Warum rechnet Regierung bei neuer Kiesgrube falsch?

Bevor es zu spät ist: Chamer Kantonsräte wollen aufrütteln

Kiesabbau in Oberwil bei Cham. Hatwil-Hubletzen liegt in der Nähe.

(Bild: mam)

Der Kiesabbau im Gebiet Hatwil-Hubletzen soll im Zuger Richtplan festgeschrieben werden – gegen den Widerstand der Gemeinde Cham. Sämtliche Chamer Vertreter im Kantonsparlament verlangen nun, dass die Zuger Regierung inhaltlich auf ein kritisches Gutachten zum Abbau eingeht.

Es pressiert: Auch wenn die Gemeinde Cham sich gegen den Kiesabbau im Gebiet Hatwil-Hubletzen wehrt, könnte der doch ziemlich schnell Wirklichkeit werden. Im Jahr 2025 soll der Abbau im grünen Norden der Gemeinde beginnen. Bereits im Winter wird die gesetzliche Grundlage vom Kantonsparlament voraussichtlich angepasst.

Die Standortgemeinde hat dazu nichts mehr zu sagen, ebenso wenig die Bevölkerung. Die kann zwar in die öffentlich aufliegenden Änderungspläne zum Richtplan bis Oktober Einsicht nehmen. Der Entscheid liegt aber allein in den Händen der Kantonsparlamentarier.

Abbau «nicht empfehlenswert»

Jene aus Cham wollen nun ihre Kollegen aufrütteln, wie Mitunterzeichner und CVP-Kantonsrat Hans Baumgartner sagt. Gemeinsam stellen zehn Chamer Parlamentarier der Zuger Regierung in einer Interpellation eine Reihe von kritischen Fragen zur neuen Kiesgrube in ihrer Gemeinde – und machen sich grundlegende Überlegungen zur Kieswirtschaft im Kanton.

Zugrunde liegt dem Vorstoss ein unabhängiges Gutachten von Luzerner Geologen, das von der Gemeinde Cham in Auftrag gegeben wurde. Dieses beurteilte den Kiesabbau im Gebiet Hatwil-Hubletzen kritisch (zentralplus berichtete). Das Fazit: Es sei «nicht empfehlenswert», den Abbau im Richtplan festzusetzen.

Baudirektor soll Farbe bekennen

Es bestehe «eine erhebliche Gefährdung des Grundwassers.» Die Berechnungen über die Kiesreserven und die mögliche Deponie, mit der das Loch dereinst aufgefüllt werden soll, seien «nicht plausibel». Sprich: Die Zahlen sind viel zu hoch, die Berechnungen falsch. Die Gemeinde Cham macht überdies eine Gefährdung des Naturschutzgebietes Hatwiler-Ried geltend. 

Weil Baudirektor Florian Weber (FDP) auf die Vorwürfe aus dem Ennetsee lediglich mit kurzen Kommentaren in den Medien eingegangen ist, wird er nun von den Chamer Kantonsräten eingeladen, sich detailliert zu Thematik zu äussern.

Trocknet das Hatwiler Ried aus?

Ob die Regierung Fruchtfolgeflächen und Grundwasser nicht für wertvolle Ressourcen halte, fragen die Parlamentarier. Wie man den Stellenwert von Naherholungsgebieten im Boomkanton Zug beurteile. Ob man sich nicht mehr Kiestransporte per Bahn vorstellen könne, wie dies der Kanton Zürich vorschreibt. Ob man nicht besser die ganze Kiesabbau- und Deponiefrage in Zukunft in Zusammenarbeit mit den umliegenden Kantonen angehen wolle.

«Wir wollen wissen, wie die falschen Zahlen zustande gekommen sind.»

Hans Baumgartner, CVP-Kantonsrat aus Cham

Zwei konkrete Punkte stossen den Chamern besonders auf. Die Auswirkungen aufs Naturschutzgebiet Hatwiler-Ried wurden nicht geprüft, weil es ausserhalb des Abbauperimeters liegt. Die Chamer Kantonsräte, die eine Austrocknung befürchten, hätten gerne, dass der Kanton dies nachholt. Denn das Ried ist für die Gemeinde wichtig. «Mit rund 100 nachgewiesenen Tierarten ist dieser Landschaftsraum der artenreichste in Cham», sagt Manuela Hotz, Projektleitern Umwelt der Gemeinde.

