Verbandelungen mit der Finanz- und Versicherungsbranche

Das verdienen Zuger und Luzerner Bundespolitiker mit ihren Nebenmandaten

Die Nationalräte Thomas Aeschi (SVP) und Peter Schilliger (FDP) sowie Ständerat Konrad Graber (CVP) haben Nebenämter in der Versicherungs- und der Finanzbranche. (Bild: Montage wia)

Wie stark sind die vom Volk gewählten Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit der Finanzwelt und den Versicherungen verbandelt? Das wurde in einer aktuellen Studie untersucht. Ein Blick auf die Zuger und Luzerner zeigt: Entschädigungen von über 100’000 Franken sind nicht selten.

Der Aargauer SP-Nationalrat Cédric Wermuth wollte es genau wissen: Wie stark ist das Bundesparlament mit der Finanz- und Versicherungswelt verstrickt? Wermuth engagierte die Recherchierjournalisten Max Fischer und Michael Soukup. Auftrag: Erstellung einer entsprechenden Studie. Bezahlt wurden die beiden über ein Crowdfunding. Seit diesem Herbst liegt der «Lobbyreport 2019» nun vor. Und damit liegen auch die Zahlen für die aktuellen Stände- und Nationalräte aus den Kantonen Zug und Luzern vor.

Erstmals schätzt so ein Bericht, wie hoch die Zuwendungen sind, welche die National- und Ständeräte von der Finanz- und der Versicherungsbranche erhalten.

Pharmabranche wurde nicht untersucht

Die Beschränkung auf die beiden Sektoren Finanzen und Versicherungen erfolgte aufgrund der begrenzten Ressourcen. So konnte zum Beispiel die Pharmabranche nicht untersucht werden.

Die Mandate und Anstellungen der NR und SR wurden mit Hilfe von Lobbywatch.ch eruiert (Stand Juli 2019). Lobbywatch stützt sich auf die Angabe der Ratsmitglieder zu ihren Interessenbindungen auf der Webseite des Parlaments. Die Nonprofit-Organisation hat zudem mit eigenen Recherchen die Liste der Mandate vervollständigt.

Auf die Frage der Vergütungen geht Lobbywatch aber jeweils nur ausnahmsweise ein. Lobbywatch forderte die Ratsmitglieder auf, ihre Entschädigungen (ohne jene des Berufes) freiwillig offenzulegen.

Dort wo die Ratsmitglieder keine Angabe zur Höhe der Vergütungen gemacht hatten, recherchierten Fischer und Soukup zuerst die öffentlich zugänglichen Informationen. Falls solche vorlagen, wurde der genaue Betrag eingesetzt. In den meisten Fällen aber mussten die Vergütungen geschätzt werden. Dies geschah unter anderem mit einschlägigen Studien zu Kaderlöhnen oder mit ExpertInnengesprächen. Als Beschäftigungsgrad wurde – wo keine anderen Informationen vorlagen – von einem 40 Prozent-Pensum ausgegangen.

Schätzungen, da es keine Zahlen gibt

Aufgrund dieser Ausführungen ist klar: Jene National- und Ständeräte, für welche die «Lobbywatch»-Liste keine Mandate im Bereich des Finanz- und Versicherungssektors aufführt, werden vom Schätzungsbericht Fischer/Soukup nicht erfasst und entsprechend auch nicht namentlich genannt.

Der Bericht beruht – wie oben festgehalten – zu einem grossen Teil auf Schätzungen. «Naturgemäss ist dabei die Unsicherheit der Schätzung erheblich, von offizieller Seite bestätigte Zahlen liegen nicht vor», heisst es dazu im Bericht.

Frage an den Co-Autoren Max Fischer: Gab es Rückmeldungen von in der Liste erwähnten Parlamentarierinnen oder Parlamentariern, welche die geschätzten Zahlen bestritten? Es habe sich niemand bei ihnen gemeldet, antwortet Fischer. «Ich ging auch nicht davon aus. Denn unsere Reaktion wäre die folgende gewesen: Dann legen sie doch bitte offen, wie viel Geld Sie erhalten.»

Ergebnisse Finanzbranche

Dazu werden im Bericht die Banken, der Advokatur- und Treuhandbereich (soweit die Gebiete Wirtschafts- oder Steuerrecht betreffen) und die Vermögensverwalter gezählt. Weggelassen wurden die Investmentgesellschaften. Näheres zur Vorgehensweise unter lobbywatch.ch.

