Nach umstrittener Predigt in Kriens

Experte ist überzeugt: «Das ist nur die Spitze des Eisbergs»

Das Gebäude an der Motelstrasse 1 in Kriens. (Screenshot Google Street View)

Lange war es ruhig um die Darassalam-Moschee in Kriens. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen Imam. Der Grund: Möglicher Aufruf zu Gewalt. Ein Islamforscher hält eine Verurteilung für unwahrscheinlich.

Ein Imam soll bei einer Freitagspredigt dazu geraten haben, Frauen mit Schlägen zu züchtigen (zentralplus berichtete). Es ist nicht das erste Mal, das Kriens als eine mögliche Brutstätte radikal-islamistischer Ideen erscheint. So taucht die Darassalam-Moschee an der Motelstrasse in Kriens 2009 in einer Fiche des Nachrichtendienstes auf, gemäss der ein lybischer Prediger Schweizer als «ungläubige Affen und Schweine» bezeichnet haben soll.

Im Jahr 2014 drehten Sympathisanten des höchst umstrittenen islamischen Zentralrates IZRS einen Propagandafilm in Kriens – wohl ohne Zusammenhang mit der Darassalam-Moschee. Ein Jahr später fällt wiederum in der Moschee ein möglicher Hassprediger auf – es ist derselbe Abdulrahman O., der im August 2019 dazu geraten haben soll, Frauen und Kinder zu schlagen. Damals wurde der Iraker vom Vorwurf freigesprochen, eine kriminelle Organisation, die Terrorgruppe IS, zu unterstützen.

Der Staatsanwalt prüft die Vorfälle

Nach einer Recherche von «Sonntagszeitung»-Journalist Kurt Pelda gerät Abdulrahman O. also erneut ins Visier der Staatsanwaltschaft (zentralplus berichtete). Wegen der Aussage: Wenn nicht anders möglich, dann solle der Mann seine Frau mit leichten Schlägen züchtigen. Ist das ein Aufruf zur Gewalt? Der im Kanton Nidwalden wohnhafte Imam wollte gegenüber dem Journalisten zum aktuellen Fall keine Auskünfte geben.

Auch seitens des Vereins, der die arabische Moschee betreibt, gibt es derzeit keine Stellungnahme. Aussagen wird Abdulrahman O. aber nun wohl vor Gericht müssen: Da es sich um ein Offizialdelikt handelt, hat sich der Staatsanwalt eingeschaltet.

Autor spricht von der «Spitze des Eisbergs»

Für den Autor, Kriegsreporter Kurt Pelda ist klar, dass es kein Zufall ist, das Kriens wieder für Schlagzeilen sorgt, bei denen es möglicherweise um radikalislamistische Aussagen geht. «Ich glaube, es ist nur die Spitze des Eisbergs, die wir zu sehen bekommen», sagt er gegenüber zentralplus. Er schätzt, dass das Gotteshaus zu den rund 30 Moscheen – oder geschätzten zehn Prozent – gehört, die im Umfeld des radikalen Islamismus angesiedelt sind.

«Die Polizei war in diesem Fall bereits im Bild.»

Cyrill Wiget (Grüne), Krienser Stadtpräsident

Pelda verweist unter anderem auf die lange Vorgeschichte der arabischen Moschee in Kriens: Der ehemalige Imam, der 2009 die umstrittenen Aussagen gemacht hatte, war auch im Gefängnis Grosshof tätig und hat gleichzeitig auf Facebook antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet. Auch der umstrittene Konvertit Pierre Vogel wurde schon nach Kriens eingeladen.

Der Verein tut sich mit der Öffnung schwer

«Eine Kontinuität der Ereignisse», beobachtet auch Andreas Tunger-Zanetti, Islamforscher an der Universität Luzern. Dass es im selben Verein im Verlauf der Jahre wiederholt zu umstrittenen Äusserungen komme, sei vermutlich kein Zufall. Dass sich der Verein «schwer tut mit der Öffnung», sei zudem kaum vertrauensfördernd. Es handle sich bei Darassalam «um die am wenigsten zugängliche Moschee im Raum Luzern».

«Es sind nach dieser Freitagspredigt im August bestimmt nicht 60 Leute nach Hause gegangen, und haben ihre Frauen und Kinder geschlagen.»

Andreas Tunger, Islamforscher an der Universität Luzern

Dieser Umstand allein müsse nicht unbedingt auf unlautere Absichten deuten. Kleine Religionsgemeinschaften von Migranten seien generell oft äusserst labil strukturiert, da sie auf freiwilligem Engagement beruhten. «Sie haben oft noch nicht verstanden, dass es ihnen etwas bringen könnte, sich der Öffentlichkeit zu öffnen.» Zusätzlich beobachtet Tunger, dass gerade muslimische Vereinen, die sich öffentlich angegriffen fühlen, leicht versucht seien, sich eher einzuigeln als Vorwürfen offen und aktiv zu begegnen. Allerdings unternehme die Krienser Moschee auffällig wenig, um ihr Image zu verbessern.

Welche Rolle spielt der Imam für die Moschee?

