Klarer Fokus auf kleine oder grosse Kammer

Zuger Politiker verzichten auf strategisches Doppelspiel

Christina Bürgi Dellsperger (Zweite von links) ist die Spitzenkandidatin der SP für die Nationalratswahlen. Barbara Gysel (rechts) stellt sich als Ständeratskandidatin zur Wahl. (Bild: wia)

Von einem Tanz auf mehreren Hochzeiten wollen Zuger Politiker im Hinblick auf die National- und Ständeratswahlen nichts wissen. Matthias Michel (FDP) kandidiert nur fürs Stöckli, und auch die linken Kandidatinnen legen einen klaren Fokus. Aus anderen Kantonen kennt man es ganz anders.

40 Prozent der fünf Zuger Sitze im Bundesparlament werden diesen Herbst neu besetzt. Mindestens. Die beiden FDP-Parlamentarier, Ständerat Joachim Eder und Nationalrat Bruno Pezzatti, ziehen sich aus der Politik zurück. Die Freisinnigen müssen um ihre Mandate bangen. Im Nationalratswahlkampf hat die politische Linke Lunte gerochen – im Ständeratswahlkampf schickt die SVP ihren Regierungsrat Heinz Tännler ins Rennen.

Wird das Buhlen um die Sitze grösser, gewinnt die Strategie an Bedeutung. Ein Zugpferd als Ständeratskandidat, das als Aushängeschild Werbung für die ganze Partei macht, ist ein gängiges Muster. Um die Präsenz des Zugpferdes voll auszunutzen, kommt es dabei häufig zu Doppelkandidaturen. So streben etwa Roger Köppel (SVP Zürich) oder Cédric Wermuth (SP Aargau) den Sprung von der grossen in die kleine Kammer an und kandidieren auf beiden Listen. Will jemand neu nach Bundesbern, so kann die Ständeratskandidatur den nötigen Rückenwind geben, um es auf der Nationalratsliste weit nach vorne zu schaffen. Im Kanton Luzern gestaltet sich die Situation etwa bei Michèle Graber (GLP-Fraktionschefin im Kantonsrat) oder David Roth (SP-Präsident und Kantonsrat) so. Beide kandidieren für den Ständerat, um die Chancen auf einen Nationalratssitz zu steigern.

FDP-Michel sagt, was er will

Es wäre wenig verwunderlich, würde auch die Zuger FDP auf diese Taktik setzen. Doch alt Regierungsrat Matthias Michel stellt sich einzig für den Ständerat zur Verfügung. Bei den Nationalratswahlen sollen es andere richten. «Ich halte nichts davon, einerseits ein Ständeratsmandat anzustreben, andererseits für die Partei auf der Nationalratsliste Stimmen zu sammeln, wenn man erstmals kandidiert. Ich glaube nicht, dass die Wählerinnen und Wähler dieses Doppelspiel schätzen», sagt Michel zu zentralplus.

Matthias Michel am Lauf «Zugerberg Classic». Einen solchen Zieleinlauf wünsche er sich als Ständeratskandidat, wie er zum Bild schreibt. (Bild: Facebook Matthias Michel)

Sowieso sei die Ausgangslage mit anderen Kantonen nur schwer vergleichbar. «In kleinen Kantonen wie Zug mit drei Sitzen sind Nationalratswahlen faktisch Personenwahlen.» Er sage den Leuten offenkundig, was er wolle – also, dass ihn nur der Sitz im Stöckli reize. Das sei ihm insofern wichtig, weil er zum ersten Mal fürs nationale Parlament kandidiere. Michel erklärt, dass er mit der aufgeworfenen Frage schon an der Nominationsversammlung konfrontiert war. «Sie wurde offen andiskutiert», sagt er, das Resultat sei bekannt. Michel ist überzeugt, die Partei diesbezüglich hinter sich zu wissen.

Als alt Regierungsrat sind Michels Chancen für den Ständerat durchaus intakt. Der stärkste Herausforderer nebst dem bisherigen Peter Hegglin (CVP) dürfte SVP-Regierungsrat Heinz Tännler sein. Dass er nicht für den Nationalrat kandidiert, ist angesichts seines Regierungsmandats logisch. Da der Bisherige (Thomas Aeschi) wieder für den Nationalrat kandidiert, ist der Bedarf bei der SVP zudem weniger da.

SP will Alternative bieten

Nur Aussenseiterchancen werden im Ständeratswahlkampf Tabea Zimmermann Gibson (ALG) und Barbara Gysel (SP) eingeräumt. Auf linker Seite ist jedoch das Hauptziel, nach acht Jahren die Rückkehr in den Nationalrat zu schaffen. Beide kandidieren zwar für beide Kammern, werden jedoch auf der Nationalratsliste ausdrücklich nicht als Spitzenkandidatinnen aufgeführt. Was steckt dahinter?