Thomas Aeschi (Nationalrat, SVP, Zug)

  • Politischer Beirat: EXPERTsuisse – Schweizer Expertenverband für Wirtschaftsprüfung, Steuern und Treuhand
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: Vergleichbares Mandat beim zweiten grossen Branchenverband, Treuhand Suisse, wird laut einem Bericht der «Aargauer Zeitung» aus dem Jahre 2013 mit rund 6’000 Franken entschädigt, heute auf 7’500 Franken geschätzt.
  • Co-Präsident: Parlamentarische Gruppe Treuhand
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: Abgesehen von Sitzungsgeldern werden Mitglieder von Parlamentarischen Gruppen in der Regel nicht zusätzlich entschädigt.

Bruno Pezzatti (Nationalrat, FDP, Zug)

  • Vize-Präsident: Parlamentarische Gruppe Inlandbanken  
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: Einflussreiche Gruppe, Auftraggeber sind Raiffeisen Schweiz und Verband Schweizerischer Kantonalbanken, abgesehen von Sitzungsgeldern werden Mitglieder von parlamentarischen Gruppen in der Regel nicht zusätzlich entschädigt.

Albert Vitali (Nationalrat, FDP, Luzern)

  • Geschäftsführer und Gesellschafter: Vitali Treuhand GmbH
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: Geschätzte 100’000 Franken (40-Prozent-Pensum). Schätzung gemäss Studien und Expertengesprächen.
  • Beirat: veb.ch
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: 2013 schätzte die «Aargauer Zeitung» die Entschädigung auf 2’000 Franken. Heute geschätzte 3’000 Franken.

Konrad Graber (Ständerat, CVP, Luzern)

  • VR: BDO AG
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: Geschätzte 100’000 Franken (Studien und Expertengespräche).
  • Politischer Beirat: EXPERTsuisse – Schweizer Expertenverband für Wirtschaftsprüfung, Steuern und Treuhand
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: Vergleichbares Mandat beim zweiten grossen Branchenverband, Treuhand Suisse, wird laut einem Bericht der «Aargauer Zeitung» aus dem Jahre 2013 mit rund 6’000 Franken entschädigt, heute auf 7’500 Franken geschätzt.
  • Beirat: veb.ch
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: 2013 schätzte die «Aargauer Zeitung» die Entschädigung auf 2’000 Franken. Heute geschätzte 3’000 Franken.

Peter Hegglin (Ständerat, CVP, Zug)

  • VR: Raiffeisenbank Menzingen-Neuheim, Menzingen
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: Geschätzte 3’500 Franken (Studien und Expertengespräche).

Ergebnisse Versicherungsbranche

Die Versicherungsbranche besteht aus den Bereichen Versicherungen, Krankenkassen und Pensionskassen. Genaueres unter lobbywatch.ch

Thomas Aeschi (Nationalrat, SVP, Zug)

  • Keine Mandate
    • Recherche: Aeschi ist Berater bei Pricewaterhouse Coopers (PwC) und Inhaber Aeschi & Co. Gerade die grossen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsfirmen wie PwC beraten gewichtige Kunden aus der Versicherungs- und Bankenbranche und haben gleichzeitig Einfluss auf die Ausarbeitung von Finanzvorlagen wie die Steuervorlage 17. Gemäss internen Veröffentlichungen bei glassdoor.ch erhält ein Wirtschaftsprüfer mit Managementfunktionen bei PwC rund 130’000 Franken im Jahr. Ein ehemaliger Partner bei PwC schätzt Aeschis Einkommen auf 180’000 Franken, bei einem geschätzten Pensum von 40 Prozent wären es 72’000 Franken.

Franz Grüter (Nationalrat, SVP, Luzern)

  • Stiftungsratspräsident: PK-AETAS, BVG-Sammelstiftung
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: Gemäss Schätzung 15’000 Franken (Studien und Expertengespräche). CVP

Peter Hegglin (Ständerat, CVP, Zug)

  • VR: RVK Rück AG
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: Gemäss Schätzung 3’000 Franken (Studien und Expertengespräche).
  • Delegierter: Schweizerische Mobiliar-Genossenschaft
    • Entschädigung: 3’000 Franken
    • Recherche: Die Mitglieder der Delegiertenversammlung der Mobiliar erhalten gemäss Governance-Richtlinien der Genossenschaft eine jährliche Entschädigung von 2’000 Franken. Hinzu erhalten die 150 Delegierten total Spesen von 417’000 Franken – das macht 2’780 Franken pro Person. Hegglin erhält also 4’780 Franken.

