Gnagi, Glanz und Glorie in Zug

Im Wahljahr lieben die Politiker den Stierenmarkt heiss

Die Munis stehen am Stierenmarkt in Reih und Glied.

Der Stierenmarkt in Zug ist nicht nur Viehschau. Sondern ein gesellschaftliches Ereignis, das auch vielen Politikern als Bühne dient. Eine Partei hat dabei im Wahljahr eindeutig die Nase vorne.

Gnagi, Bratwurst, Schweinskottelet mit Pommes Frites oder als Alternative Älplermagronen. Das lockt derzeit Tausende aufs Stierenmarktareal. Ein Essen mit Bekannten oder Geschäftsfreunden gehört für viele in der Stadt Zug zum alljährlichen Ritual.

Im 2'000 Personen fassenden Festzelt – das am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (ESAF) bereits als Gabenbeiz diente –, treffen die Belegschaften der grossen internationalen Unternehmen ein. Fast die gesamte Stadtverwaltung und viele Kantonsangestellte sind da. Weisse und schwedenblaue Businesshemden beherrschen das Bild.

Stelldichein der Regierenden

«Aber auch viele Politikerinnen und Politiker besuchen den Stierenmarkt», sagt Franziska Rechsteiner, die schon lange für Braunvieh Schweiz arbeitet. «In einem Wahljahr sind es noch mehr als sonst.»

«Ich bin jedes Jahr hier – nicht nur, wenn Wahlen sind.»

Vroni Straub, Nationalratskandidatin

Bei unserm Besuch treffen wir auf Manuela Weichelt, alt Regierungsrätin und alternative Nationalratskandidatin. Sicherheitsdirektor Beat Villiger (CVP) raucht beim Eingang entspannt eine Zigarette, während Andreas Hostettler (FDP), Direktor des Innern sich in einer unscheinbaren Jacke unter die Menge mischt. Im Festzelt trifft er auf zahlreiche Stadt- und Kantonsparlamentarier.

«Wie Weihnachten oder Ostern»

Bereits auf dem Rückweg  zur Arbeit ist die Zuger Stadträtin Vroni Straub (CSP), die sich gerade auf ein grasgrünes Velo schwingt. Sie möchte in knapp zwei Monaten die erste Zuger Frau im Nationalrat werden.

«Für mich als Stadtzugerin gehört der Stierenmarkt ebenso zum Jahresablauf wie Weihnachten oder Ostern», sagt sie. «Ich bin jedes Jahr hier – nicht nur, wenn Wahlen sind.»

Tradition ehren

Sie sei stolz, dass ihn auch viele Stadtangestellten besuchten – selbst  jene, die gar nicht in Zug wohnten. «Das ist ein Zeichen der Ehrerbietung vor der Tradition und gegenüber den Veranstaltern.»

Die Zuger Stadtregierung trifft sich abends am Stierenmarkt zu einem traditionellen Essen mit dem Bürgerrat und der Korporation Zug. Straub ist heuer nicht dabei. «Wir haben Fraktionssitzung – das geht nach den langen Sommerferien vor», sagt sie. 

Bauern handeln anders

Die Zahl der am Zuger Markt ausgestellten Stiere ist seit Jahren rückläufig, ebenso jene der getätigten Muni-Verkäufe. Künstliche Besamung und Internet haben manches verändert. Dennoch wäre es für den Verband Braunvieh Schweiz undenkbar, auf die Veranstaltung zu verzichten.

«Das Säulirennen wird von vielen Stadtbewohnern mit Kindern heiss geliebt», sagt Franziska Rechsteiner. «Und zahlreiche Braunviehzüchter schätzen den Zuger Stierenmarkt als Treffpunkt.» Neben den Stieren stehen schliesslich auch Rinder zum Verkauf – am zweiten Tag des Marktes.

Tännler in offizieller Mission

Für viele einheimischen Besucher geht es indes ums Sehen und gesehen werden. Jener Politiker, der sich dessen am besten bewusst ist, heisst Heinz Tännler. Der SVP-Finanzdirektor kandidiert für den Ständerat. Als OK-Chef des «Eidgenössischen» war er in den vergangenen Wochen in den Medien dauerpräsent.

Als OK-Chef des «Eidgenössischen» hat er am Mittwoch auch einen offiziellen Auftritt am Stierenmarkt, als Schwingerkönig Christian Stucki mit Muni Kolin zu Gast in Zug sind (zentralplus berichtete).

Ideale Bühne

Abends ist Tännler ebenfalls wieder auf dem Gelände. Das Essen am frühen Abend findet ohne Arbeitspendler statt. Dafür mit vielen potentiellen Wählern und allen, die im Kanton Zug etwas auf sich halten – «le tout Zoug» eben.

Als Tännler vor Jahren als Zuger Baudirektor fürs ESAF 2019 als OK-Chef angefragt wurde, mag er nicht daran gedacht haben, im selben Jahr für den Ständerat zu kandidieren. Nun aber, wo die Konstellation eingetroffen ist, wird die Publizität von ihm und seiner Partei gründlich genutzt.

Schwingen und Stiere

Die SVP hat das Problem, dass ihre Kernthemen Einwanderung und EU-Kritik momentan nicht besonders gefragt sind. So findet sie andere Wege, um vor den eidgenössischen Wahlen ihre Heimatverbundenheit herauszustreichen. Parteipräsident Albert Rösti wandert auf dem Rütli und die Zuger setzen auf die Tradition des Schwingens und des Stierenmarkts. 

Nachdem die Installationen für die Viehschau bei den Stierenstallungen  abgebaut sind, bezieht die SVP dort Stellung. Am Samstag lädt die Partei dann zum Wurstessen aufs Braunviehzuchtareal ein. Heinz Tännler und Nationalrat Thomas Aeschi halten eine Rede und auch Bundespräsident Ueli Maurer hat sich wieder angekündigt. Maurer hatte kürzlich am ESAF die beste Ansprache seines Lebens gehalten.

Von langer Hand geplant

Die SVP hat den Anlass bereits vor langer Zeit organisiert. «Die Agenda des Bundespräsidenten ist sehr eng getaktet», sagt der Wahlkampfleiter Daniel Staffelbach. «Die Veranstaltung musste daher von der Wahlkommission der SVP des Kantons Zug seit Anfang Jahr geplant werden». 

Verantwortlich für den Coup ist Philip C. Brunner, Präsident der SVP-Stadtpartei. Als Hotelier hat er die Organisation und Logistik im Griff, als langjähriger Stadt- und Kantonsparlamentarier gute Kontakte zu den Behörden.

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