«Es wäre vermessen, einen erstmaligen Zuger SP-Sitz im Stöckli als Ziel herauszugeben.» 

Barbara Gysel, SP-Präsidentin

SP-Ständeratskandidatin und Parteipräsidentin Barbara Gysel erklärt: «Solche Doppelkandidaturen sind unter den Zuger Linken nicht die Regel.» Das primäre Ziel sei ein Nationalratssitz. Gysel schätzt ihre Chancen für den Ständeratssitz realistisch ein. «Wir sind nicht naiv», sagt sie. «Es wäre vermessen, einen erstmaligen Zuger SP-Sitz im Stöckli als Ziel herauszugeben.» 

Nichtsdestotrotz unterstreicht Gysel die Notwendigkeit der SP-Kandidatur. Schliesslich sei die Zuger Vertretung in Bern bisher rein männlich und bürgerlich. «Wir wollen den Wählerinnen und Wählern eine Vielfalt an politischen und fachlichen Optionen bieten», sagt Gysel – auch eine Frauenkandidatur seitens der SP sei unbestritten gewesen. «Steter Tropfen höhlt den Stein», so das Motto. Schliesslich habe sich die SP mittlerweile in zwölf Kantonen ein Ständeratsmandat gesichert. «Wer hätte das früher gedacht», so Gysel.

SP-Präsidentin lobt Solidaritätskandidaturen

Eine Doppelkandidatur aus in erster Linie strategischen Gründen war insofern auch kein Thema, weil die Spitzenkandidatin bei den Nationalratswahlen, Christina Bürgi Dellsperger, eine Auslandschweizerin ist. Sie ist seit diesem Sommer in Paris für die Unesco tätig. Ein Einzug ins Stöckli ist schon rein rechtlich nicht möglich.

Umso mehr hätte die SP den Ständeratswahlkampf nutzen können, um jemand Unbekannteres zu profilieren. Parteipräsidentin Barbara Gysel, die im letzten Herbst von den Nichtgewählten am meisten Stimmen bei der Regierungsratswahl holte, kennt man im Kanton. Gysel sagt dazu: «Für die Glaubwürdigkeit der Demokratie wäre es nicht gut, ein politisches Greenhorn aufzustellen.»

Dass sie zusätzlich auf der Nationalratsliste kandidiere, ist für Gysel selbstverständlich. «Ich fühle mich verantwortlich, einen Beitrag zu leisten.» Bekanntlich tritt die SP mit sieben Listen an, um möglichst viele Stimmen zu holen (zentralplus berichtete). Die Strategie mit mehreren Listen habe man vor vier Jahren zum ersten Mal angewendet, erklärt Gysel, die sich also bereit erklärt, mit ihren Stimmen der Spitzenkandidatin Support zu leisten. «Das ist dem System geschuldet. Kleine Parteien haben es enorm schwer, einen Sitz zu holen», sagt Gysel. Dass mittlerweile alle Parteien mit mehreren Listen antrete, zeuge von diesem Problem. «Umso erfreuter bin ich, dass sich zahlreiche Leute dazu bereit erklären, zu kandidieren.» Sie nennt etwa den Zuger alt Stadtpräsidenten Dolfi Müller. «Das ist wichtig.» 

Prominentes Trio soll es für ALG richten

ALG-Ständeratskandidatin Tabea Zimmermann Gibson bezeichnet Doppelkandidaturen in grossen Kantonen als «durchaus sinnvoll». Dort würden Kandidierende auf der Nationalratsliste weniger Aufmerksamkeit erhalten. In Zug sei dies jedoch anders. «Man kann sich spezifisch für eine Position zur Wahl stellen, was wiederum die Chancen bei der Bevölkerung erhöht», sagt sie.

Tabea Zimmermann Gibson (ALG) möchte in den Ständerat. (Bild: zvg)

Mit Manuela Weichelt, Vroni Straub und Andreas Lustenberger rechnet sich die ALG durchaus Chancen aus, nach acht Jahren ihr Nationalratsmandat zurückzuholen. Zimmermann sagt: «Für mich war von Anfang an klar, dass ich unsere Hauptliste auf einer Nebenliste unterstützen werde.» Zimmermann ist sich ihrer Rolle im Wahlkampf also durchaus bewusst. Sie bietet sich der Bevölkerung klar als Ständeratskandidatin an – ihrer Partei zuliebe hat sie sich aber zusätzlich als Nationalratskandidatin aufstellen lassen.

Im Ständeratswahlkampf will Zimmermann die Themen Gleichstellung, Nachhaltigkeit, Bildung und Solidarität einbringen. «Darauf werden die Bürgerlichen ihren Fokus weniger legen», so die GGR-Vizepräsidentin und Kantonsrätin. «Die Präsenz dieser Themen im gesamten Wahlkampf ist wichtig, damit die Linke im Kanton Zug den Nationalratssitz holt.»

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