Leo Müller (Nationalrat, CVP, Luzern)

  • Mitglied Groupe de réflexion santé
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: 10’000 Franken pro Jahr, abhängig von Aufwand und Sitzung.

Konrad Graber (Ständerat, CVP, Luzern)

  • Stiftungsrat: Emmi-Vorsorgestiftung
    • Entschädigung: 0.– (Teil der Gesamtentschädigung für Mandate bei Emmi AG)
    • Recherche: Da Graber auch VR-Präsident der Emmi AG ist, wird dieses Mandat wahrscheinlich im Rahmen einer Gesamtentschädigung vergütet.
  • Stiftungsratspräsident: Emmi-Wohlfahrtsfonds
    • Entschädigung: 0.– (Teil der Gesamtentschädigung für Mandate bei Emmi AG)
    • Recherche: siehe oben

Damian Müller (Ständerat, FDP, Luzern)

  • Mitarbeiter Stiftungsmanagement: Swiss Life AG
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: Gemäss Schätzung 50’000 Franken (30-Prozent-Pensum, gemäss Studien und Expertengesprächen).

Bruno Pezzatti (Nationalrat, FDP, Zug)

  • Mitglied Groupe de réflexion santé
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: 10’000 Franken pro Jahr abhängig von Aufwand und Sitzungen.

Joachim Eder (Ständerat, FDP, Zug)

  • Stiftungsrat: Sanitas Krankenversicherung
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: Der Stiftungsrat der Sanitas Krankenversicherung (Stiftung) umfasst 16 Mitglieder. Die Mitglieder des Stiftungsrats der Sanitas Krankenversicherung (Stiftung) erhalten für ihre Tätigkeit eine Pauschale und ein Sitzungsgeld. Sie haben zudem Anspruch auf Rückerstattung der zur Erfüllung ihrer Funktion aufgewendeten Auslagen. Für den Stiftungsrat gibt es kein Bonusprogramm. Barauszahlungen 2017: 126’161 Franken. Eder wird rund 5’000 Franken erhalten.

Peter Schilliger (Nationalrat, FDP, Luzern)

  • Vorstand: Schweizerische Vereinigung der Verbandsausgleichskassen
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: Gemäss Schätzung 5’000 Franken (Studien und Expertengespräche).
  • Vizepräsident: AHV-Ausgleichskasse Spida
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: Gemäss Schätzung 2’000 Franken (Studien und Expertengespräche).
  • Stiftungsratspräsident: Sozialfonds suissetec
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: Gemäss Schätzung 0 Franken (Studien und Expertengespräche).
  • VR: Spida Familienausgleichskasse Genossenschaft
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: Gemäss Schätzung 2’000 Franken (Studien und Expertengespräche).
  • Stiftungratspräsident: Spida Personalvorsorgestiftung
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: Gemäss Schätzung 3’000 Franken (Studien und Expertengespräche).
  • Stiftungsratspräsident: Personalfürsorgestiftung der Firma Herzog Haustechnik AG Luzern
    • Entschädigung: Keine Angabe
    • Recherche: Gemäss Schätzung 0 Franken (Studien und Expertengespräche).

Die Untersuchung von Lobbywatch

Lobbywatch.ch hat kürzlich auf ihrer Website selber eine Untersuchung veröffentlicht. Im Unterschied zur Studie von Fischer und Soukup wurden sämtliche Bereiche der ausserparlamentarischen Tätigkeiten angeschaut, also nicht bloss jene aus dem Bereich der Finanz- und Versicherungswirtschaft.

Lobbywatch befragte alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier, welche diesen Herbst wieder kandidieren. In den Kantonen Luzern und Zug war der Rücklauf sehr bescheiden. Es antworteten bloss Prisca Birrer-Heimo (LU, SP), Yvette Estermann (LU, SVP) und Michael Töngi (LU, SP).

Nennenswerte Einkünfte aus ausserparlamentarischen Tätigkeiten weisen die drei genannten Personen nur wenige auf. Im Falle von Prisca Birrer-Heimo ist das Mandat als Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz (18’000 Franken) und in jenem von Michael Töngi seine Tätigkeit beim VCS (3’000 Franken) zu nennen.

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