Mehr Haftplätze seien das probateste Mittel, um die Quote der Ersatzhaftstrafen zu senken, findet der Regierungsrat. Und will im Wauwilermoos im Sommer Container mit zusätzlich 20 Plätzen erstellen. (Bild: jal)
Die verbüssten Ersatzhafttage in Luzern steigen. Und damit die Gefahr der Verjährung.Im Parlament schrillen die Alarmglocken. Die Regierung sieht nur ein Mittel als Lösung.
Urlaub auf Staatskosten – so sehen es Martin Wicki und andere Parlamentsmitglieder. Das Problem: Immer mehr Personen im Kanton Luzern wählen die Ersatzhaft, statt eine Busse zu bezahlen. Das führt zu Einnahmeverlusten auf Bussenseite und gleichzeitig zu steigenden Kosten im Strafvollzug.
Mit einem Postulat wollen Wicki und die Mitunterzeichner die Spitzen brechen und verlangen, dass die Verurteilten sich an den Haftkosten beteiligen.
Wie sich nun in der Antwort des Regierungsrats auf das Postulat zeigt, ist dieser überzeugt, die zur Verfügung stehenden Massnahmen gegen diesen Trend ausgeschöpft zu haben.
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In seinem Jahres- und Tätigkeitsbericht hat der Regierungsrat dann auch bekannt gegeben, noch dieses Jahr provisorische Container mit zusätzlich 20 Plätzen zum Absitzen von Ersatzhaftstrafen von 1 bis 50 Tagen in der Justizvollzugsanstalt Wauwilermoos einzurichten (zentralplus berichtete).
51’770 Hafttage sind noch nicht verbüsst
Das Problem ist in der Justiz- und Sicherheitsdirektion des Kantons Luzern also sehr wohl bekannt. Und dies schon seit längerer Zeit, wie aus den Antworten des Justiz- und Sicherheitsdepartements der zuständigen Regierungsrätin Ylfete Fanaj hervorgeht. Der Anstieg der Urteile mit Ersatzfreiheitsstrafe sind seit 2020 tatsächlich kontinuierlich bis 2024 zum Höchststand mit 9593 Fällen gestiegen. Das entspricht einem Zuwachs von 19,3 Prozent seit 2014.
Über die vergangenen Jahre stauen sich zudem zunehmend die Vollzugstage. Diese haben nun den Höchststand erreicht. Noch sind 51’770 angeordnete, aber noch nicht eingelöste Tage im Gefängnis abzusitzen. Pro Urteil ist der Kanton Luzern also beinahe fünf Tage im Hintertreffen.
Spitzt sich dies weiter zu, droht in manchen Fällen eine Verjährung, und die Verurteilten kommen ungeschoren davon. Seit jüngst verjähren durchschnittlich 1200 Fälle pro Jahr. Mehrheitlich aber nicht aus Nachlässigkeit, denn viele der Betroffenen halten sich im Ausland auf. Auslieferungsverfahren einzuleiten, lohnt sich da nicht.
Die meisten Betroffenen sind finanziell schlecht gestellt
Wie die Luzerner Regierung in ihren ausführlichen auf die aktuelle Gesetzesgrundlage abstützenden Antworten durchblicken lässt, wird der Grossteil der Ersatzhaftstrafen nach wie vor an Personen ausgesprochen, die schlicht nicht die finanziellen Mittel haben, um die Bussen bezahlen zu können. Es ist also weniger Mode geworden, die Haft abzusitzen, statt die Busse zu bezahlen. Viel eher gibt es einfach mehr Gesetzesübertretungen von Personen mit sehr geringen finanziellen Mitteln und Einkommen.
Der Kanton kommt den Verurteilten denn auch möglichst entgegen, damit diese keine Haftstrafe antreten müssen, sondern auf Antrag mit den erforderlichen Belegen einen Kostenerlass respektive zumindest eine Kostenreduktion erhalten oder die Busse auch abstottern können.
Doch wie das Justiz- und Sicherheitsdepartement betont, gebe es eine Regelung für eine Kostenbeteiligung gemäss Strafgesetzbuch (StGB) und Gesetz über den Justizvollzug (JVG). In der Umsetzung sei eine Kostenbeteiligung insbesondere in den Fällen von Wohn- und/oder Arbeitsexternat, Halbgefangenschaft und elektronischer Überwachung verbreitet.
Darüber hinaus wende der Kanton auch in weiteren Härtefällen eine Kostenbeteiligung an. So etwa bei Personen, die während eines Freiheitsentzuges eine IV-Rente beziehen.
Bei kurzen Aufenthalten im Gefängnis – bei Ersatzhaftstrafen sind es in der Regel nur einige Tage – ergebe eine Beteiligung an den Kosten aber keinen Sinn.
Das Wichtigste ist: Alle Personen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüssen müssen, werden zuvor durch eine Betreibung zur Zahlung der Busse aufgefordert (siehe Box).
Wie der Regierungsrat festhält, erfolge die Umwandlung einer Busse oder Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Regel erst nach einer erfolglosen Betreibung. Einzig wenn bereits Verlustscheine vorliegen würden, werde darauf verzichtet.
Eigenverantwortung bleibt weiterhin wichtig
Noch immer bestehe der Hauptzweck des Strafvollzugs in der Wiedereingliederung in die Gesellschaft und dürfe nicht zulasten der Eigenverantwortung gehen.
Bereits bei der Verhängung der Geldstrafen werde abgewogen zwischen finanziell starken und schwachen Personen. Im Kanton Luzern seien zudem die meisten eingewiesenen Personen soziale Härtefälle.
Zu guter Letzt macht das Justiz- und Polizeidepartement noch die Kostenrechnung. So zeigt es auf, dass es viel zu kompliziert wäre, zu ermitteln, wie hoch in den jeweiligen Fällen die Beteiligung an den Haftkosten überhaupt wäre.
Kosten in keinem Verhältnis zum Ertrag
Nimmt man fünf Stunden Arbeit bei jedem der 5243 erhobenen Fälle 2024 an, würde das knapp 1,9 Millionen Franken kosten. Demgegenüber stünden 50’000 bis 75’000 Franken, die maximal zusammenkämen, würde man in zehn Prozent der Fälle 1000–2000 Franken mehr erhalten.
Aus diesen Gründen und weil auch flankierende gesetzliche Grundlagen bestehen würden, lehne der Regierungsrat das Postulat ab. Das wirkungsvollste Mittel für eine bessere Zahlungsmoral bei Bussen sieht der Regierungsrat in genügend Haftplätzen. Nur so könne man der Verjährung von Bussen respektive Haftstrafen entgegenwirken.
Auch eine Erhöhung der Ersatzhafttage im Verhältnis zur Busse erachtet der Regierungsrat nur als begrenzt sinnvoll. Der Fokus auf präventive Massnahmen, alternative Sanktionen und soziale Unterstützung hält er langfristig für besser geeignet.
Redaktioneller Mitarbeiter bei zentralplus mit Themen-Schwerpunkten Politik und Wirtschaft. Hat an der Universität Zürich Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie studiert. Als ehemaliger Triathlet nach wie vor begeisterter Läufer, Rennradfahrer und Schwimmer.