem Peer-System. «Das gibt es ausser im Kanton Zug nur noch in Kanada», sagt Bomio.

Ein weiterer Grund für Gianni Bomio, die Vorteile der PPP zu loben: «Weil wir klein und mit den privaten Partnern agil sind, sind wir so erfolgreich.»

«Für unsere Kleinheit haben wir ein sehr gutes öffentliches Verkehrsnetz.»

Gianni Bomio

Zweitens: Die Infrastruktur müsse mitwachsen. Nicht nur was Schulen oder bauliche Einrichtungen betreffe. Auch die Verwaltung müsse leistungsfähig bleiben und über genügend Ressourcen verfügen, sagt Bomio mit Seitenblick auf die kantonalen Sparanstrengungen der vergangenen Jahre. «Wenn die Qualität nachlässt, wird das von der Wirtschaft und der Bevölkerung sehr schnell registriert», so Bomio.

Zudem bleibe es eine stete Herausforderung, die Verkehrsinfrastruktur auszubauen, glaubt Bomio. Zug sei beim öffentlichen Verkehr zwar auf einem guten Weg. «Für unsere Kleinheit haben wir ein sehr gutes öffentliches Verkehrsnetz.» Sanierungen wie aktuell die Bahnstrecke am Zugersee-Ostufer würden dazu beitragen, das Netz attraktiv zu halten.

Bei verschiedenen anstehenden Strassenausbauten wie der Umfahrung Cham-Hünenberg sei man mindestens «noch nicht zu spät». Indes fehlen laut Bomio immer noch «sinnvolle Umfahrungen von Zug und Unterägeri».

Hilfreich sei es gewesen, dass man in der Vergangenheit immer schnell zur Stelle war, wenn der Bund auf der Suche nach Projekten war, die man vorziehen kann. So wurde der Sechsspurausbau der Autobahn zwischen Blegi und Rotkreuz bereits vorgenommen – was der Region Zug nun viele Staustunden erspare.

«Gewiss birgt die Blockchain-Technologie enorme Chancen für die Zukunft.»

Gianni Bomio

Drittens: Das Wachstum im Kanton Zug hat dazu geführt, dass das Wohnen spürbar teurer geworden ist – und dies obwohl der Kanton Zug über eine Wohnbauförderung verfüge. «Die Problematik ist eine enorme Herausforderung für die Politik», sagt Bomio. Die Kleinheit des Kantons, die einem Bezirk im Kanton Zürich oder einem Amt im Kanton Luzern entspricht, begrenzt die Einflussmöglichkeiten der Politik.

Steigen die Wohnkosten in einem Zürcher Bezirk, so weichen Mieterinnen und Mieter in einen anderen Bezirk aus. Passiert das im Kanton Zug, befinden sie sich schon nicht mehr auf Zuger Territorium – sondern im aargauischen Oberfreiamt, im luzernischen Meierskappel, im schwyzerischen Arth und Goldau sowie im zürcherischen Knonaueramt.

Ein viertes Risiko besteht laut Bomio darin, dass Zug als Kanton der Eidgenossenschaft sehr viele Rahmenbedingungen nicht selber bestimmen kann. Der derzeitige Kurs des Bundesrats und Reformprojekte wie die Steuervorlage 17 stimmen Bomio allerdings optimistisch für die Zukunft.

Schwache Lobby in Bern

Doch warum hat der Kanton Zug nicht energischer auf einen früheren Ausbau des Zimmerbergtunnels gedrängt und die Variante des Zimmerberg light nicht gefördert? «Weil uns die Vertreter der SBB mehrfach glaubhaft klargemacht haben, dass ein Zimmerberg light das Kapazitätsproblem insbesondere im Raum Thalwil nicht lösen würde», sagt Bomio.

Ende der 1990er-Jahre habe der Kanton Zug beim Bund darauf gedrängt, den Bau des Zimmerberg-Basistunnels II vorzuziehen. «Es hat nicht geklappt, wir hatten einfach keine genügend starke Lobby in Bern», sagt Bomio. Auch im «Wirtschaftswunderland Zug» funktioniert eben nicht alles.

Aber Misserfolge hatten Konsequenzen: «Seither arbeiten wir vermehrt überkantonal, zum Beispiel in der Metropolitankonferenz Zürich, mit», sagt Bomio.

Wir fragen nach der Bedeutung des Crypto Valley Zug. «Gewiss birgt die Blockchain-Technologie enorme Chancen für die Zukunft», sagt Bomio. Doch auch andere Branchen haben Potenzial, das noch kaum bekannt ist.

Zuger Firmen sorgen für IT-Sicherheit

So habe man per Zufall entdeckt, dass es im Kanton Zug rund 3’000 Arbeitsplätze in Klein- und Kleinstfirmen gebe, die dem Finanzplatz Zürich zuarbeiteten – indem sie elektronische Sicherheits- und Internetlösungen für die Branche entwickelten oder verkauften und als Parabanking-Unternehmen bekannt seien.

Insgesamt hat Zug über ein Dutzend sogenannte Cluster identifiziert, um die sich viele Firmen gruppieren. Ein Klumpenrisiko gibt es also nur in sehr beschränktem Mass. Selbst wenn der Pharmagrosshandel, der für den Kanton Zug mittlerweile wichtig geworden ist, im Niedergang begriffen wäre. Es hätte wohl nicht die gleichen Auswirkungen wie eine Bankenkrise für Zürich, glaubt Bomio.

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