Ob Abdulrahman O. als hauptsächlicher Imam der Krienser Moschee gelten kann, ist für Tunger keinesfalls eindeutig. «Meines Wissens ist er nicht der Hauptprediger in Kriens – wenn es einen solchen überhaupt gibt.» Sein Verhältnis zum Verein und zum Moscheebetrieb sei unklar. 

Auch der vom Prediger kommentierte 34. Vers der vierten Koransure lasse nicht einzig die Interpretation als Legitimierung von Gewalt zu. «Es gibt unterschiedliche Übersetzungen in deutscher Sprache», so Tunger. In einer davon sei beispielsweise nicht von «Schlägen», sondern nur von einem «Klaps» die Rede. «Manche Ausleger sagen daher, die Stelle sei nicht als Aufruf zu (häuslicher) Gewalt zu verstehen, sondern so, dass der Mann sich mit einem kleinen Hölzchen symbolisch bei seiner Frau bemerkbar machen soll.»

Die Beweislage für eine Verurteilung scheint dünn

Ob die öffentlich bekannten Elemente für eine Verurteilung ausreichen, bezweifelt der Religionsforscher. Zwar gebe Abdulrahman O. mit seinen früheren Verurteilungen wegen Sozialhilfemissbrauchs und seinem sonstigen persönlichen Profil kein gutes Vorbild ab. «Herr O. war schon in Kontakt mit dem Rechtsstaat», führt Tunger aus. «Es ist anzunehmen, dass er weiss, dass es gewisse Grenzen gibt, was er sagen darf.»

Tunger gibt weiter zu bedenken, dass die Wirkung der Aussagen des Imams auch nicht zu überschätzen sei. «Es sind nach dieser Freitagspredigt im August bestimmt nicht 60 Leute nach Hause gegangen, und haben ihre Frauen und Kinder geschlagen.» Der Stellenwert der Rede sei ohne weitere Informationen schwierig einzuschätzen, hält er fest. Gleichwohl sei es sinnvoll, dass die Justiz den Sachverhalt abkläre.

Die Polizei wusste von der Predigt

Abhilfe für eine bessere Einschätzung könnte der Autor des «Sonnntagszeitungs»-Artikels schaffen. Kurt Pelda rechnet damit, dass auch er «in den nächsten zwei Monaten» eine Vorladung vom Luzerner Staatsanwalt erhält, um auszusagen. Er ist skeptisch: «Das ist mir schon einige Male passiert», sagt er gegenüber zentralplus. Er sei aber nicht bereit, die Aufgabe der Polizei zu übernehmen und seine Quellen offenzulegen. «Sie soll eigene Ermittlungen anstellen», fordert er.

Die Polizei wurde laut dem Krienser Stadtpräsident Cyrill Wiget (Grüne) kurz nach der Predigt informiert. «Sie war in diesem Fall bereits im Bild.» Relevant, ob nun Handlungsbedarf bestünde, sei für die Stadt die Tatsache, ob hier Strafrechtliches passiert sei. «Wenn ja, dann ist die Polizei und die Staatsanwaltschaft zuständig, wenn nein besteht für die Gemeinde kein spezieller Handlungsbedarf.» Und er fügt an: «Auch wenn natürlich die Inhalte unserem demokratischen rechtsstaatlichen Denken nicht entsprechen.»

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4 Kommentare
  • Profilfoto von lulu
    lulu, 25.10.2019, 16:31 Uhr

    Der liebe Herr Grüter hat mir leider noch nicht geantwortet. Doch keine Antwort ist auch eine….

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  • Profilfoto von Roland Grueter
    Roland Grueter, 08.10.2019, 17:44 Uhr

    Wenn es um den Islam geht, ist und war Tunger-Zanetti schon immer ein Schönschwätzer und Verharmloser.

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    • Profilfoto von walter ludin
      walter ludin, 09.10.2019, 09:37 Uhr

      Herr Tunger befasst sich seit sehr vielen Jahren intensiv mit dem Islam. Und Sie? Woher haben Sie Ihre Kenntnisse? Bitte beantworten Sie meine Frage.

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  • Profilfoto von Oliver Heeb, Grossstadtrat SVP
    Oliver Heeb, Grossstadtrat SVP, 08.10.2019, 11:02 Uhr

    Die Polizei wusste von der Predigt. Das reicht leider nicht. Es darf nicht sein, dass die Behörden erst auf Berichte in den Medien reagieren. Das war damals auch bei den Vorgängen rund um die Moschee in Winterthur so. Dass Islamforscher Tunger relativiert und beinahe schon herunterzuspielen versucht, kann durch seine Rolle als Akademiker nachvollziehbar sein. Meiner Einschätzung nach, ist Kriens auch nur die Spitze des Eisberges. Und es darf nicht sein, dass engagierte Journalisten mehr wissen zu scheinen, als die Sicherheitsbehörden. Besonders beim Nachrichtendienst braucht es definitiv unvoreingenommene Leute vom Format eines Kurt Pelda und keine Problemverwalter, die bloss in den vorgegebenen Schablonen denken dürfen.

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