Locker ist nicht dicht

Ausserdem ist der Zahlensalat ein Aufreger: Das Gutachten im Auftrag der Gemeinde Cham weist mit Bezug auf Studien, die von einem renommierten Zürcher Geologie- und Umweltbüro für die kantonale Planung erstellt wurden, nach, dass der Kanton falsche Schlüsse daraus gezogen hat.

Erstens wurde nicht berücksichtigt, dass das Volumen von verdichtetem Material, das im Untergrund von Hatwil-Hubletzen liegt, nicht mit jenem von lockerem Material zu vergleichen ist – wie es etwa für Deponien anfällt. Ein Mangel, den der neue Baudirektor mittlerweile eingestanden hat.

Kies muss herausgefiltert werden

Zweitens wurde das mögliche Kiesvolumen für das Gebiet nach Meinung der Chamer zu hoch eingeschätzt. Denn das Abbaugebiet von Hatwil-Hubletzen setzt sich vereinfacht gesagt aus zwei Schichten zusammen. Unter wenigen Metern Humus befindet sich eine Grundmoräne, die aber nur zu knapp einem Drittel Kies enthält.

Darunter befindet sich eine mächtige Schotterschicht, die zu zwei Dritteln aus Kies besteht. Der Kanton indes ging in seiner Planung von einem pauschalen Kiesanteil von 60 Prozent aus – und berücksichtigte nicht, dass man die 10 bis 15 Meter tiefe Grundmoräne erst einmal abbauen und ihren gemischten Inhalt aufbereiten muss.

Werk zur Aufbereitung

«Eine Grundmoräne auszubeuten ist eigentlich unüblich», sagt der Chamer CVP-Kantonsrat Hans Baumgartner. An einzelnen Orten, wie etwa im luzernischen Ballwil, werde dafür zwar ein Werk gebaut, doch seien für die Trennung des Kieses vom übrigen Material zusätzliche Infrastrukturen nötig. Die Chamer Kantonsräte möchten daher wissen, wo diese errichtet werden und wie der Aushub dorthin und zurückgebracht wird.

Das Kieswerk im Äbnetwald soll künftig auch mit Kies von Hatwil-Hubletzen gespeist werden. Geplant ist ein Transport auf Rollbändern. (Bild: mam)

Dass der Kanton jahrelang mit fehlerhaften Berechnungen operierte, treibt Baumgartner zur Weissglut. «Damit wurde gegenüber Bundesstellen und Gemeinden argumentiert. Wir wollen nun wissen, wer diese Zahlen berechnet hat und wie sie zustande gekommen sind», sagt er.

Zug muss autark sein

Im Grunde zielt die Kritik der Chamer Kantonsräte aus ALG, SP, GLP, CVP, FDP und SVP aber auf den Zuger Kiesbericht. Der stammt aus dem Jahr 2008 und wurde von einer 32-köpfigen breit abgestützten Arbeitsgruppe erstellt. Er schreibt fest, dass der Kanton Zug beim Kiesabbau Selbstversorger sein muss (zentralplus berichtete).

Dass die enormen Mengen an Kies und Sand, die für die rege Zuger Bautätigkeit nötig sind, nicht per Lastwagen über weite Strecken herangekarrt werden, macht zwar Sinn. Dass sie aber von innerhalb der Zuger Gemarchungen stammen müssen, steht nur in diesem Kiesbericht.

Alle Vorhersagen falsch

«Alle Prognosen im Kiesbericht haben sich als falsch herausgestellt», sagt Baumgartner. Jene der Abbaumengen, jene der wiederverwerteten Materialien, jene der Transporte. «Warum überarbeitet man den nicht endlich?», fragt er. 

Im Kanton Zug sei in den 1970er- und 1980er-Jahren viel Kies abgebaut worden – auch für andere Kantone. Irgendwann seien die geeigneten Kiesabbaugebiete aber zur Neige gegangen, so Baumgartner. Auch eine neue Kiesgrube in Chams grünem Norden würde das Problem nur um gut zehn Jahre aufschieben. «Deswegen ist es höchste Zeit, jetzt die Nase über die Kantonsgrenze hinauszustrecken», so Baumgartner.

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