Polizei
Entwicklung bereitet Sorgen

Mehr Gewalt gegen Polizei: So erlebt es ein Betroffener

Die Entwicklung der Gewalt gegen die Polizei macht Michael Muther Sorgen. Er ist Chef der Sicherheitspolizei Süd. (Bild: Urs Wigger, Luzerner Polizei)

Die Gewalt gegen Polizistinnen hat in den letzten Jahren markant zugenommen. Darunter leidet die Attraktivität dieses Berufs. Wie gehen die betroffenen Ordnungshüter mit diesem Problem um?

Das letzte Jahr war für die Luzerner Polizei eine echte Herausforderung. Die Stimmung war bei den vielen Demonstrationen oft aufgeheizt, die Gewalt gegen die Uniformierten nahm markant zu.

Ein Beispiel: Im Juli marschieren gegen 5’000 Kritiker der Corona-Massnahmen durch die Luzerner Innenstadt. Dabei bleiben nicht alle friedlich. Am Inseliquai griffen zwei Personen einen Polizisten an. Zudem zog einer dem Polizisten eine Fahnenstange über den Kopf. Der Polizist musste daraufhin vom Rettungsdienst 144 mit einer Kopfverletzung ins Spital gebracht werden (zentralplus berichtete).

Szenen von der Demonstration im Juli 2021 – der Mann am Boden wurde von der Polizei festgenommen. (Bild: StrickerTV) (Bild: StrickerTV)

Das ist kein Einzelfall. Laut Luzerner Polizei wurden im letzten Jahr 52 Polizistinnen verletzt. Im Vorjahr waren es noch 34. Überdies erlebten fast 300 Mitarbeiterinnen der Luzerner Polizei Gewalt und Drohungen (zentralplus berichtete). Auch diese Zahl stellt im Vergleich zum Vorjahr mit 225 Meldungen eine deutliche Zunahme dar.

«Jeder dieser Vorfälle ist für den Betroffenen oder die Betroffene einschneidend und belastend. Die vielen schönen Momente, die im Polizeiberuf bei Hilfeleistungen oder bei Begegnungen mit dankbaren Menschen erlebt werden können, werten solche Übergriffe nicht auf», sagt Kommandant Adi Achermann. 

Bespuckt, beschimpft, gebissen, geschlagen

Die Gewalt gegen die Polizei hat markant zugenommen. Diese Entwicklung macht auch Michael Muther Sorgen. Der Chef der Sicherheitspolizei Süd ist mit seinem Team täglich auf den Strassen der Stadt Luzern im Einsatz. Er schildert uns typische Situationen, in denen er und seine Leute Gewalt ausgesetzt sind.

«Es kann auch bei einer Festnahme vorkommen, dass sich eine Person wehrt und die Polizei zu beissen versucht.»

Michael Muther, Chef Sicherheitspolizei Süd

«Das kann beispielsweise bei einer normalen Personenkontrolle sein, bei welcher eine Person ausrastet und die Mitarbeitenden der Polizei beschimpft, bespuckt oder tätlich angreift. Nicht selten stehen derartige Ausraster auch im Zusammenhang mit dem übermässigen Konsum von Betäubungsmitteln oder Alkohol.»

Im Falle einer Festnahme kann es laut Muther auch zu unschönen Szenen kommen. «Es kann auch bei einer Festnahme vorkommen, dass sich eine Person massiv wehrt, um sich schlägt oder Mitarbeitende der Polizei zu beissen versucht.»

Psychologische Notfallhilfe steht bereit

Nicht jede Person geht mit dem Erlebten gleich um. Gewalt im Dienst zu erleben, kann bleibende psychologische Narben hinterlassen. Im Falle eines potenziellen Traumas bekommen die Polizisten Hilfe. Beispielsweise von einem psychologischen Dienst der Luzerner Polizei.

«Einerseits tauscht man sich mit Arbeitskollegen oder -kolleginnen aus. Weiter besteht die Möglichkeit, mit sogenannten Peers in Kontakt zu treten», sagt Muther. Peers sind Arbeitskollegen, beispielsweise normale Polizisten, welche eine Ausbildung in psychosozialer Nothilfe haben. Peers leisten sozusagen Erste Hilfe für die Seele und haben Schweigepflicht.

Grafik: Geschäftsbericht 2021 der Luzerner Polizei.

Und diese Peers haben immer mehr Einsätze im Bereich der «psychologischen Nothilfe», die sie für ihre Polizei-Kollegen leisten. Im Jahr 2021 hat die Polizei daher die Anzahl Peers von 8 auf 10 Personen erhöht. Zusätzlich arbeiten die Luzerner mit den Nidwaldner Peers zusammen.

«Die Entwicklung bereitet Sorgen»

Die Gewalt gegen die Polizistinnen und Polizisten nimmt stetig zu. Und zwar nicht nur in Luzern. «Wie man den Zahlen der schweizerischen Kriminalstatistik entnehmen kann, handelt es sich um ein schweizweites Phänomen und ein gesellschaftliches Problem, das nicht einfach zu lösen ist», sagt Muther.

«Die Entwicklung bereitet Sorgen», sagt der Chef der Sicherheitspolizei Süd. Er wünscht sich, dass auch auf der Seite des Gesetzgebers etwas unternommen wird. «Generell dürfen Gewaltdelikte keine Kavaliersdelikte werden.»

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